­Maya und die Frage nach der Wirklichkeit

Als ich nach meiner ersten Liebe zu Platon (besonders dem Phaidon Dialog) und den großen griechischen Dichter wie Sophokles etc.. als Teenager in die Abgründe des Skeptizismus fiel, war der Pfad von Descartes Meditation, über Hume, Kant, Husserl steinig. Ich verlor die Seele aus den Augen, folgte der Ideologie der rein empirischen Wissenschaften. Nur das, was mit den 5 Sinnen wahrgenommen werden kann, galt als ‚Material‘ für Philosophie, und darin eingebettet war der Zweifel, ob diesen Sinnen denn zu trauen sei. Ob nicht alles nur eine Illusion ist. Der Bogen von Platon zu David Hume kann größer kaum sein.

Bilder

Die Idee, dass sich Welt mit nur in Wahrnehmungsbilder zeigt, führte mich zur Ästhetik, doch nie habe ich das so klar gesehen wie neulich als ich in Aurobindo’s Text zu den Upanischaden stöberte. Ich erinnere mich an Willard Van Orman Quine’s legendäres und absurdes Beispiel von nicht abgetrennten Hasenteilen: wenn ein Hase hinter einem Baum vorbeiläuft und so in meiner Wahrnehmung zwei Hasenteile sich präsentieren – ein vorderes und ein hinteres Hasenteil – und ich dennoch eine Gewissheit zu haben scheine, dass es sich um einen Hasen handelt. So könnten wir hier etwas lernen über die Prinzipien unserer Wahrnehmung und Sprache. Hume spitzte das schon zu, indem er sagte, dass wir keine Gewissheit haben können, dass die Sonne auch morgen wieder aufgeht (ihm ging es dabei darum, die Kausalität infrage zu stellen). Hier Aurobindo’s Stellungnahme zu dieser Art von Philosophie:

The sun rises up in the morning, mounts into the cusp of the blue Heavens and descends at evening trailing behind it clouds of glory as it disappears. Who could doubt this irrefragable, overwhelmingly evidenced fact? Every day, through myriads of years, the eyes of millions of men all over the world have borne concurrent and unvarying testimony to the truth of these splendid voyagings. Than such universal ocular testimony, what evidence can be more conclusive? Yet it all turns out to be an image created by Nescience in the field of vision. Science comes & undeterred by prison & the stake tells us that the sun never voyages through our heavens, is indeed millions of miles from our heavens, and it is we who move round the Sun, not the Sun round us. Nay those Heavens themselves, the blue firmament into which poetry and religion have read so much beauty and wonder, is itself only an image, in which Nescience represents our atmosphere to us in the field of vision. The light too which streams upon us from our Sun and seems to us to fill Space turns out to be no more than an image. Science now freely permitted to multiply her amazing paradoxes, forces us at last to believe that it is only motion of matter affecting us at a certain pitch of vibration with that particular impression on the brain. And so she goes on resolving all things into mere images of the great cosmic ether which alone is. Of such unsubstantialities is this marvellous fabric of visible things created! Nay, it would even appear that the more unsubstantial a thing seems, the nearer it is to ultimate reality. This, which Science proves, says the Vedantist, is precisely what is meant by Maya.“ (Aurobindo CVSA 18, p.379)

Es ist nicht nur die poetisch Kraft Aurobindo’S die mich hier fasziniert, die Art wie er dieses Bild der aufgehenden Sonne evoziert und hin und her wälzt, die verschiedenen Positionen einwebt, um dann das Problem an sich neu zu positionieren. Es ist die Kraft, sich von der eigenen Intuition und Einsicht, von der Erfahrung im reichhaltigsten Sinn leiten zu lassen.

Ich lerne daraus:

  • Wenn wir die Welt als bloßen Phänomen analysieren wollen, so mögen die Ausgangsbilder bitte reich und kraftvoll sein und nicht albern reduziert wie abgetrennte Hasenteile.
  • Wenn wir dann der Methode der Naturwissenschaften und des rationalen Geistes folgen, dann bitte bis zum Ende, wo wir sehen, dass es eigentlich diese Wissenschaft ist, die genau die Bilder erzeugt, die sie anzweifelt.
  • Und schließlich die Umkehr des Problems, in einer art dialektischen Wendung. Die Welt ist unanzweifelbar real, nur ist sie eben nicht so, wie die Wissenschaft sie beschreibt. Das zeigt die Wissenschaft selbst.

Jeder Versuchsaufbau ist eine Simulation, eine Konstruktion. Jede Theorie ist eine Beschreibung von Welt, deren Hypothese einer konstanten Prüfung unterzogen wird. In den Vedas lernen wir über den Kern der Welt, wie wir sie erfahren: Sie ist reines Bewusstsein. Mein Bewusstsein kennt nichts anderes als Bewusstsein. Es ist eine irrwitzige Annahmen, dass alles, was mein Bewusstsein enthält, ihr Gegenteil sein soll. Es ist nicht so, dass unser Bewusstsein ein Abbild eine gänzlich anders geformten Realität enthält. Sondern die Welt besteht aus Bewusstsein, in der Interaktion von Bewusstsein mit anderem Bewusstsein, in der Ausdifferenzierung des einen in seiner Mannigfaltigkeit entstehen Wahrnehmungen und Bilder. Verbunden sind sie durch Vibration. Die Kena Upanischaden beschreiben das, das Grundprinzip ist OM in der Mandukya Upanischad, verbunden ist alles durch ein Rhizom auf einer Ebene der Immanenz, wie Deleuze es in seinem letzten Essay beschreibt.

Maya, die Frage nach der Realität, zeigt ein Paradox auf, es ist die Frage selbst, die das Problem erzeugt. Die mentalen Bilder, die als Grundlage für rationale Analyse dienen, sind Maya – Illusion. Unser Bewusstsein hingegen ist real, die einzige Realität. Das ist der Kern des Problems des Dualismus dvaita-advaita

Om shanti, shanti, shanti

Verwandte Beiträge

Beginnen sie damit, ihren Suchbegriff oben einzugeben und drücken sie Enter für die Suche. Drücken sie ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben