Ich hatte einen Kulturschock erwartet. Und der kommt jetzt auch. Mein Geist mag sich gar nicht so richtig einfinden. Die Zeitverschiebung ist fast 12 Stunden, also upside-down, mein Bewusstsein brennt, anders kann ich das nicht beschreiben. Ich bin wach, aber irgendwie nicht hier. Ich bin in Chicago und weiß das auch, bin vollständig präsent, aber mein Geist fühlt sich noch nicht zu Hause.
Es ist wie bei der Aitereya Upanishad. „These were the Gods that He created; they fell into this great Ocean, and Hunger and Thirst leaped upon them. Then they said to Him, “Command unto us an habitation that we may dwell secure and eat of food.”“ Aber was ist ein gutes Habitat für die Götter, jene Wesen, die Brahman erschuf, um sich selbst zu erfahren. Brahman zog Purusha aus den tiefen Wassern, aus ihm, dem Gegenpart zu Prakriti (Natur), manifestiert sich Purusha als Seele, als Bewusstein, als universales Individuum: „The eyes brake forth and from the eyes Sight and of Sight the Sun was born. The ears brake forth and from the ears Hearing and of Hearing the regions were born. The skin brake forth and from the skin hairs and from the hairs herbs of healing and all trees and plants were born…„
Als Pursha sich so – als ausdifferenzierte universale Kräfte, als Götter – manifestierte, stellte sich die Frage, wo die Kräfte wohnen können. Die Ozeane eigneten sich dazu nicht, ebenso wenig die Kühe. Als die Götter aber die Menschen sahen, sagten sie: „“O well fashoned truly! Man indeed is well and beautifully made.” Then the Spirit said unto them, “Enter ye in each according to his habitation.“ Gesagt, getan, doch eine Frage blieb: „The Spirit thought, “Without Me how should all this be?” and He thought, “By what way shall I enter in?” He thought also, “If utterance is by Speech, if breathing is by the Breath, if sight is by the Eye, if hearing is by the Ear, if thought is by the Mind, if the lower workings are by Apana, if emission is by the organ, who then am I?”“
Kulturschock
Ich fühle mich in Indien so lebendig, die Welt der Vedas ist dort noch aktiv. Mir geht es aber gar nicht darum, die Lehre der Vedas zu vertreten, dazu verstehe ich die viel zu wenig, die Sprache der Götter ist so kompliziert, so facettenreich, die Weisheit so tief. Es scheint aber etwas durch, durch diese alten Schriften, etwas, das überall in Indien spürbar ist. Bewusstsein ist dort nicht durch Materie bestimmt. Denn Materie ist unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Das Bewusstsein sucht sich einen materiellen Wohnort. Etwas altmodisch würde man sagen, die Seele sucht sich einen Körper.
Dieses Bewusstsein, das sich einen Ort sucht, z. B. meinen Körper, ist nicht vollständig an diesen gebunden. Das ist das große Mysterium der Wiedergeburt. Die Verbindung ist nicht beliebig, aber doch lose. Wir sehen das im Schlaf, wenn unser Bewusstsein sich entfernt aus der materiellen Welt, der Kausalwelt, und sich in die Traumwelt begibt.
Die Götter also suchten sich den Menschen aus, um in ihnen zu wohnen. Das heißt aber etwas trivialisiert, dass das Bewusstsein, die Emotionen, der Intellekt, die Sinneswahrnehmung, das Gedächtnis, einen Ort benötigen, wo sie wirken können. Dieser Ort ist in unserer Erfahrung der menschliche Körper. „It was this bound that He cleft, it was by this door that He entered in. ’Tis this that is called the gate of the cleaving; this is the door of His coming and here is the place of His delight. He hath three mansions in His city, three dreams wherein He dwelleth, and of each in turn He saith, “Lo, this is my habitation” and “This is my habitation” and “This is my habitation.”“
Chicago
Nun bin auch also aus Indien nach Chicago geflogen und ich komme mir ein wenig vor, wie ein Geist (Spirit) der ein neues Haus sucht. Der Kulturschock ist maximal. Ich komme mir vor wie der Truman Show, jenem Film von 1998, wo eine perfekte Welt inszeniert wird, in der ein Mensch, der nicht weiß, dass diese Welt eine Inszenierung ist, 24/7 gefilmt und live im Fernsehen übertragen wird. Es ist natürlich eine Variation von Platos Höhlengleichnis, ebenso wie die Matrix (1999) oder andere dystopische SciFi Klassiker.
Hier in den USA findet man vieles zu seinem Extrem zugespitzt. Die Werte der Moderne werden hier verhandelt: Freiheit, Kapital, Wissenschaft, Krieg, Demokratie, Kunst, Materialismus, Individualität… Hier werden die Grenzen getestet und die Schranken gesetzt. Diese Moderne hat aber ihre Wurzeln verloren und das ist die Tragik der USA, denn dass ein Fortschritt notwendig ist, liegt in der Struktur der Welt. Alles ist im Fließen, alles im Werden, Stagnation und Konservatismus sind nur als Kräfte gerechtfertigt, nicht als absolute Werte. Und so treffen für mich hier die ältesten zusammenhängenden Schriften – die indischen Vedas – auf die Kraft des modernen Fortschritts, und ich frage mich, wo sind hier die Götter? Welches Spiel spielen sie?
Wenn ich die Menschen hier sehe, den Verkehr, die Supermärkte, die klimatisierten Häuser, dann ist das eine wirklich andere Welt. Brahman erfährt sich auch hier. Die Frage ist jedoch, wie wach die Menschen hier sind, sie arbeiten viel und hart, aber das Bewusstsein ist auf der Oberfläche in der Konsumwelt verankert. Etwas wird hier ausprobiert, das Experiment bedroht den Planeten, aber es wird irgendwie weitergehen.
Ich werde mich hier zurechtfinden. Die Götter leben hier nicht in Tempeln, es gibt keine Kühe auf den Straßen, aber es gibt einen Willen eine neue schöne Welt zu bauen. Wie ein kleines Kind, das sich nicht viel Böses denkt, wird hier diese moderne Welt gebaut. Manchmal wundert sich das Kind, dass das Haus zusammenfällt, dann gibt ein Geweine und Geschreie und einen neuen Versuch, bis das Lernziel erreicht wurde.
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