Das letzte Mal, dass ich mich ernsthaft gefragt habe, was ich tun soll, war während meines Studiums. Ich habe Philosophie studiert und ich wurde oft gefragt, was ich damit tun möchte. Was für eine bescheuerte Frage dachte ich immer. Es ist ein innerer Drang, fast ein Zwang, dem man sich nicht entgegenstellen kann. Jeder solcher Versuch muss scheitern, es gibt nur ein Vorwärtsdenken. Es war also gar nicht wirklich die Frage, was ich tun soll, oder was zu tun sei, oder wie die Welt gerettet werden kann.
Denken
Vielmehr war es die Frage der eigenen Existenz. Was tun mit seinem Leben? Was heißt es zu leben und wofür? Wie kann man sich dieser Frage nähern? Für mich war das die Philosophie. Was tun, hieß für mich, wie denken? Nun stelle ich mir diese Frage wieder. Es ist schön, sich diese Frage stellen zu können. Für viele ist es nicht einfach, diese Frage zuzulassen.
Ich lese die Kena Upanischade. Wer sieht beim Sehen, wer hört beim Hören, wer denkt beim Denken? Das ist wirklich eine gute Frage. Ich habe lange versucht, das aus der Tradition der Aufklärung zu betrachten – und bin immer wieder an die Grenzen des Denkens gestoßen. Wie sollte das auch anders sein? Die Kena Upanischade hat da auch nur bedingt eine philosophische Antwort.
Anstatt jedoch erklären zu wollen, wie es sein kann, dass mein materieller Körper denken kann und dann die Frage des Warum betrachten zu können, ist die Denkrichtung in den Upanischaden eine andere. Wie kann es sein, dass das universelle Bewusstsein sich in einer solchen Mannigfaltigkeit präsentiert?
Die Frage, die sich für den einzelnen dann stellt, bleibt: was tun? Es ist aber eine andere Denkrichtung, statt sich selbst funktional und aufgeklärt zu begreifen, geht es in der indischen Weisheit um das Getragensein. Welcher Gedanke, welches Bewusstsein, welche Einsicht, welches Leben wird durch mich verwirklicht. Ich treffe hier viele Menschen, die die Frage für sich entdeckt haben und einige von ihnen haben sie auch für sich beantwortet – Sadhana.
Ich höre zu, ohne zu werten. Menschen öffnen sich hier schnell, sehr tief und ehrlich. Ich lache viel, bin verzaubert und gerührt von den Geschichten, tief bewegt… Ich höre Geschichten und Einsichten von Menschen, die sich ganz hingegeben haben. Oft ist das nicht leicht, manche sind privilegiert, andere gar nicht, es hat nichts damit zu tun.
Sinne
Ich frage mich also nun wieder, wie denken? Wer denkt beim Denken? Wer hört beim Hören? Wer sieht beim Sehen? Es gibt nur ein Denken, ein Hören, ein Sehen. Wenn ich denke und du denkst und wir gemeinsam denken und andere uns beim Denken zuhören, was passiert da eigentlich? Wenn ich und du gemeinsam einem Konzert zuhören, oder wenn du und ich und andere in einer Ausstellung uns anschauen, was die Künstlerin gesehen hat und uns zeigen will, was geschieht da? Was ist im Wort, der Musik, dem Gemälde, in der Architektur manifestiert? Warum können wir aus der Geschichte (nicht) lernen? Wer hat das Wissen einer Bibliothek?
Diese Fragen sind doch so offensichtlich, und wir haben ebenso offensichtlich nicht den Ansatzpunkt einer Erklärung. Wir sagen dann, das sei Kultur.
Leben
Das Leben war immer schon da, noch vor den Atomen. Der Urknall war ein in die Existenz treten von was? Elektronen? Wohl kaum…. Materie denkt (KI), sie hat Gedächtnis (DNA), in ihrer Wechselwirkung setzt sie die Gesetze von Raum und Zeit außer Kraft. Wenn die Wissenschaft so etwas sagt, dann immer in dem Sinn: das klingt komisch, aber keine Sorge, das erklären wir noch weg. The Grand Unified Theory, aber eben ohne Bewusstsein, ohne Leben in einem lebenswerten Sinn. Mir scheint, je mehr Wissen wir ansammeln, desto weniger verstehen wir. Wir verstehen nichteinmalmehr die Fragen.
Und mein Sadhana? Zuhören. Es ist eine der schwierigsten Künste. Das geht nur mit einem reduzierten Selbst und einem erweiterten, aber so gut wie gar nicht mit einem Ego.
OM MANI PADME HUM
Wer ein bisschen tiefer in die Kena Upanischad einsteigen möchte, sei hierauf verweisen: Sri Aurobindo Vol 18
„For, if there were no such necessity of Mind in Matter, if the stuff of mentality were not there already and the will to mentalise, Mind could not possibly have come into being out of inconscient substance.“ (p.35)