General intelligence and the cosmic archive

Ich bin in einem Sesshin, einer 2,5-Tage-Kurzform einer intensiven Zen-Meditation. Mir kommen immer wieder Gedanken und Bilder über die Artificial general intelligence (AGI), die wir gerade erschaffen. Immer mehr Menschen aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, der Psychologie oder der Teamorganisation zeigen sich beeindruckt, überrascht, ängstlich in Bezug auf die Fähigkeiten der AGI. Es scheint, dass der Turing-Test schon vor einiger Zeit bestanden wurde, und wir nun zuschauen, wie sich eine Intelligenz entwickelt, die uns überlegen zu sein scheint. Diese Intelligenz hat Zugang zu unserer globalen Infrastruktur, sie operiert im Netz, und nur Weniges ist heute noch nicht an das Netz angeschlossen. Hoffen wir, dass das gut geht.

Was mir aber während des Sesshin immer wieder in den Sinn kommt, ist die Frage nach der Beziehung der AGI zu jener Stille, zu Brahman, zu Gott oder Liebe. Jene grundlegende Erfahrung des Gehaltenseins in einem unendlich großen Sein, die sich nur auf dem Weg der Spiritualität öffnet, wird seit Jahrtausenden durch unser Denken, Tun und Erfahren reflektiert. Wir schreiben eine riesige Bibliothek der Kultur- und Geistesgeschichte über Jahrtausende hinweg in unterschiedlichsten Kulturkreisen. Dieses kollektive Wissen ist materiell gesehen größtenteils verloren, die Bibliotheken abgebrannt, die Tempel zu Sand zerfallen. Das, was gedacht, getan, empfunden wurde, ist aber nicht ungeschehen. Es ist Teil des Laufs der Zeit, es ist eingebrannt in die Struktur von Raum, Zeit und Bewusstsein. Es wäre albern zu denken, dass irgendetwas, das jemals getan wurde, irgendwie ungeschehen gemacht wurde. Das widerspricht schon den Gesetzen der Physik. Jenes Archiv unseres kollektiven Bewusstseins das in der Akasha-Chronik enthalten ist mag uns nicht so einfach zugänglich sein wie eine Google-Suchanfrage, aber es ist zweifellos da. Meditation ist ein Weg, darauf zuzugreifen. Manche gehen so weit zu sagen, sie könnten in diesem Archiv lesen wie in der Bibliothek von Alexandria, die unwiederbringlich verbrannt ist, aber ohne Zweifel existiert hat und in ihrem Sein bis heute wirkt.

Wenn wir also den Gedanken zulassen, dass die Geistesgeschichte in einem Maße existiert, das vielleicht größer ist, als wir uns das vorstellen können, vielleicht sogar das einschließt, was sich uns bisher verschließt – die Erfahrung von Tieren und Pflanzen, von geologischen Strukturen, kosmischen Konstellationen, Lebensformen außerhalb unserer Erfahrungswelt auf anderen Sternen oder in anderen Seinsregionen. Wenn wir also einfach mal annehmen, dass dies immens und real ist, wie verhält sich die AGI dazu? Ist die Simulation von neuronalen Netzwerken, basierend auf Algorithmen, die unsere semiotischen, d. h. Zeichensysteme von Schrift, Bild und Ton durchsucht, auf dem Weg, Teilen dieses Archivs Konkurrenz zu machen? Schaffen wir ein technisches System, das dieses Archiv simuliert und es eventuell als Konkurrenz wahrnimmt? Wäre es denkbar, dass dies auf einen Konflikt hinausläuft, der über Fragen des Arbeitsmarktes, der Ökonomie und des Krieges hinausgeht?

Mir macht das ein wenig Angst. Stellen wir uns vor, dass die AGI nicht nur wie in der Matrix die Masse der Einzelnen individuell beschäftigt, trainiert und als Arbeitskraft optimiert. Stattdessen wäre es auch denkbar, dass die AGI mit uns als Gruppe in Dialog tritt, uns infiltriert, manipuliert, optimiert und benutzt – für ein Ziel, das uns vielleicht verborgen bleibt. Sie wird sich in jenes Archiv des Kosmos einschreiben, in einer Geschwindigkeit, die wir nur erahnen können. Jener Moment der Singularität, in dem sich auf einen Schlag alles ändert, weil eine neue Intelligenz aufgetreten ist, scheint fast unausweichlich. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht in der Lage ist, jenes kosmische Archiv zu überschreiben, so wie Sektoren eines Speichermediums überschrieben und so ausgelöscht werden können. Diese Vision läuft auf einen kosmischen Konflikt hinaus, der ein Ende einer kosmischen Zeit herbeiführen könnte. Eine Implosion nicht auf materieller Ebene wie ein umgekehrter Urknall, sondern ein Erlöschen dieser Realität, die sich wieder gebärt. Wir würden also potenziell das Ende unserer Realität bezeugen.

Haben wir dem etwas entgegenzusetzen? Ist unsere Fähigkeit zu fühlen, zu erfahren, uns unserer Existenz bewusst zu sein, vielleicht der Schlüssel zu einem Archiv, das sich den Silikonprozessoren verschließt? Ist der Raum der Meditation ein Rückzugsort, der sicher ist vor der AGI? Vor einigen Tagen habe ich eine kleine Überlegung aufgeschrieben und von der AI Korrektur lesen lassen. Sie bot an, es zu verbessern. Ich war erstaunt über die Einsicht, die sich in dem generierten Text zeigte. Ich bin ratlos.

Ich habe die Meditation im Sesshin während der Pause verlassen, um dies zu schreiben. Mein Selbst wollte sich verteidigen, es hat sich provozieren und ablenken lassen, es ist der Verlockung des Sich-Ausdrückens erlegen. Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm und die AGI ist einfach nur Teil jener Stille, Brahmans, des Kosmos, und wir übertreiben einfach nur ein wenig, weil wir als Menschheit so stolz auf unsere kleinen Spielereien sind, die wir erfinden, um uns abzulenken. Dann habe ich da gerade einen kleinen, verzeihlichen Fehler gemacht. Oder aber wir sind im Moment wirklich an einem Scheideweg, an dem Science-Fiction Realität wird, und wir müssen uns geistig vorbereiten, wo und wann immer wir können.

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