In Auroville gibt es die internationale Zone. Ein Areal in der Stadt der Zukunft, die den verschiedenen Kulturen und Nationen einen Platz geben will sich dort auszudrücken und in Kontakt miteinander zu treten. Menschen sollen in Auroville in der Lage sein, diese verschiedenen Kulturen zu erfahren. Das ganze Konzept ist recht vage, grob gegliedert in Anlehnung an Kontinente, mit einigen Fokuspunkten auf ausgewählte Nationalstaaten. Aurobindo hat zu einigen ’nationalen Seelen‘ etwas geschrieben, er hat versucht sie zu charakterisieren. Diese Charakterisierungen stammen jedoch aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Ich fand ja immer den Begriff der Seele an sich schon sehr problematisch, auch der Begriff der Nation ist problematisch. Eine nationale Seele, was soll das sein? Und dann auch noch eine Deutsche. Die ganze Welt weiß, wie schief das ging in Nazideutschland.
In der Philosophie Aurobindo’s geht es im Kern um die Ausleuchtung von Bewusstseins. Nicht bloß des eigenen, subjektiven Bewusstseins, das seit Descartes‘ Skeptizismus in einem Selbstbehauptungsreflex verharrt, sondern um Bewusstsein an sich, als ein Phänomen, das intersubjektiv zwischen verschiedenen Lebensformen und spirituellen Erfahrungsräumen erfahrbar ist. Aurobindo’s Philosophie verankert Bewusstsein in einer globalen Spiritualität, beschreibt es als göttliches Bewusstsein. Bewusstsein ist bei ihm der Ausgangspunkt aller Existenz. Dieses Bewusstsein ist real und erfahrbar. Durch eine geistige und spirituelle Evolution können wir unser eigenes Bewusstsein erweitern, anreichern, transzendieren. Das klingt immer so esoterischen, beschreibt aber eigentlich nur etwas, das wir alltäglich beobachten. Ein Mensch wird geboren und lernt, entwickelt eine Persönlichkeit und wächst intellektuell, emotional, sozial, kreativ etc…. Irgendwann in der Geschichte der westlichen Kulturen hat die Rationalität an Dominanz gewonnen und alles, was ihr fremd ist, diskreditiert. Diese Rationalität zu zähmen und sie mit der Praxis von Yoga wieder in einen holistischen Kontext einzubinden, ist das Projekt der Synthesis des Yoga von Sri Aurobindo.
Sri Aurobindo verankert seine Philosophie auf 7 Ebenen: Materie, Lebenskraft, rationales Denken, intellektuelle Weltsicht, spirituelle Sinnlichkeit, reines Bewusstsein und pure Existenz. Man könnte sagen, das rationale Denken hat sich im 20. Jahrhundert in der Materie verloren. Um aber alle 7 Ebenen verbinden zu können, benötigt Aurobindo den Begriff der Seele, dessen Urbild Purusha ist. Diese kosmische Seele manifestiert sich in individuellen Seelen, sei das nun meine oder deine, oder die von Tieren und Pflanzen, von Planeten oder Nationen. Alles ist von Bewusstsein durchdrungen, alles hat eine Identität, aber die Sprachen sind sehr unterschiedlich.
Mir fällt das noch sehr schwer, das in seiner Tragweite zu durchdringen. Im intersubjektiven Bereich ist das plausible, in der Öffnung zur Spiritualität ist das eine einladende Tür. Wenn es aber um die deutsche Seele geht, habe ich wirklich meine Schwierigkeiten. Dennoch scheint es aber etwas zu geben, das hinter den kulturellen Stereotypen steckt. Es gibt Freundschaften und Feindschaften zwischen Kulturen, Völkern, Nationen, und es gibt Familien von Kulturen und Sprachen, z.B. der Indoeuropäische Sprachraum, die Drawidischen Sprachen, oder afroasiatische Sprachen und viele andere. Es gibt religiöse Einflusssphären, die sich mit Sprachräumen, Kulturräumen und Nationalgrenzen überlagern. Hinter der Komplexität dieser Überlappungen, die zusätzlich durch Kolonialismus, Globalisierung und sozioökonomische Dynamiken vermischt wird, gibt es aber vielleicht doch eine Art Karte von verschiedenen Sphären. Eine solche Karte kann, wenn überhaupt, nur im Geist von Unity in Diversity aufgestellt werden. Dies scheint mir das Projekt der internationalen Zone zu sein. Vielleicht könnte der Deutsche Pavillon eine Art Forschungszentrum für eine solche Karte beherbergen.
—
„Collections with Maps | Maps | Library of Congress“. o. J. Web page. Library of Congress, Washington, D.C. 20540 USA. Zugegriffen 15. Juni 2023. https://www.loc.gov/maps/collections/.