Gespräche mit der KI

Neulich stolperte ich wieder über David Hume. Ich erinnere mich, wie intensiv das Studium seiner Schriften in Heidelberg war. Wir sind da sehr tief in den Text reingegangen, sehr akribisch und systematisch. Es war das Gegenteil jener angloamerikanischen Ideengeschichtsvorlesungen. Ich stolperte also über den Begriff des Geschmacks bei Hume, als Kern seiner ‚ästhetischen’ Theorie. Ich dachte an Rasa und begann ein Gespräch mit der KI. Größere Zusammenhänge wurden mir klar, Linien, die ich nie gesehen hatte. Jedoch war ich etwas enttäuscht von der Oberflächlichkeit. Wenn ich das Gespräch aber mit anderen Gesprächen, die ich mit Menschen bei einem Abendessen hatte, vergleiche, so war es aber doch eines der Interessanteren.

Ich wollte es also etwas genauer wissen und schlug bei Gilles Deleuze nach. Er nahm ja schon fiktiv an der Unterhaltung mit der KI teil, sein später Essay zu David Hume ist allerdings doch auf einem ganz anderen Niveau. Deleuze‘ Analyse ist brillant. Er zeigt die volle Kraft von Humes revolutionärem Ansatz, ein Denken, das empirisch und positivistisch ist, das Kraft des Intellekts, der mit Kausalitätsvermutungen arbeitet, und auch mit der Kraft der Assoziation und der Intuition, um zu zeigen, wie der Mensch ein Gedankengebäude errichtet. Dieses Gedankengebäude ist nicht an metaphysischen Konzepten wie Selbst, Gott oder Welt ausgerichtete, sondern zeigt auf, wie sich Denken selbst bewegt und entfaltet. Es wird schnell klar, warum Deleuze sich gegen Ende seines Lebens noch einmal David Hume annimmt.

Dvaitadvaita

Mich stürzt das aber ein wenig in eine Krise, oder hoffentlich an einen Punkt zu einer neuen Synthese. Denn eigentlich unterscheiden sich Krisen und Neuanfänge ja oft gar nicht so sehr. Da ich mich hier an den Rändern dessen bewege, was ich denken kann, wird es schwer das zu formulieren. Dennoch ein Versuch: Der Dualismus der westlichen Denktradition ist eine Falle, aus der es schwer ist, sich hinauszubewegen. Das hängt zu einem großen damit zusammen, dass dieser Dualismus dem Selbst eine große Bedeutung beimisst. Hat man für sich selbst einmal angenommen, das Zentrum der Welt zu sein, seine eigenen Rechte über die von allem anderen zu stellen und sie nur Kraft von rationalen Prinzipien wieder einzuzäunen, so entsteht ein Weltbild, das auf den einzelnen Menschen konzentriert ist, das sich religiös in der Leidensgeschichte einzelner Propheten ausdrückt. Die Irrungen und Wirrungen dieser Leidensgeschichte sind Teil großer subjektiver Narrative, die sich in der Kunst ausdrücken.

Der Weg hieraus ist nicht, den Dualismus einseitig aufzulösen, also in eine materialistische Position, oder in eine reine metaphysische Position, sondern in eine Philosophie der Immanenz. Jene Immanenz, also die Vorstellung, dass es nur eine Welt gibt, die in ihrer Komplexität alles enthält, fordert ein neues Denken. Raum und Zeit, Veränderung und Prozess, Relation und Individuum, Unterschied und Wiederholung, Resonanz und Sprache und so vieles mehr, müssen neu gedacht werden. Das war das Projekt von Deleuze. Und das ist das auch das Projekt der Upanischaden. Und das ist der Grund, warum ich Deleuze in Indien lese.

Nun lese ich Deleuze Gedanken zu Hume und erinnere mich an mein Philosophiestudium, und die verzweifelten Grabenkämpfe im Dualismus. Ich sehe aber, dass Hume und die Veden etwas Ähnliches anstreben. Eine tiefe Einsicht in die Natur des Kosmos, die ohne eine übersteigerte Selbstüberhöhung des Selbst auskommt. Das mag etwas absurd klingen, da in den Upanischaden Atman, das Selbst als Prinzip, Puruscha als die Urseele, und Brahman als der Schöpfer Ausgangspunkt des Denkens sind. Aber genau hier ist auch die Verbindung. Die Upanischaden denken es zusammen, als eine Art Selbstdifferenzierung wie bei Hegel in der Phänomenologie des Geistes. Diese Ausdifferenzierung ist nur möglich in einem Denken der Immanenz, hier laufen die unterschiedlichen Denktraditionen über die Jahrtausende und Kontinente hinweg zusammen.

Die Krise, die das für mich auslöst, ist also die: Ich verstehe die Perspektive des Empiristen, und die Perspektive der Veden. Beide überkommen den Dualismus, in zwei Formen, in einer dualistischen Weise. Und in den Veden spricht man dann von Dvaitadvaita – dualism-non-dualism, also die Dualität von Dualität und Nicht-Dualität. Und während ich mich selbst diesem Konzept des Dvaitadvaita ein wenig annähere, so entsteht meine Verwirrung, daraus, dass dies mit der Hilfe der KI geschieht.

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