Zusammenhang

Schopenhauer, der ein großer Bewunderer der Upanischaden war, schrieb ein kleines Buch „Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ (1847). Er identifiziert 4 Formen der Kausalität, z. B. kleine Ursache – große Wirkung, oder große Ursache – kleine Wirkung etc… Mich hat das fasziniert, weil es ein breiteres Verständnis bietet als das rein naturwissenschaftliche Model, das letztlich immer dem Energieerhaltungssatz folgt. Wenn z. B. jemand einen Krieg erklärt, so ist das ein relativ einfacher Akt (kleine Ursache) und eine riesige Wirkung. Ich frage mich, wie sich das zur Geschichtswissenschaft verhält. Auch hier gibt es ja die Vorstellung von kausalen Bezügen. Dinge geschehen in der Geschichtswissenschaft immer aus einem Grund. Dieser Grund ist aber oft disproportional zur Wirkung.

Narrative

Wenn wir uns also von dem starren Model der einfachen Kausalität abwenden, dann ist die Geschichte nicht mehr eine rational, kausal notwendige und eindeutige Abfolge von verketteten Ereignissen, sondern ein Netz von verschiedenen Elementen in einem Reiz-Reaktionsschema. Deleuze führte den Begriff des Rhizoms ein, der hier passt. Alles ist irgendwie mit allem über verschiedene und unzählige Knotenpunkte miteinander verbunden. Der Reissack, der in China umfällt und einen Schmetterlingseffekt hervorruft, ist ein anschauliches Beispiel.

Wir sehen aber in den postmodernen und poststrukturalistischen Analysen von historischen Ereignissen Versuche, Ereignisse nicht kausal zu reduzieren, sondern auf ihr Beziehungsgeflecht hin zu untersuchen. Mögliche Narrative entstehen, von denen eines ebenso gültig ist wie ein anderes, solange es sich an Fakten hält. Man sagt, dass alle Menschen im siebten Grad miteinander bekannt seien. Das ist Statistik, zeigt aber die Komplexität auf. Jemand inspirierte einen anderen etwas zu schreiben, das von einer dritten Person gelesen und dann einem vierten vorgetragen wurde, der dann reagierte und bei einem fünfte eine Handlung auslöste, die als ein historisches Ereignis gilt. Das kann sehr arbiträr sein und den linearen Narrativen der Geschichtsbücher schnell widersprechen. Dennoch muss es nicht falsch sein.

Ein solches Weltverständnis, in dem alles mit allem verbunden ist und eine monokausale Erklärung unmöglich ist, ist nicht bloß eine Kritik am Rationalismus und der Strenge der Wissenschaften. Es ist letztlich ein Anerkennen eines Zusammenhangs, der das menschliche Fassungsvermögen überschreitet. Es ist eigentlich spirituell, denn es erkennt eine komplexe Kraft an. In den Upanischaden wird diese Kraft als das Selbst besungen. Bei den postmodernen Denkern läuft das eher unter Immanenz, oder einem toleranten Materialismus, der letztlich nicht auf einen Atomismus reduziert ist, sondern eher als ein Gegensatz zum Dualismus zu denken ist. Alles ist Materie, d. h. alles ist eine Form des Seins – d. h. es gibt nur ein Selbst. Der Kreis schließt sich.

Der Grund im Sein

Das Grundübel war die übertriebene Übersteigerung des Verstandes und der Vernunft und die Ignoranz der Intuition. In den ersten Upanischaden ist das mystische und das rationale Denken noch nicht getrennt, hier finden wir eine intuitive Schau des Selbst, eine Anerkennung von Wirkungskräften, die nicht irrational, aber eben auch nicht rein rational sind. Es ist ein holistisches Denken, das die Postmoderne in ihrer etwas verschrobenen materialistischen, marxistischen und psychoanalytischen Lesart intuitiv wiederbelebt hat.

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