Meditation I

Meine morgen Meditationen im Matrimandir vergehen wie im Flug. Es ist unter anderem das Licht dort, die Kristallkugel strahlt drei Lichtpunkte direkt auf Augenhöhe radial aus. Darunter ist der Raum auf dem Kopf stehend zu sehen. Es ist die Umkehrung des Sehprinzips des Auges. Unser Gehirn kehrt ja das Bild auf der Netzhaut um, damit wir uns in der Welt gut zurechtfinden. Die Kristallkugel korrigiert das wieder. Ein mehr symbolisches Zeichen für das, was im Matrimandir passiert.

Ich hatte neulich ein Gespräch mit R., sie ist seit 15 Jahren in Auroville, sie hat längere Zeit in Frankreich und Deutschland verbracht, ihr Tochter studiert Beaux Arts glaube ich. Sie vermisste in Europa die Spiritualität, sie findet sie hier bei allen, selbst die Dorfmutter, die sich um die Kühe kümmert, so R., hat profunde spirituelle Weisheiten in sich und teilt sie ehrfürchtig. R. erklärte mir den Kern des Hinduismus, die Upanischaden. Wie die Sinne uns täusche, und nur der Atem rein ist, und uns mit dem Selbst, Brahman verbindet. Dieses Selbst, das Sein und Nichtsein zugleich ist, benötigt, um sich seiner Selbst bewusst zu werden, uns, oder die Erde, oder Leben allgemein. Hier sehe ich die Parallele zum Urknall. Jenem Anfang, wo sein und Nichtsein zugleich sind, das reine Sein, das Selbst, das aus sich selbst heraus sich entfaltet, sich differenziert, um sich in all seiner Möglichkeit zu entfalten.

Beim Meditieren im Matrimandir erfahre ich eine Verbindung mit jenem Brahman, die ich schon früher hatte, aber klarer, reinen. Es ermöglicht meinem Geist sich mit jenem kosmischen Licht zu verschmelzen, ins Universum hineinzuschauen, die Biomaterie sich transformieren sehen. Das Leben als solches auf der Erde zu erfassen und dennoch wahrzunehmen, dass das ich, dass jedes Individuum ganz eigen ist und seine eigene Aufgabe hat. Wie ist es zu erklären, dass sich Aminosäuren zu komplexen Organismen entwickeln? Warum ist das Leben auf Fortpflanzung basiert? Ist die Relation, die Materie mit sich selbst eingeht, ein sich auf sich selbst beziehen?

Wo kommen all die Geister, Götter, Ideen, Persönlichkeiten, Visionen, Erkenntnisse, Gefühle, Intuitionen, Erfahrungen, Kunstwerke her? Was ist der Urquell? Können wir diese Sphäre bewusst erschließen? Ist es das, was ‚schaffen‘ ausmacht?

Im Kern, so denkt der materialistische Mensch, ist die Welt rational, d.h. aber doch, dass er an die Wahrheit glaubt. Die Wahrheit ist aber nichts anderes als das Selbst. Was heißt das? Wir erklären die Welt mithilfe der Physik, der Mathematik, der Chemie und Biologie etc. hier glauben wir an die Wahrheit. Alles wird durch sie erklärt werden können. Das, was wir nicht erklären können: Bewusstsein. Es kann erst später, wenn wir mehr wissen, erklärt werden. Das heißt, das Bewusstsein kann wahrhaftig erklärt werden. Im Moment denken wir aber es kann reduziert werden. Versuche der Sozial und Humanwissenschaften, sowie der Ökonomie, und Theologie gelten als weiche Wissenschaften, die ihren Wahrheitsanspruch erst noch beweisen müssen. Aber liegt nicht hier die Tragik des Menschen, dass genau hier das passiert, was uns ausmacht. Unsere Aufgabe ist genau dieses Problem zu lösen. Die harten Naturwissenschaften gehen ihren Weg. Sie folgen einer Axiomatik und an den Rändern der Erkenntnis bleiben, entwickeln sie neue Hypothesen, die falsifizierter sind.

Wieso ist es so schwer, die Kraft des Bewusstseins anzuerkennen und es als Werkzeug von Brahman und Atman zu erkennen? Wieso hängen wir so sehr an dem ökonomisch kreierten Selbst, das sich vor dem Tod fürchtet und unsterblich sein will? Wieso kann dieses Selbst als Spielball von Macht so einfach instrumentalisiert werden? Sind diese Machtspiele ein Abbild der Götter, wie es der Hinduismus, die griechisch und römische Antike, die alten Ägypter sahen? Wieso kam der Monotheismus auf – um des Selbst (Brahman) als kleines ohnmächtiges, leidendes, unwissendes Atman zu konstruieren? Wer kam auf diese Idee und warum war sie so erfolgreich? Wieso profitierten einige davon so stark und konnten ihr Sinne berauschen? Ist es das, was wir das Böse nenne, den Teufel? Und wie kommt es, dass genau die diese Macht missbrauchen, die am stärksten davor warnen, und Strafen verhängen? Damit sie die Macht nicht teilen müssen oder um davon abzulenken, dass sie sie verkörpern?

Wenn wir erkennen, dass Brahman alles ist und die Welt nur eine Täuschung, ein Spiel, ein Experiment, wenn wir erkennen, dass wir eins sind mit dem Selbst und nicht nur ein abgetrennter Teil, der für sich allein unsterblich sein möchte und ich kann, dann finden wir Ruhe und Frieden, sind frei von Leid und Grübelei. Dieser Zustand währt aber nur kurz, während einer Meditation, vielleicht darüber hinaus ein paar Stunden oder Tage. Wir fallen zurück in den Leib, seinen Bedürfnissen und sein Leiden und Genießen. Dieses Oszillieren zwischen Erkenntnis und physischer Existenz gilt es in ein Equilibrium zu bringen. Es sei denn, man geht in eine tiefe Meditation wie Aurobindo. Was kann das sein? Kann ich das auch?

Dieses Treiben findet statt in der Immanenz, hier ist das Leben verortet. Deleuze lässt grüßen.

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