Platons Höhle

In Platons Höhlengleichnis sitzen die Menschen vor einer Wand, auf der die Schatten der realen Objekte der Welt zu sehen sind. Da sie in ihrem ganzen Leben nur die Schatten gesehen haben, denken sie, diese seien die Realität. Die Aufgabe des Philosophen ist es, den Menschen zu erklären, dass sie sich umdrehen sollten, um zu sehen, wie die Apparatur des Lichtes, das als Projektionsmechanismus dient, eine Illusion erzeugt. Sobald die Menschen dies erkannt hätten, würden sie sich aus den Ketten, die sie in der Höhle gefangen hatten und ihre Blickrichtung bestimmt haben, befreien. Sie würden die Höhle verlassen und die wirkliche Welt betreten. Platon dachte, dass wir alle in dieser Höhle gefangen sind, und es nur sehr wenigen gelingt, diese zu verlassen.

Die Fragen

Dieses Bild ist so komplex, dass es seit fast 2500 Jahren zum Nachdenken anregt. Wir können dieses Bild nicht ernsthaft widerlegen, noch können wir leicht die metaphorische Höhle verlassen. Wir sind quasi in diesem Bild gefangen. Ich habe diese Bild viele Jahre in meinen Seminaren verwendet und analysiert. Besonders die Analogie zum Kino ist auffällig und lädt dazu ein, die Flamme als medialen Projektionsapparat zu interpretieren. Vor hier aus ist es leicht, über unsere Medien nachzudenken. Welche Funktion sie haben, was machen sie mit uns? Befreien sie uns, oder halten sie uns in einer Konsumhaltung fest? Was sind die Bedingungen des Apparates, der diese Illusionen erzeugt? Wie könnte die Welt außerhalb der Höhle aussehen? Wenn all die Gegenstände um uns herum nur Schatten der Realität sind, in welcher Dimension liegt die Realität? Woraus ist sie gemacht? Wenn alles, was wir wahrnehmen, nur die Schatten sind, gilt das auch für unsere Theorien, unsere Wissenschaft und Kunst?

Die Antworten

In welcher Art von `Wesensschau´können wir die Realität erfassen? Die Jahrtausende haben verschiedene Antworten hervorgebracht: Skeptizismus (wir können nichts wissen), Idealismus (die Realität ist letztlich rational und nur in unseren Gedanken), Phänomnologie (das einzige, was wir wirklich beschreiben können ist, unser Bewusstsein), Strukturalismus (die Relation der Dinge zueinander, d.h. die Struktur der Welt, ist das einzige, was wir wissen können). Neben dieser tendenziell materialistischen Denktradition haben wir Leibniz‘ Monaden (ich bin meine Welt und andere Welten sind ebenfalls in sich geschlossen, sie können sich aber gegenseitig spiegeln), Spinoza (die Welt ist reine Immanenz, alles ist aus einer Realität und die ist verankert in Gott). Und natürlich die christliche Tradition (ein Schöpfer hat das alles gemacht, seine Wege sind unergründbar).

Was lernen wir daraus?

Ich weiß es natürlich auch nicht, jedoch stellt sich aus der Perspektive der Spiritualität die Frage vielleicht anders. Vielleicht sind wir tatsächlich in Platons Bild gefangen, und das Bild selbst ist vielleicht nicht richtig? Realität und Illusion, wahr und falsch, vielleicht sind dies Kategorien unseres Denkens, die ein bloßes Durchgangsstadium darstellen. Vielleicht ist unser Bewusstsein für die wirkliche Frage noch gar nicht bereit. Ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Geist, sagen wir nun im 21. Jahrhundert, auf dem evolutionären Höhepunkt angelangt ist, und das sogar auf kosmischer Ebene? Mir scheint das unwahrscheinlich. Es ist wahrscheinlicher, dass sich das Denken weiter entwickelt, unser Bewusstsein sich erweitert, unsere Wahrnehmung und ihre apparative Verstärkung sich verfeinert. Jeder Philosoph, der meint, er oder sie könnte die Menschheit aus den Ketten befreien, sollte sich zuallererst aus der eigenen Hybris befreien. Mir scheint das arrogant und überheblich, besserwisserisch und verachtend.

Vielleicht ist Platons Höhlengleichnis aber nur ein Werkzeug, ein Schlüssel, um uns zum Nachdenken zu bringen. Wenn dies die Aufgabe des Philosophen ist, so hat Platon sie meisterhaft gelöst.

 

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