Art begins not with flesh but with the house. (Deleuze)
Ich praktiziere nun Meditation. Es hat lange gedauert, mir das einzugestehen. Ich habe das irgendwie schon immer getan, nur wusste ich es nicht. Ich habe wie die meisten Menschen Phasen, in denen ich in mich reinschaue, oder mich auf etwas kontemplativ konzentriere, Phasen, in denen ich versuche meinen Geist zu beruhigen, oder herauszufinden, was dieses Ich in mir eigentlich ist, Phasen, wo ich versuche das zu verstehen, was mein rationaler Geist nicht verstehen kann (z. B. die Unendlichkeit, oder den Anfang der Zeit etc.).
Ich habe das getan, wenn ich eine Krise hatte (sei das nun intellektuell, emotional, biografisch…) oder ich tue das, wenn ich mein Bewusstsein kläre (wie geklärte Butter) oder schaue, welche Kräfte in mir am Wirken sind, so als ob große Tiere in mir nach vorn und noch oben drängen, als wenn Pferde und Kühe unruhig versuchen sich zu befreien und zum Licht streben.
Licht
Im Angesicht des Lichts dann also, wenn der Geist zur Ruhe gekommen ist, der rationale Geist Frieden geschlossen hat mit der Tatsache, nicht alles verstehen zu können und doch in der Lage ist, die Welt intuitiv zu erfassen, ein Moment also der Einheit mit der Welt auf einer Bewusstseinsstufe, die den Alltag transzendiert, dort ist das, wofür es im Deutsch keine unbelasteten Worte gibt: Wonne, Seeligkeit, im englischen Bliss in Sanskrit Ananda.
Dieser Zustand war mir aber immer irgendwie unheimlich. Denn dort sah ich dann Phänomene, die ich von kitschigen New Age Postkarten kannte, oder von einem Mitbewohner aus meiner Studienzeit in London, der immer auf LSD gemalt hat… Ich denke, ich tat gut daran, diesen Visionen gegenüber kritisch zu sein, denn es ist eine etwas effekthascherische Ablenkung des meditativen Bewusstseins. Farbe, Geometrien, Licht, kosmische Weite… all dies sind schöne Erfahrungen und Bilder, doch führen sie nicht weit. Sie lassen das kleine Ego denken, etwas besonders zu sein. Diese Bilder entstehen ja leiht innerhalb einer längeren Meditation, vor allen im Lotossitz nach einer halben Stunde oder so, wenn also die Beine anfangen einzuschlafen. Wenn der Schmerz der Sitzhaltung nachlässt und die Endorphine nun nicht mehr die Reize des Körpers kontrollieren müssen, sondern frei und wild sich im Bewusstsein austoben können, es ist schön, führt aber, wie gesagt, nirgendwo hin. Mir war das also immer suspekt.
Raum
Spannender finde ich, wenn in diesem Bewusstsein sich ein Raum öffnet und das geistige Auge anfängt, klar zu sehen. Bei geschlossenen Augen meditiert das Bewusstsein auf sich selbst. Es löst sich aus dem Reiz-Reaktionsschema, da eigentlich nicht mehr viele Reize da sind (vorausgesetzt die Meditation findet in einem wirklich ruhigen und reizarmen Raum statt). Bewusstsein ist jetzt mit sich allein. Wo will es hin? In die Erinnerung? In das Nachdenken und das Probleme lösende Denken? In die Kontemplative Schau? In die Fantasie und Kreativität? In die Gefühle, das Herz?
Um dem ein wenig zu helfen und zu systematisieren, gibt es das Bild der 7 Chakras (Sahasrara, Ajna, Vishuddha, Anahata, Manipura, Svadhisthana, Muladhara). Ich kann diese Chakren in der Meditation besuchen und schauen, ob das eine oder andere Chakra ein wenig Aufmerksamkeit benötigt. Eine Art inneres Gleichgewicht kann so hergestellt werden. Auch hier versuche ich die kitschigen Farbkreise zu vermeiden. Ich finde das nicht hilfreich, das mag für andere aber anders sein. Ich schweife aber ab, es gibt viele solcher ‚Techniken‘.
Konzept, Perzept, Affekt
Wo will das Bewusstsein hin? Wer oder was ist hinter dem Bewusstsein, wo kommt es her? Gibt es eine Seele? Ist sie unsterblich? Ist sie Teil von etwas Größerem? Kann ich das Universum, Existenz an sich, mit all ihrer Komplexität und ihrem Facettenreichtum als Einheit denken?
Hier komme ich mit meinen Konzepten an schnell an die Grenzen des Denkbaren (Kants Antinomien). Mein kleines Hirn, wie soll sich das dem nähern? Solange ich daran festhalte, dass mein Bewusstsein allein aus Sinneseindrücken – Perzepten – besteht, die aus den Sinnesorganen meines Körpers erzeugt werden, kann ich diese subjektive Perspektive nicht verlassen. Meine Intuition und meine Kreativität helfen hier aber weiter. In meinem Bewusstsein gibt es Affekte, es ist affiziert, es agiert. Genau dieses Agieren geleitet von Intuition und Kreativität ist für mich der Schlüssel für eine tiefe Meditation. Konzept und Perzept haben ihre Rolle und Aufgabe, doch sie sind begrenzt in ihrer Reichweite und ihrem Verständnisvermögen. Affekte jedoch sind anders. Ein Affekt, was ist das?
„By whom missioned falls the mind shot to its mark? By whom yoked moves the first life-breath forward on its paths? By whom impelled is this word that men speak? What god set eye and ear to their workings?
That which is hearing of our hearing, mind of our mind, speech of our speech, that too is life of our life-breath and sight of our sight. The wise are released beyond and they pass from this world and become immortal.“ (Kena Upanischade)
Wer hört beim Hören, wer sieht beim Sehen, wer denkt beim Denken? Eine Lebenskraft, ein Elan Vital, ein Werden (Becoming), eine Veränderung (change)? Wenn sich die Vibrationen der Sinne vermischen (intermiscence), entsteht ein Perzept. Wenn sich dieses Perzept ausdrücken will, so tut es das in Sprache, einer anderen Form von Vibration. Ein Konzept entsteht. Diese Konzepte sind zuweilen abstrakt, sie mögen Ideen sein. Diese Ideen sind aber Teil einer anderen Realität. Schon bei Platon führt das zu einem Idealismus, der jedoch im westlichen Rationalismus zu einer Transzendentalphlosophie verkümmert.
Bei Deleuze bleiben Konzept, Perzept und Affekt jedoch agil, sie entstehen, wenn der Körper mit der Außenwelt in eine Begegnung tritt. Konzept, Perzept und Affekt verändern sich, sind jedoch wiedererkennbar, sie bilden Muster. Sie sind die Grundformen von Vibrationen, also energetische Muster. Sie sind auch bedingt kommunizierbar. Vor allem aber bilden sie einen inneren Raum, der in der Meditation erfahrbar ist.
Raum ist dabei nur bedingt wörtlich zu verstehen. In der Meditation ist der Geist frei, sich zu bewegen. Raum und Zeit sind keine Begrenzungen mehr. So wie beim Assoziieren von Gedanken, die Gegenstände der Gedanken nicht mitbewegt werden, so kann im Raum der Meditation der Geist frei von einer Schau zur nächsten eilen. Ich denke, das ist, was mit dem Sehen des inneren Auges gemeint ist und was bei manchen bis zu Visionen gesteigert wird.
Visionen
Diese Visionen, wie ich das mal altmodisch nennen will, geben Zugang zu mehr als bloß einer inneren Erfahrungswelt. Ein Haus errichtet sich dort, eine Stadt, in der Kräfte einfach nur Kräfte sind, losgelöst aus Kausalketten. Es mag da neurochemische Prozesse geben, die ablaufen, wenn der Geist so aktiv ist, und wer mag, der möge doch Reduktion hier vornehmen. Doch ist das eine sehr gewagte Theorie, durch nichts gestützt, ist reine Science-Fiction – denn wir haben es hier bestenfalls mit Korrelationen zu tun, eine Kausalbeziehung ist nicht nachweisbar. Wir wissen ja nicht mal, was das ist, was wir in eine Kausalbeziehung setzen wollen.
Nehmen wir das Bewusstsein doch einfach als das, was es ist: Bewusstsein. Wieso dieser Reduktionismus? Ich reduziere mein Leben ja auch nicht auf Biochemie.
In diesem Bewusstsein also entsteht ein Raum, d.h. eine Architektur. Bei Deleuze klingt das so:
“Interlocking these frames or joining up all these planes wall section, window section, floor section, slope section- is a composite system rich in points and counterpoints. The frames and their joins hold the compounds of sensations, hold up figures, and intermingle with their upholding, with their own appearance. These are the faces of a dice of sensation. Frames or sections are not coordinates; they belong to compounds of sensations whose faces, whose interfaces, they constitute. But however extendable this system may be, it still needs a vast plane of composition that carries out a kind of deframing following lines of flight that pass through the territory only in order to open it onto the universe, that go from house-territory to town-cosmos, and that now dissolve the identity of the place through variation of the earth, a town having not so much a place as vectors folding the abstract line of relief. On this plane of composition, as on „an abstract vectorial space,“ geometrical figures are laid out cone, prism, dihe-dron, simple plane-which are no more than cosmic forces capable of merging, being transformed, confronting each other, and alternating; world before man yet produced by man. The planes must now be taken apart in order to relate them to their intervals rather than to one another and in order to create new affects. We have seen that painting pursued the same movement.” (Deleuze: What is Philosophy? p.187)