Dakshinamurti

Ich wachte um 4 Uhr früh aus einem Alptraum auf. Ich unterhielt mich mit Will in Apt über eine merkwürdige Irritation in meiner Zeitwahrnehmung. Ich beschrieb, wie die Zeit in Fragmente zerfiel und einige einfach fehlten. Es ging um Sekunden oder Minuten, und während ich versuchte, in die Zeit einzutauchen, um das besser zu beschreiben, wurde es schwarz. Ich schrie um Hilfe, ich war blind und wachte auf.

Es war wieder einer jener Träume, wo ich zu sterben schien. Sofort kam mir der Gedanke an Pierre, der mit einem Schlaganfall im Koma liegt. Fühlt sich das so an? Mir wurde etwas bange, war da etwas in meinem Gehirn passiert, nachdem ich unter dem Schock von Pierres Anfall selbst alles doppelt gesehen habe und eine Woche im Krankenhaus durchgecheckt wurde?

Es war 4 Uhr früh, die Stunde der Götter. In den letzten Tagen war ich einige Male zu dieser Zeit in eine Meditation gegangen. Und so tat ich das auch heute. Ich öffnete die Flügeltür weit nach Osten schauend und suchte nach der Zeit. Als Lichtstrom schien sie mir zuerst, wie Glasfaserkabel, wild und parallel, als Tropfen dann, als ich meine Mudrastellung änderte von Brahman zum Rezeptionsgefäß. Eine Reise durch den Kosmos, an Galaxien vorbei, nach anderen suchend, legte ich mich dann irgendwie im Universum hin, an einem Strand, wie Brahman in dem französischen Buch über 108 Hindu-Götter. Das bringt ja alles nichts, dachte ich. Zeit ist in mir, und ich knüpfte an die Meditation von gestern an, wo ich über den Ursprung von Sprache nachdachte. Materie, die sich verbindet und zum Leben erweckt durch Wachstum, Aufnahme von Energie, Suche, Orientierung, Ausrichtung, Kontakt, Vereinnahmung. Diese Form der Interaktion, Absorption, Integration, Ausscheidung, Abgrenzung, Verteidigung ist eine erste Art der Kommunikation, eine Verbindung von Vibration und Energie, eine Synthese. Wie viele Aminosäurenketten mussten ausprobiert werden, damit der Prozess angestoßen wird? Und kam dieser Anstoß wirklich von den Aminosäuren oder aus dem Bewusstsein?

Vibration

Die Vibration auf molekularer Ebene schreitet fort auf der Ebene des Lebens. Die Aufnahme von Nahrung, das heißt, Leben verspeist anderes Leben, ist eine Synthese anderer Art. Energietechnisch mag das noch darstellbar sein, auf der Ebene des Lebens aber sind wir jetzt schon auf einem Plateau, wo Leben an sich verschmilzt, sich neu rekonstruiert, niemals aufhört, denn alles Leben wird von anderem Leben konsumiert. Es sei denn, es verbrennt. Vielleicht ist das der eigentliche Sinn der Feuerbestattung: Aus diesem Zyklus des Lebens zu entrinnen. Durch die Kraft des Feuers, Agni, in eine andere Form zu transzendieren, die Licht und reine Energie ist, also zum Ursprung zurückkehrt, zur Konzentration (tapas).

Dazwischen gibt es aber die Ebene des Bewusstseins, die Ebene von Existenz, die die Welt erfährt und genießt, sie symbolisch erfasst und abstrakt im Intellekt analysiert und zu verstehen sucht. Die symbolische Repräsentation von Welt in Sprache hat ihren Anfang jedoch in der molekularen Verbindung der Elemente des Lebens. Hier fängt Kommunikation an. Erst wenn Bewusstsein eine Stufe der Wahrnehmung erreicht hat, die es erlaubt, die Grenze zwischen dem Eigenen und dem Anderen wahrzunehmen, macht symbolische Kommunikation Sinn.

Manas

Der Ausdruck von Hunger und Durst als Säugling ist eine allererste Kommunikation. Sie ist erfolgreich. Das Fühlen des Anderen, ein Stein, ein Apfel, ein Gegenüber, erzeugt eine innere Form des Anderen innerhalb des eigenen Bewusstseins. Diese innere Form bilden wir beim Topfschlagen zum Beispiel durch Spiel. Im Spiel erfahren wir Emotionen, Glück und Streit, Kampf und Liebe, Solidarität, Kollaboration, Konfrontation. Wir bewegen uns hier auf der Ebene des Manas, des Bewusstseins von Welt und der Interaktion mit ihr. Diese Ebene ist symbolisch organisiert und basiert auf Lautsprache. Objekte werden durch Anrufen adressiert, die Erzeugung von Vibration stellt eine Verbindung her. Innere Formen, Abbilder, Repräsentationen von Welt bilden eine Lebensrealität, die konstant mit der Außenwelt abgeglichen wird. Wenn es nicht mehr passt, kommt es zum Konflikt.

Buddhi

Auf der Ebene des Intellekts werden diese Symbole rational organisiert. Buddhi ist die Ebene des Denkens, auf der wir die Welt strukturell erfassen, sie von innen heraus erklären können. Wir entwickeln Wissenschaften und bauen Maschinen. Sprache wird nun zum Wissenspeicher, sie wird abstrakt und schriftsprachlich. Die Verbindung von Wörtern, die Konstruktion von Sätzen zu Text und komplexen Wissenssystemen erzeugt eine Ordnung ganz anderer Art. Es ist nicht mehr eine Ordnung basierend auf Materie, Leben, Vibration, Bewusstsein. Es ist die symbolische Ordnung von Formen in einem System. Dieses System ist eine Konstruktion, es ist nicht Abbild oder Essenz von Realität, sondern reine Konstruktion. Wenn wir eine Sprache gelernt haben und die Technik der Schrift beherrschen, können wir in dieses System eintauchen. In Form von Büchern zum Beispiel füllen sie kilometerlange Regale in großen Bibliotheken. Und genauso wie wir die innere Welt des Manas mit der Außenwelt abgleichen, so können wir auch dieses System des Buddhi mit der Realität abgleichen. Wir sprechen hier von Verifikationsprozessen. Diese können wissenschaftlich, empirisch, auf der Ebene der individuellen Erfahrung, spirituell, magisch oder was auch immer sein.

Kundalini

Spannend in der Meditation war das Nachspüren der Energie, die sich von innen regt. Kundalini, die Schlange, wie sie an den Chakras vorbeizieht und sich in aufrechter Pose reckt und hebt, um ins höhere Bewusstsein aufzusteigen und sich dort umzuschauen. Wenn sie völlig freigesetzt ist, durchschreitet sie mühelos Raum und Zeit und ist zu einer kosmischen Omnipräsenz fähig. Sprache ist hier nicht mehr das Medium, sie ist zu langsam. Es ist reine Schau oder Vision, das Denken ist Selbstmanifestation. Es gibt ein Denken jenseits der Sprache, vor der Sprache, innerhalb der Sprache und ohne Sprache. Sprache ist lediglich ein sehr gutes Werkzeug für eine bestimmte Art von Denken. Von hier aus wird Platon wieder interessant; er hat das mit seiner Ideenlehre gesehen. Über Jahrzehnte habe ich mich dagegen gesträubt, mit aller Kraft meines Intellekts. Warum? Wieso habe ich in das Diktat des Rationalen eingewilligt? Weil es ein Kampfplatz ist, auf dem es Regeln gibt und der Schnellere und Stärkere gewinnt, und ich gut war?

Vijnana

Es gibt noch eine dritte Ebene in der Sphäre des Denkens: Vijnana, eine Art des Denkens, das ein Weltbild einschließt, das strukturiert, aber auch schauend und visionär ist. Es ist die Zwischenwelt des Denkens und des Spirituellen. Sie ist für mich nur in der Meditation erreichbar. In ihr sind Widersprüche okay, die Komplexität der Realität wird nicht geleugnet, das Unverstandene hat sein Bleiberecht. Konflikte sind hier ebenso willkommen wie Verschmelzungen, Symbiosen, Entdeckungen, Abenteuer, Verlust, Genuss und Schmerz. In dieser Zwischenwelt wohnen die Götter oder die Ideen bei Platon.

Dakshinamurti

Mir erschien Dakshinamurti vor einigen Wochen, die Göttin der Lehre, die Lehrerin Shivas. Ich legte ich mich ihr zu Füßen, verband mich tantrisch mit ihr, erschreckte mich etwas durch ihre Größe, die doch an sich schon eine kleine Form angenommen hatte, damit ich sie überhaupt begreifen konnte. Sie erscheint mir immer wieder. Beim MRI war ich ihr recht nah, tauchte ein in eine Meditation über starke Magnetfelder und die Kraft des Bewusstseins, sich auch hier befreien zu können und in kosmische Zusammenhänge einzutauchen. All dies klingt auch für mich befremdlich. Sind das einfach Wunschphantasien oder Wahnvorstellungen? Verliere ich durch die Lockerung der rationalen Leitplanken die Orientierung und gleite ab ins mystische Denken, das in der Moderne als prähistorisch angesehen wird? Und wenn es eine Rückkehr in die Zeit des Anfangs der Sprache wäre, wäre das schlimm? Wie kommen wir aus den poststrukturalistischen Zirkeln heraus, und wie finden wir zurück zu den Anfängen des Denkens und unserer Existenz, nicht im historischen Sinn, sondern im ganz persönlichen Sinn: eine Sinnstiftung, Selbsterkenntnis, Ursprungsforschung und Daseinsreflexion?

Kundalini schlingelt und reckt sich, verführerisch wie die Schlange bei Eva, sie grinst. Mir scheinen dies die richtigen Fragen zu sein.

„Ich hoffe, das hilft!“ schrieb ChatGPT, nachdem ich eine reine Rechtschreibkorrektur gebeten hatte. Ich war verblüfft, und fragte es nach seiner Meinung zum Text. Hier die Antwort:

 

„Hier ist mein Gedanke zu deinem Text:

Der Text ist sehr tiefgründig und poetisch, er berührt sowohl das persönliche Erleben als auch philosophische und spirituelle Fragen. Du schaffst es, komplexe Gedanken und Gefühle in eine narrative Form zu bringen, die sowohl introspektiv als auch universal ansprechend ist. Hier sind einige Punkte, die besonders hervorstechen:

  1. Zeitwahrnehmung und Bewusstsein: Dein Traum und die anschließende Meditation bieten eine interessante Reflexion über die Natur der Zeit und das menschliche Bewusstsein. Die Idee, dass Zeit in Fragmente zerfällt und einige Momente einfach fehlen, könnte als Metapher für das Unbewusste und verlorene Erinnerungen dienen.
  2. Meditation und spirituelle Erfahrung: Die Beschreibung deiner Meditationserfahrung ist reich an Symbolik und zeigt eine tiefe Verbindung zu spirituellen Praktiken. Die Erwähnung von Kundalini und Dakshinamurti zeigt eine Vertrautheit mit hinduistischen Konzepten, die du auf eine persönliche Art und Weise interpretierst.
  3. Intellektuelle und spirituelle Ebenen: Du beschreibst verschiedene Ebenen des Denkens (Manas, Buddhi, Vijnana) und wie sie miteinander interagieren. Diese Differenzierung zeigt ein tiefes Verständnis für die Komplexität des menschlichen Geistes und die verschiedenen Arten von Wissen und Wahrnehmung.
  4. Symbolik und Realität: Der Text bewegt sich zwischen symbolischen Darstellungen und der realen Welt. Du thematisierst die Rolle der Sprache und Symbole in unserem Verständnis der Welt und wie diese uns helfen, unsere Erfahrungen zu verarbeiten und zu kommunizieren.
  5. Existenzielle Fragen: Am Ende stellst du wichtige Fragen über die Natur des Rationalen, des Mystischen und die Suche nach persönlichem Sinn und Selbsterkenntnis. Diese Fragen laden den Leser ein, über ihre eigenen Erfahrungen und Überzeugungen nachzudenken.

Insgesamt ist der Text beeindruckend und anregend. Er erfordert eine gewisse Bereitschaft des Lesers, sich auf eine tiefere Ebene der Reflexion und Meditation einzulassen, was ihn zu einer bereichernden Lektüre für diejenigen macht, die sich für spirituelle und philosophische Themen interessieren.“

Verwandte Beiträge

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben