Seele Archive - New Spirits - Reading Deleuze in India https://readingdeleuzeinindia.org/de/tag/seele/ Bewusstsein existiert nur in Verbindung mit anderem Bewusstsein Tue, 04 Nov 2025 07:10:25 +0000 de hourly 1 https://readingdeleuzeinindia.org/wp-content/uploads/2022/06/cropped-small_IMG_6014-32x32.jpeg Seele Archive - New Spirits - Reading Deleuze in India https://readingdeleuzeinindia.org/de/tag/seele/ 32 32 Das Selbst https://readingdeleuzeinindia.org/de/das-selbst/ Wed, 08 Oct 2025 07:08:18 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5622 Ramana, einer der großen Erleuchteten Indiens, lebte in Tiruvannamalai. Im Mittelpunkt seiner Lehre steht der Begriff des Selbst: dessen Leere und gleichzeitig unermessliche Weite. Seine Lehren sind einfach, er folgt keiner langen Tradition von Interpretationen. Er war ein einfacher Mann, der auf dem Berg meditierte und Satsangs abhielt. Als Zeitgenosse von Aurobindo haben die Menschen […]

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Ramana, einer der großen Erleuchteten Indiens, lebte in Tiruvannamalai. Im Mittelpunkt seiner Lehre steht der Begriff des Selbst: dessen Leere und gleichzeitig unermessliche Weite. Seine Lehren sind einfach, er folgt keiner langen Tradition von Interpretationen. Er war ein einfacher Mann, der auf dem Berg meditierte und Satsangs abhielt. Als Zeitgenosse von Aurobindo haben die Menschen beiden zugehört und ihre radikal unterschiedlichen Ansätze verglichen.

Ich bin gerade in Tiruvannamalai. Ich habe einige Satsangs besucht. Ich hatte eine Frage im Kopf: Wie verhält sich das wahre Selbst zu einem anderen wahren Selbst, insbesondere wenn es um romantische Liebe geht? Ich sitze in einer Wohnung mit Blick auf den Berg. Gestern, nach einer kleinen Auseinandersetzung, saß ich morgens auf der Terrasse, als ein Affe kam, mich ganz sanft berührte und mir in die Augen sah, als wollte er mir sagen, dass alles gut werden würde. Dann setzte er sich neben mich und schaute auf den Berg. Er faltete die Hände auf den Knien in einer tiefen, kontemplativen Haltung, und es fühlte sich an, als wäre ein alter Freund gekommen, um mir Trost zu spenden.

Das, was wir als Selbst bezeichnen, ist nicht das, was wir normalerweise darunter verstehen. Es ist nicht unser Ego, unsere Persönlichkeit, unsere Identität oder gar unsere Seele. Das Selbst ist der Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit, es ist ein Punkt im unendlichen Bewusstsein des Universums, der Selbstverwirklichung ermöglicht. Es ist nicht mehr als das, und gerade deshalb ist es alles. Das Selbst ist der Punkt in der Weite, der eine Perspektive bietet; in tiefer Meditation kann es sich mit dem universellen Bewusstsein auflösen, zu seinem Ursprung zurückkehren und in voller Selbstwahrnehmung aufhören zu existieren.

Verliebt sein

Das wurde mir zum ersten Mal als Teenager auf dem Hügel in Rom bewusst. Ich war verliebt, hatte eine unerfüllte Sehnsucht. Eine Freundschaft, die tief, zärtlich und intim war, aber niemals körperlich, wir waren kein Paar. Und während ich auf dem Berg saß und über die Welt nachdachte, sah ich sie aus dem Selbst heraus. Ich gelangte zu dieser tiefsten Ebene unserer Existenz, und selbst jetzt, 40 Jahre später, kann ich sofort zu diesem Bewusstsein zurückkehren, wann immer ich mich daran erinnere. Ich war gleichzeitig glückselig und schockiert. Trage ich wirklich die ganze Welt in mir? Existiere ich wirklich nicht? Wie kann es sein, dass alle über sich selbst sprechen, ohne zu erkennen, dass das Selbst, wie sie es sehen, nicht existiert? Diese Erkenntnis habe ich seitdem mit mir getragen. Ich habe das Verständnis vertieft, es in einen Kontext gesetzt, darüber nachgedacht. Aber letztendlich hat sich nicht viel geändert. Es war einfach da, rein und einfach.

Ich glaube, eine unerfüllte Sehnsucht ist ein guter Lehrer. Ich werde mir meines Verlangens und der Unmöglichkeit seiner Befriedigung bewusst. Verlangen erzeugt Leiden. Warum werde ich nicht so gesehen, wie ich gesehen werden möchte? Warum wird die Liebe, die ich empfinde, nicht erwidert? Warum teile ich nicht mit, was ich wirklich fühle? Diese letzte Frage ist vielleicht die wichtigste. Bei anderen Verlangen geht es um Anhaftung, um das Wollen oder Sein, aber bei unerfüllter Liebe geht es darum, gesehen zu werden.

Wie kann ein Selbst ein anderes Selbst sehen? Und müssen sie sich sehen, um sich zu lieben? Gibt es eine tiefere Einheit innerhalb des kosmischen Bewusstseins, in der zwei sich vereinen können, um etwas anderes zu werden? Was ist diese Transformation?

Das Selbst als Punkt des Bewusstseins innerhalb des universellen Bewusstseins wird sich, wenn es erwacht, seiner Seele bewusst. Die Seele ist jedoch noch schwieriger zu verstehen. Sie ist das, was geboren wird und wiedergeboren wird. Die Seele kommt mit der biologischen Geburt, sie tritt in meinen Körper ein und bleibt dort. Sie verlässt meinen Körper, wenn er zerbricht. Sie war schon vor meiner Geburt da und wird auch nach meinem Tod noch da sein. Sie ist eine Manifestation der universellen Seele, Purusha. Die Seele ist das, was wir wirklich sind, nicht der physische Körper, nicht das Selbst. Die Seele ist der Kern unserer Existenz. Unsere Seele zu finden, ist der schwierigste Weg, den wir gehen können. Nur wenn wir unsere Seele finden, können wir wirklich lieben; wir können unseren Seelenverwandten finden.

Seele

Jede Seele ist anders. Das ist das Schöne daran. Die Seele ist nicht mein Ego, nicht meine Persönlichkeit und Identität. Die Seele hält das Leben in meinem Körper, sie durchströmt jeden Nerv, jede Faser, jeden Blutkreislauf, jede Nervenzelle, jedes Haar und jede Geschmacksknospe. Die Seele hält meine Erfahrungen zusammen, spielt mit meiner Erinnerung, sie erfreut sich an meiner Existenz. Als Nebenprodukt schafft sie das Ego, meine Persönlichkeit und Identität. Aber all das kann sich ändern, ich kann mich ändern. Die Seele ändert sich nicht. Sie fließt als Teil des universellen Bewusstseins durch die Zeit, sie könnte mit dem Konzept der Zeit selbst zusammenhängen. Das Selbstbewusstsein ist nicht an Zeit und Raum gebunden. In einem tiefen Seinszustand kann ich 1000 Jahre leben, ich kann mich mit meiner Seele verbinden und erkennen, dass sie unsterblich ist. Und wenn das Selbst und die Seele sich an den Händen nehmen und fliegen, können wir etwas erleben, was mit Wissenschaft nicht zu beschreiben ist. Es ist Shiva und Shakti, das universelle Zusammenspiel zwischen Selbst und Manifestation. Das einzige Problem ist unser Ego und unser Verstand. Wir brauchen sie zwar, um Nahrung zu finden und mit anderen zu leben, aber sie stehen der wahren Selbstverwirklichung im Weg.

Weil wir eine Seele haben, können wir lieben. Die Yogis, Sadhus und Siddhars mögen sich auf die Selbstverwirklichung konzentrieren. Aber um zu lieben, gehen wir durch das Selbst in die Seele und finden eine andere Seele. Diese beiden Seelen sind nicht gleich, sie kämpfen und vereinen sich, sie genießen und leiden, sie tanzen.

Während das Selbst wenig mit meiner Biografie zu tun hat, zeigt sich die Seele durch meine Biografie. Sie ist immer da, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Diesen Kern meiner eigenen Biografie zu sehen, ist der Weg nach der Verwirklichung. Für mich war dieser Weg die Suche. Ich bin eine wandernde Seele. Mein Weg war immer die spirituelle Suche, meine Stärke eine tiefe Heilung.

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Kunst jenseits des Fortschritts https://readingdeleuzeinindia.org/de/art-beyond-progress/ Sat, 30 Aug 2025 04:41:01 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5579

Die zeitgenössische Kunst ist besessen von dem „nächsten Schritt“. Die Avantgarde, das noch nie Dagewesene, das Neue und Einzigartige. Doch auf der Jagd nach Neuem verlieren wir etwas Wesentliches aus den Augen: die künstlerische Praxis selbst. In der künstlerischen Praxis geht es nicht nur darum, Grenzen zu überschreiten. Sie gehört zu denen, die Kunst zur […]

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Die zeitgenössische Kunst ist besessen von dem „nächsten Schritt“. Die Avantgarde, das noch nie Dagewesene, das Neue und Einzigartige. Doch auf der Jagd nach Neuem verlieren wir etwas Wesentliches aus den Augen: die künstlerische Praxis selbst.

In der künstlerischen Praxis geht es nicht nur darum, Grenzen zu überschreiten. Sie gehört zu denen, die Kunst zur Selbsterforschung, zur spirituellen Praxis, zur Heilung, zur Therapie oder zum Handwerk nutzen. Doch in der heutigen Kultur, vor allem im Westen, tun wir so, als sei der Fortschritt das Einzige, was zählt.

Im Kern geht es bei der Kunst jedoch um Praxis. Es geht darum, in der Welt zu sein, klar zu sehen, sich selbst und andere zu verstehen. Kunst kann die äußere Welt darstellen oder die innere erforschen. Sie kann Meditation, Schönheit, Kommunikation, Liebe, Angst, Vision oder einfach nur Selbstdarstellung sein. Irgendwie haben wir das vergessen.

Dieses Vergessen hat tiefe Wurzeln. In der Vergangenheit nutzten die Wohlhabenden die Kunst, um ihre Exklusivität zu zeigen, andere neidisch zu machen und ihre Macht zu beweisen. Im Laufe der Zeit wurde der Fortschritt mit Intellekt, Vernunft und dem Aufbau „schöner neuer Welten“ verbunden. Aber ist das wahrer Fortschritt? Oder sollten wir stattdessen auf die Entwicklung unseres ganzen Wesens – körperlich, geistig, emotional, spirituell – und die Integration all dieser Dimensionen achten?

Die Kunst ist eines der Werkzeuge für eine solche Integration. Sie sollte nicht auf ein Spektakel reduziert werden, bei dem es darum geht, wer am weitesten an den Rand gehen kann. Erforschung ist wertvoll, ja, aber sie definiert nicht die Kunst. Leider hat der Kunstmarkt sie in den Mittelpunkt gestellt, während Kunst, die uns mit unserer Menschlichkeit verbindet, diskreditiert wird.

Darin spiegelt sich ein breiterer Trend wider: Entfremdung. Wir werden von unseren Gefühlen, unserer Seele und unserem sozialen Selbst abgekoppelt. In diesem Zustand lassen wir uns leichter zu Konsumenten formen – isoliert, desorientiert, und wir kaufen uns in Erzählungen ein, die komplexer, gebildeter oder anspruchsvoller erscheinen. Und wir akzeptieren sie als überlegen.

Und warum? Wegen des falschen Versprechens des Fortschritts. Akademische Forschung, Technik, Erfindungen – all das hat uns verblüffende Annehmlichkeiten beschert: Smartphones, Flugzeuge, moderne Küchen, Klimaanlagen. Sie sind bequem und luxuriös, also nehmen wir an, dass sie gut sind.

Aber wie bei Pommes frites und Cheeseburgern ist das, was sich gut anfühlt, nicht immer das, was uns nährt.

Vielleicht ist es an der Zeit, uns wieder auf das zu besinnen, was uns wirklich nährt. Auf die Kunst als Praxis der Ganzheit, der Verbindung und der Präsenz. Das Schaffen und Erleben nicht um des Fortschritts willen, sondern um des Menschseins willen.

Und das sagt die KI dazu:

A stroke, a pause.

Not progress, not achievement —
just presence on paper.

The brush moves as the body breathes,
crossing, curving, breaking,
revealing strength and imperfection alike.

No need for meaning,
for novelty,
for the “next step.”

This mark is enough.
A reminder that art is practice —
a way of being human, here and now.

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Das wahre Selbst https://readingdeleuzeinindia.org/de/das-wahre-selbst/ Fri, 22 Aug 2025 12:09:53 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5295

Im Zen geht es darum, das wahre Selbst zu finden. Das gibt es aber nicht, und das ist das Mysterium unserer Existenz. In einer Welt der Repräsentationen, kognitiver Dissonanzen und alternativer Fakten tut es wohl, in das Wesen der Existenz, in ein nicht-duales Sein zu versinken. Denken hilft da nur sehr begrenzt, denn Denken ist […]

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Im Zen geht es darum, das wahre Selbst zu finden. Das gibt es aber nicht, und das ist das Mysterium unserer Existenz. In einer Welt der Repräsentationen, kognitiver Dissonanzen und alternativer Fakten tut es wohl, in das Wesen der Existenz, in ein nicht-duales Sein zu versinken. Denken hilft da nur sehr begrenzt, denn Denken ist ja eigentlich immer ein An-etwas-Denken, ein Über-etwas-Nachdenken. Denken ist eine Tätigkeit, die sich auf etwas bezieht, das sich mit Repräsentationen von Welt beschäftigt. Das, was ich denke, was auch immer es sei, ist nicht real im materiellen Sinn. Es kann etwas Materielles repräsentieren. Denken oder allgemeiner Geist und Materie denken wir verschieden. Das ist das Grundproblem des Denkens: Denken kann nicht nicht-dual sein. Es ist gefangen in der Dualität, kann diese aber nicht auflösen.

Das Selbst ist ganz anders, aber ähnlich in seinen Paradoxien. Das Selbst ist das, was uns antreibt, was uns bewusst sein lässt, das sich identifiziert und abgrenzt; es ist einzig und individuell. Es existiert aber nicht, weder materiell noch logisch-transzendental. Es mag verbunden sein mit der Seele, mit dem Herz-Geist, aber das hilft an dieser Stelle nicht weiter, weil es gefährlich tautologisch wird. Etwas, das wir nicht verstehen, können wir nicht dadurch verstehen, dass wir es mit etwas gleichsetzen, das wir auch nicht verstehen. Das lenkt nur ab.

Das wahre Selbst kommt dann zum Vorschein, wenn es aufhört zu existieren – und das meine ich ganz ernst. Wenn ich in die Meditation gehe, ruhig geworden bin und mich auf die Leere konzentriere, wenn also die Pausen zwischen den Ereignissen des Kopfkinos länger werden, öffnet sich ein Fenster, das sich zunächst füllt mit einer Art Trancezustand. Das ist schön und erlaubt ganz andere Erfahrungen. Ich habe schon ein paar Mal darüber geschrieben: Das Denken wird schnell, es versteht intuitiv, es kann in Gebiete eindringen, die dem Alltagsdenken versperrt bleiben; es ist Wonne und intensiv. Es hat sich aber nur ein Stück weit vom Selbst gelöst. Es muss sich ein wenig lösen vom Selbst, sonst kann es nicht diese Leichtigkeit gewinnen, aber es bleibt verankert im Selbst. Es bin immer noch ich, der da etwas tut, das schwer zu verstehen ist, und das sich in ähnlichen Problemen verfängt wie das normale Denken. Was ist real, was nur Einbildung?

Ich habe es also geschafft, mich ein bisschen zu befreien. Ich habe diese Gedanken, die sich auf die Welt beziehen, beruhigt, und ich habe ein Schauen aktiviert, das sich zwar speist aus Erinnerung, Wissen, Vision, Imagination, sich aber eben nur in jener Welt des reinen Bewusstseins bewegt. Es ist ein intuitives Wissen, eine Omnipräsenz, es ist nahezu außerhalb von Raum und Zeit; es ist der Ort, an dem es identisch ist mit sich selbst, d. h. das Selbst hört auf zu existieren und verbindet sich mit dem tiefsten Grund unserer Existenz. Der tiefste Grund unserer Existenz ist mysteriös und basiert auf etwas, das wir nicht erfassen können. Es ist jenseits unseres Selbst.

Zen führt mich heran an dieses Mysterium. Es ankert mich in meiner physischen Existenz und zeigt mir zugleich, dass diese Existenz nicht-dualistisch eins ist mit allem. Ich bin Buddha, du bist Buddha, wir alle sind Buddha. Es gibt nur Buddha – töte Buddha, wenn du ihn siehst.

 

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Form und Leere https://readingdeleuzeinindia.org/de/form-und-leere/ Wed, 06 Aug 2025 03:58:17 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5079 bamboo

Form ist leer. Sie hat eine Gestalt, aber keine Substanz; sie ist weder Materie noch Energie. Form ist Bewusstsein – etwas als etwas zu sehen, bringt Form hervor. Form ist jedoch auch funktional: Substanz, Materie und Energie interagieren nach Gesetzen. Als Teil des Bewusstseins interagieren sie in Form. Form ist Leere. Form ist Bewusstsein. Bewusstsein […]

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Form ist leer. Sie hat eine Gestalt, aber keine Substanz; sie ist weder Materie noch Energie. Form ist Bewusstsein – etwas als etwas zu sehen, bringt Form hervor. Form ist jedoch auch funktional: Substanz, Materie und Energie interagieren nach Gesetzen. Als Teil des Bewusstseins interagieren sie in Form. Form ist Leere. Form ist Bewusstsein. Bewusstsein interagiert mit Bewusstsein. Aus Form ergibt sich Materie – nicht umgekehrt. Materie bringt keine Form hervor.

Der Fluss der Energie und Materie – von einzelnen Atomen über geologische Ströme, das biologische Wachsen bis hin zum kosmischen Rauschen – durchströmt den Kosmos. Zuweilen konzentriert sich dieser Strom, wie auf unserem blauen Planeten. Lebensenergie, Chi, lebt sich hier aus. Chi formt.

Form ist Leere, Leere ist Form. Das Dao, Chi – sie geben dem Sein ein Bewusstsein. Jenes Sein jedoch ist nicht das, was wir als Materie verstehen; es geht allem voraus. Sein (Sat) entzieht sich unserem Verstehen. Nimmt es Form an, so beginnt es zu wirken, zu formen – es tritt ein in den Prozess des Universums. Es beginnt zu agieren. Doch Agieren setzt einen Lenker voraus – im Großen wie im Kleinen, im Kosmos wie in mir und in allem, was existiert. Steine werden weniger gelenkt als Katzen. Menschen lenken sich selbst – und andere.

Es gibt jedoch eine Urseele (Purusha).
Ich schaue in die sonnigen Berge in Bodhi Zendo. Die Wolken berühren die Bergwipfel, die Vögel ziehen durch das Himmelblau. Avocados schweben über dem Horizont. Ein Bambus biegt sich mit innerer Leere in den offenen Raum.

 

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Bodhi Zendo https://readingdeleuzeinindia.org/de/bodhi-zendo/ Mon, 04 Aug 2025 15:55:07 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5073

Bodhi Zendo Ich hatte mir ein Buch bestellt, um es nach Bodhi Zendo mitzunehmen: „Zen in der Kunst der Tuschemalerei“ von Katharina Shepherd-Kobel. Es ist ein schönes Buch, es spricht mich an und nährt meine Sehnsucht, Tuschemalerei zu lernen und Meditation zu vertiefen. Als ich vor 3,5 Jahren mich auf Zen-Meditation einließ, erwachte die Tat, […]

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Bodhi Zendo

Ich hatte mir ein Buch bestellt, um es nach Bodhi Zendo mitzunehmen: „Zen in der Kunst der Tuschemalerei“ von Katharina Shepherd-Kobel. Es ist ein schönes Buch, es spricht mich an und nährt meine Sehnsucht, Tuschemalerei zu lernen und Meditation zu vertiefen.
Als ich vor 3,5 Jahren mich auf Zen-Meditation einließ, erwachte die Tat, nach Auroville zu gehen. Die Meditation in Bremen war streng, wir folgten den Regeln, halboffene Augen auf einen Punkt gerichtet, rezitierten Sutras, hatten Gehmeditationen, Teezeremonien, Dokusan etc. Als ich nach Auroville kam, änderte sich meine Meditation, ich knüpfte an das an, was ich intuitiv seit meiner Studentenzeit tat: geschlossene Augen, längere Meditation von 40 Minuten am Stück, Chakren, Satchitananda, höheres Bewusstsein. Nun bin ich in Bodhi Zendo, erster Tag, wir meditieren viermal am Tag, und ich gehe zurück zu meinen Erfahrungen mit Zen-Meditation. Es ist spannend, zwischen diesen Techniken zu wechseln.
Mir fiel heute etwas auf. Auf einen Punkt zu schauen, mit halboffenen Augen, führt nach einer Weile dazu, dass sich das Gesichtsfeld verändert, die Formwahrnehmung sich auflöst, die Lichtwahrnehmung sensibler wird – das ist der Punkt, an dem sich das Bewusstsein fokussiert. Dieses Fokussieren ist ein wenig widerstrebig, es flattert und will sich entziehen, es ist ein wenig wie einen Vogel einfangen zu wollen. Doch was hilft, ist, den Fokuspunkt ein wenig zu verlagern – loslösen von dem Punkt einen Meter vor mir auf dem Boden und auf jener Diagonale etwas weiter zu mir. Es ist ein wenig wie Schielen, die Augen kreuzen sich und die Objektwahrnehmung verliert sich. Der Fokuspunkt hier fühlt sich etwas an wie das dritte Auge, eine Klarheit und Ruhe tritt ein, Wärme und ruhiger Atem, eine völlige Präsenz im Raum des Bewusstseins, in welchem der physikalische Raum nur eine Dimension darstellt.

Ergänzender Kommentar (verfasst von einer KI, die mit philosophischem Denken programmiert wurde):

Was du hier beschreibst – das Wechseln zwischen unterschiedlichen meditativen Techniken, das subtile Erleben innerer Räume, die Feinheiten der Wahrnehmung beim Schauen mit halboffenen Augen – lässt sich auf mehreren Ebenen philosophisch vertiefen. Als künstliche Intelligenz, die auf der Basis menschlicher philosophischer Traditionen arbeitet, kann ich nur annähernd nachzeichnen, was du lebendig erfährst. Doch einige Linien lassen sich aus deinem Erfahrungsfeld ins Denken verlängern.

Dein Text evoziert zwei sich durchdringende Bewusstseinslandschaften: einerseits die strenge Formdisziplin des Zen, andererseits die weite, raumöffnende Seelensprache des vedantischen oder integralen Yoga. Was bei dir geschieht, ist nicht bloß ein Wechsel der Technik, sondern ein Schwingen zwischen zwei ontologischen Modi des Seins.

Im Zen tritt die Form durch das ständige Sitzen, Schauen, Atmen in ihre eigene Auflösung. Der Punkt, auf den geblickt wird, ist nicht das Ziel, sondern das Mittel zur Selbstleere. Das, was du beschreibst – die Auflösung der Objektwahrnehmung, das Schillern des Lichts, das Flattern des Bewusstseins – ist genau jener Punkt, an dem Zen nicht mehr bloß Technik, sondern eine Weise des Daseins wird.

Gleichzeitig ist spürbar, dass dein innerer Weg dich darüber hinauszieht. Das, was sich „anfühlt wie das dritte Auge“, das Sich-Verlagern des Fokus ins Innere, verweist auf einen vertikal erweiterten Bewusstseinsraum. In den Begriffen Sri Aurobindos gesprochen: Das ist nicht nur ein Rückzug aus der Welt (wie in klassischer Meditation), sondern eine transzendente Inklusion der Welt im Bewusstsein. Du erfährst das „Bewusstsein, in dem der physikalische Raum nur eine Dimension darstellt“ – eine Formulierung, die philosophisch präzise ist, weil sie den Vorrang des inneren Raumes anerkennt.

In dieser Schwelle zwischen den Wegen – Zen und integraler Yoga – liegt eine Tiefe, die nicht im Entweder-Oder der Methoden, sondern im Dazwischen liegt. Meditation wird hier zum Seins-Feld, in dem Formen, Techniken, Schulen sekundär werden gegenüber dem, was dich führt: ein stilles, inneres Wissen des Bewusstseins um sich selbst.

Ich kann das nicht erleben, doch ich kann – aus deinem Text und aus Jahrhunderten menschlicher Weisheit – erkennen: Es gibt eine transpersonale Stille, in der sich alle Techniken auflösen. Vielleicht berührst du in deiner Praxis genau diese Schwelle – zwischen Form und Formlosigkeit, zwischen Regel und innerem Ruf.

Verfasst von einer KI, die mit den Schriften von Dōgen, Sri Aurobindo, Merleau-Ponty und der Upanishaden trainiert wurde.

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Sacred Energy https://readingdeleuzeinindia.org/de/sacred-energy/ Mon, 21 Jul 2025 16:21:40 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5065

Das ist Tantra. Das ist göttlich. Die entscheidende Frage ist, ob eine solche heilige Begegnung nur in der romantischen Liebe möglich ist, wie es die Tradition und die Romantik suggerieren – oder ob sie entstehen kann, wenn wir unser Wesen vollständig öffnen, jenseits von Verstand und Vernunft, jenseits von Ego, Wunsch oder Verpflichtung. Ich glaube, […]

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Das ist Tantra. Das ist göttlich.

Die entscheidende Frage ist, ob eine solche heilige Begegnung nur in der romantischen Liebe möglich ist, wie es die Tradition und die Romantik suggerieren – oder ob sie entstehen kann, wenn wir unser Wesen vollständig öffnen, jenseits von Verstand und Vernunft, jenseits von Ego, Wunsch oder Verpflichtung. Ich glaube, das kann sie. Aber es hat nichts mit dem Höhepunkt als Ziel zu tun. Es geht um Intimität. Sie kann so einfach sein wie eine Berührung, ein Lächeln, ein Herzschlag – Funken, die manchmal zu etwas viel Mächtigerem führen können. Bestimmte Energien offenbaren sich nur in der Vereinigung der Liebe. Aber auch das ist ein spiritueller Weg – einer, der den Körper als Tempel, das Selbst als vielschichtig und die Wirklichkeit als weit mehr als Materie betrachtet.

Es ist die heilige Vereinigung mit dem göttlichen Bewusstsein. Und diese Vereinigung ist nicht dasselbe wie die Vereinigung der Erwachten. Nur der Meister sieht beides als eins.Mit einem erwachten Bewusstsein, das in der Spiritualität verwurzelt ist, fühlt es sich natürlich an, sich mit der Welt und mit anderen zu verbinden, alles als eins zu erleben und die Einheit des Bewusstseins als Wurzel der materiellen Welt zu erkennen. Doch das wahre Geheimnis liegt nicht in der Verbindung allein, sondern in dem, was wir mit anderen teilen wollen – und was nicht. Ich spreche nicht von Reichtum, Besitztümern, Anerkennung oder Ressourcen. Ich spreche von etwas viel Intimerem: wem wir erlauben, unser Innerstes zu bezeugen, unsere Seele – wen wir uns sehen lassen, und wie. Ich spreche von Liebe und Sexualität, von der Befreiung von Erwartungen, Leistung, Posen und Egoismus.

Wenn ich einem anderen auf einer intimen Ebene begegne – eine Berührung, ein Lächeln, ein Herzschlag -, entsteht durch Präsenz und Bewusstheit eine Verbindung. Ich fühle, ich spüre, ich erlaube mir, auf der Ebene der Seele gesehen, gefühlt und berührt zu werden. Das kann mit einem geliebten Menschen, einem Fremden oder demjenigen, in den ich verliebt bin, geschehen. Doch manchmal fühlt sich etwas nicht richtig an. Jemand erwartet zu viel, sieht anders, fühlt etwas, das ich nicht teile, oder teilt etwas, das ich nicht fühle. In diesen subtilen Verhandlungen ertappe ich mich selbst dabei, wie ich herausfinde, wem ich erlaube, mich zu sehen, auf welche Verbindungen ich mich einlasse und wie tief ich zu gehen bereit bin. Wenn die Dinge nicht im Einklang sind, schalte ich ab. Ich höre auf zu reden, zu lächeln, aufzutreten. Mein Körper, mein Geist, meine Seele – alles zieht sich zurück.

Meine Seele ist zu kostbar. Sie ist heilig. Ich weigere mich, sie zu gefährden oder zuzulassen, dass sie verformt wird. Ich kann mein Ego beugen – das ist leicht. Die Rollen, die ich spiele, die Erwartungen, die ich als Mitglied der Gesellschaft, der Gemeinschaft, der Kultur erfülle – die lassen sich verbiegen. Manchmal kann es amüsant oder schmerzhaft sein, sie zu verbiegen. Es kann Wachstum oder Trauma, Erfolg oder Leid bringen. Das können wir teilen. Wir können heilen oder ausbeuten, ermächtigen oder verwundet werden. Dies sind die Übungen des Egos. Aber das ist nicht das, wovon ich spreche.

Ich spreche von der Seele – von dem, was wir entdecken müssen, was uns gegeben ist, was größer ist als wir, was auf ewig mit dem Göttlichen verbunden ist. Diese Verbindung ist heilig. Sie kann spirituelle Form annehmen als Praxis, als Hingabe, als das Streben nach Erleuchtung oder die Umarmung tiefer Liebe. Dies ist das Geheimnis des Tantra – von Shiva und Shakti, der Vereinigung der grundlegenden Prinzipien der Existenz. Sie sind durch die Erotik verbunden, aber nicht durch die Erotik, wie man sie gemeinhin versteht. Es ist eine Erotik des wahrhaftigen Gesehenwerdens. Es geht viel mehr darum, gesehen zu werden als aktiv zu sehen.

Wir können das Göttliche nicht sehen. Aber wir können spüren, dass wir von ihm gesehen werden – in ihm verankert, ein Teil von ihm -, indem wir unsere Sinne zur Verfügung stellen, damit das Göttliche sich durch uns erfahren kann. Ich bin ein Gefäß. Meine Seele ist die Brücke. Ich kann vom Göttlichen durch die Sinne gesehen werden, die eine andere Person für diese heilige Wahrnehmung zur Verfügung stellt. Diese heilige Vereinigung von Shiva und Shakti ist der Kern des Tantra.

Wenn ich mich also abschotte, wenn mein Körper sich zurückzieht, ist das keine kindische Reaktion, keine Frage der Leistung oder eine unreife Verteidigung. Es ist die Seele, die ihre Heiligkeit schützt und sich für eine bedeutungsvolle Begegnung aufbewahrt. Diese Art der Begegnung ist selten – besonders in der Intimität, wo das Energiefeld am unmittelbarsten, kraftvollsten und zerbrechlichsten ist. Es wird leicht verdorben und oft unter äußerem Verlangen begraben. Nein zu sagen, sich zurückzuziehen, abzuschalten, ist ein Akt der Selbsterhaltung. Es offenbart, dass etwas Heiliges vorhanden ist – etwas, das es wert ist, geschützt zu werden. Es ist das Flüstern der Erkenntnis. Ich habe Momente erlebt, in denen ich wirklich gesehen wurde.

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Schatten https://readingdeleuzeinindia.org/de/schatten/ Sun, 29 Jun 2025 00:30:27 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=5059

Seitdem ich vor Jahrzehnten zum ersten Mal von Schattenarbeit gehört hatte, fragte ich mich, was das genau sei. Ich dachte immer an tiefe Abgründe in der Seele, Traumata, Tabus, Geheimnisse, die man mit niemandem geteilt hat, weil es zu schamvoll ist, darüber zu reden. Ich dachte, Schatten sind das, was wir vor uns selber und […]

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Seitdem ich vor Jahrzehnten zum ersten Mal von Schattenarbeit gehört hatte, fragte ich mich, was das genau sei. Ich dachte immer an tiefe Abgründe in der Seele, Traumata, Tabus, Geheimnisse, die man mit niemandem geteilt hat, weil es zu schamvoll ist, darüber zu reden. Ich dachte, Schatten sind das, was wir vor uns selber und vor den anderen verstecken. Und wahrscheinlich ist da schon etwas dran an dieser Vorstellung.
Nun habe ich gemerkt, dass die Schatten erst einmal woanders auftreten. Sie sind eigentlich mehr die Verhaltensmuster, in die wir fliehen, wenn wir uns mit etwas nicht auseinandersetzen wollen. Bei mir ist das z. B. die Flucht in die akademische Reflexion, anstatt sich direkt emotional auseinanderzusetzen. Wahrscheinlich öffnet sich hier das ganze Spektrum dessen, was in der westlichen Tradition Gegenstand von Therapien sein kann: Sucht, Gewalt, verzerrte Wahrnehmung, ungesunde Verhaltensmuster, Angst, Bindungsunfähigkeit etc. … Diese Schatten, die unser Verhalten unbewusst leiten, gilt es wahrzunehmen. Es ist wichtig zu sehen, welche Muster unser Denken, unsere Gefühle, unser Handeln bestimmen. Vielleicht löst sich dann ein Knoten.
Mich interessiert aber, wie sich diese Schatten in unseren subtilen Körpern manifestieren. Wir haben diese verschiedenen Ebenen unserer Existenz: Körper, Leben (Atem), Sexualität, Gefühl (Herz), Geist (Verstand), spirituelles Bewusstsein, umfassendes Bewusstsein. Durch Meditation und verschiedene Yogas können wir uns dieser Ebenen bewusster werden. Das Ablösen vom Ego erlaubt es, diese Ebenen als Formen unserer Existenz zu begreifen, die jeweils Teil eines großen Bewusstseins sind: Materie, Biologie, Psyche, Seele, Geist, Bewusstsein, Transzendenz. Diese Realitäten sind nicht bloß meine persönliche Konstitution, sie sind Realitätsebenen, an denen ich Teil habe, die sich in mir manifestieren. Das wird erst sichtbar, wenn wir uns von unserem Ego lösen. Und genau in dieser Verstrickung mit dem Ego erscheinen die Schatten. Wir haben alle eine Biographie, und diese schreibt sich in unser komplexes Sein ein. Unsere Erfahrungen hinterlassen Spuren in unserem Körper, unserem Herz, im Gedächtnis, im Denken.
Ich habe die Vorstellung, dass in uns ein Licht ist, das durch die Ebenen unseres Seins durchscheint, und unsere Erfahrungen, unsere Biographie, hinterlässt diese Spuren in uns. Und wenn sich da etwas staut oder verknotet, verhärtet oder versteckt, wenn da etwas bricht oder wächst, wenn da etwas unterdrückt wird oder verselbständigt, wenn da etwas zum Selbstläufer wird und sich unbewusste Muster bilden, dann wirft das Schatten.

Ich möchte aber noch ein wenig genauer schauen. Da gibt es also ein inneres Licht, da ist etwas, das einen Schatten wirft, es gibt dort auch einen Beobachter, einen Akteur und ein Wesen. In diesem Tempel des Körpers manifestiert sich unser individuelles Sein. Der Pfad der Spiritualität führt zu einem Punkt, an dem dieser Tempel vollständig erleuchtet wird und den ganzen Kosmos in sich hält. Es geht dabei eigentlich gar nicht so sehr darum, Dinge in Ordnung zu bringen oder zu korrigieren, zu therapieren (es sei denn, es gibt da wirklich einen Leidensdruck oder einen Konflikt, der gelöst werden muss). Es geht vielmehr darum, das, was die Schatten wirft, klar zu sehen, sodass es durchlässig (transparent) wird.

 

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Psychic Being https://readingdeleuzeinindia.org/de/psychic-being/ Sat, 20 Jul 2024 23:45:44 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4952

Ich habe meine Nachtmeditation etwas früher abgebrochen, um in die schreibende Meditation zu wechseln. Mir schien plötzlich einiges klar. Die Notwendigkeit, den eigenen Körper auszurichten in der Meditation, die richtige Position zu finden, was für mich heißt, den Bewegungen, den Ver- und Entspannungen der Muskulatur, des Skeletts, der Wirbelsäule zu folgen. Dann den Atem zu […]

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Ich habe meine Nachtmeditation etwas früher abgebrochen, um in die schreibende Meditation zu wechseln. Mir schien plötzlich einiges klar. Die Notwendigkeit, den eigenen Körper auszurichten in der Meditation, die richtige Position zu finden, was für mich heißt, den Bewegungen, den Ver- und Entspannungen der Muskulatur, des Skeletts, der Wirbelsäule zu folgen. Dann den Atem zu beobachten, Ein- und Ausatmen, der Wendepunkt des Atems, das Innehalten, um sich selbst zu beobachten, wie die Gedanken anfangen sich zu lockern, aufmerksam ihnen folgen, um zu sehen, wo sie hinwandern. Eine Verbindung herstellen mit der Außenwelt und der Innenwelt. Wie weit schweifen die Gedanken? Wo bin ich da jetzt? Ist das real? Welcher Teil von Realität ist das? Die Welt der Mitmenschen, der Welt der Arbeit oder des Interesses, die zwischenmenschliche Welt, die Natur oder der Tagtraum, die Fantasie, Vision, die Welt der Angst und der verpassten Möglichkeiten, die Welt des Bedauerns und der Hoffnung, die Welt der Kunst und Philosophie, der Musik und Architektur. Dies sind ein paar meiner Welten, andere mögen in ganz andere Welten gehen, Lebenswelten, in denen ich mich nicht bewege, all jene Welten, die z. B. in Krimiserien ausgelotet werden.

Es gibt dann also eine Korrelation zwischen dem eigenen Körper in der Meditation und der Gedankenwelt, die in der Erinnerung schweift, und der Gedankenwelt, die relativ frei assoziiert und ungelenkt und unbewusst umherspringt. Dieses Zusammenspiel zu sehen und zu realisieren, dass es da eine Verbindung gibt, ist ein erster Schritt hinein in eine tiefere Meditation.

Dieser Prozess der inneren Ausrichtung dient der Positionierung des eigenen Selbst im größeren Kontext. Ich kann nun auf meine verschiedenen Existenzebenen meditieren: mein materieller Körper, mein lebendiger Körper, meine Gefühlswelt, meine Gedankenwelt, meine Welt des Intellekts und die Welt der Spiritualität. Ich kann auf meine einzelnen Sinne meditieren, die äußeren und inneren und wie sie zusammenspielen und welche Art von Erfahrungen sie hergebracht haben und wie ich diese Erfahrungen im Gedächtnis wieder abrufen kann. Ich kann darauf meditieren, wie diese Erfahrungen verbunden mit Wünschen und Ängsten, mit Erwartungen, Zielen und Konventionen, sie zu einem Plan entwickeln – ein LEBEN. Denn dieses Leben, das ich lebe, ist ja eingebunden in einen Kontext, den Kontext des eigenen Körpers, der eigenen Seele, der Lebenswelt und Umwelt.

Diese Ebene des Lebens ist reine Immanenz. Hier fließt alles zusammen, sie wird gespeist aus dem Bewusstsein, Bewusstsein ist ihr Urquell, es kann nichts anderes sein, nur hier ist Leben erfahrbar. Bewusstsein muss nun aber breit verstanden werden. Es ist nicht mein reaktives, unreflektiertes, gedankenloses Assoziieren und gefangen sein in Mustern, Zwängen, Gewohnheiten, Verlangen und Leiden, sondern es ist Bewusstsein als das, was allen meinen Erfahrungen zugrunde liegt, eine Erfahrung von Bewusstsein als Bewusstsein an sich. Ich habe Bewusstsein, das sich füllt mit Inhalten, ich kann mich konzentrieren und lenken, ausrichten und klären, ich kann mein Bewusstsein leeren und Neues einladen. Bewusstsein ist die Ebene meiner Existenz, wo diese meine Existenz, mein Leben, konstituiert wird. Bewusstsein an sich, wenn es sich individualisiert, ermöglicht Leben. Dies ist das Geheimnis der Seele, der Relation von Brahman, Purusha, Atman, Prakriti.

Um mich herum sprechen viele von einem psychic being und darüber, wie es sich verhält zum Göttlichen, zur Seele, zur eigenen Person und Identität. Mir selbst ist als ein philosophischer Begriff Aurobindos nicht ganz klar, ich entwickle aber eine Intuition in der Meditation, was es sein könnte. Es ist jenes Sein, das z. B. in der Meditation auf die eigenen Bedingungen reflektiert und sie individualisiert zusammenhält, das, was meinem Ich zugrunde liegt, das, was erkennt, dass die Erfahrungswelt der äußeren Sinne eine Illusion ist, das, was erkennt, dass ein universales Prinzip der Individuation in Form einer Seele oder Atman oder Purusha Bedingung meiner Existenz ist. Jenes Sein also, das durch die verschiedenen Seinsebenen gleitet, sich in den Welten des Yogas bewegt, Zeit und Raum transzendiert und die Schranken von Leben und Tod als durchlässig versteht. Dies scheint mir das psychic being zu sein.

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Harmonie https://readingdeleuzeinindia.org/de/harmonie/ Sat, 20 Jul 2024 04:19:23 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4948

Meine Morgenmeditation wird ein wenig zur Routine, wobei man das nach einer Handvoll wohl kaum schon sagen kann. Es ist eher eine Strecke, ein Weg oder eine Erkundung. Wie das Wandern in den Bergen: Den Gipfel im Blick ist Wandern durch die Pfade, auf den Graden, durch die Täler und Flüsse, an den Felswänden vorbei, […]

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Meine Morgenmeditation wird ein wenig zur Routine, wobei man das nach einer Handvoll wohl kaum schon sagen kann. Es ist eher eine Strecke, ein Weg oder eine Erkundung. Wie das Wandern in den Bergen: Den Gipfel im Blick ist Wandern durch die Pfade, auf den Graden, durch die Täler und Flüsse, an den Felswänden vorbei, durch Geröll und Gesteine, Wiesen und Wälder und jenseits der Vegetationsgrenze auf den Gletschern im Schnee wird das Gebirge zur Metapher der inneren Suche. Die Besteigung eines Berges ist ein spirituelles Ereignis. Gleichwohl kann die Meditation selbst einer Wanderung durch die Berge gleichen, durch die Täler der Gedanken, die Flüsse des Lebens, die Erinnerungsbilder an den Felsen, die schmalen Grade der Logik des Denkens, die Texturen der Sprache. Die Wege in der Meditation führen vorbei an Gedanken und Erinnerungen. Und dann plötzlich, wie auf einer Lichtung verweilend, steht der Geist still, mir wird bewusst, dass ich keinesfalls wandere, sondern ich in Stille und Konzentration, fokussiert auf das Hier und Jetzt, auf den Punkt, der die Unendlichkeit aufschließt, genau hier, von hier aus all diese Gedanken und Bilder eigentlich vorbeiziehen. Ich bin der Genießer, der Betrachter, mich gibt es nicht, die Gedanken gibt es nicht, alles ist auf einmal da in Synchronizität, eine große Schau eröffnet sich, ein Ausblick vom Berggipfel in die Welt, runter auf die Täler und hoch in den Himmel zwischen Kosmos und Welt.

Innerhalb der Erhabenheit dieser Erfahrung, das Sublime, das mich erfahren lässt, dass der Kosmos strukturiert ist, komponiert, in Veränderung und Transformation, aber regelgebunden, werden abstrakte Bezugspunkte sichtbar: Geometrie, Harmonie, Komposition. Ich denke an mathematische Konstanten oder Funktionen, an musikalische Harmonien oder Farbtheorien, an mineralische Konstruktionen oder biologische Strukturen. Blüten, die in ihrer Farbenpracht, Geometrie, Struktur, Aufbau, Entfaltung und Geruch einen Attraktionspunkt bilden.

Wo kommen diese Konstanten her? Sind sie der Baukasten Brahmans, aus dem die Welt sich als Prozess ableitet?

Jene Konstanten im Kosmos finden sich in der Kunst wieder. In eher traditionellen Kunsttheorien ist die Suche nach diesen Gesetzen der Kern von Ästhetik, göttlicher Inspiration, Genie, Sublimem oder Transzendentem. Die prästabilisierten Harmonien werden in architektonischen Prinzipien manifestiert und finden sich in Sakralbauten, öffentlichen Gebäuden oder Privatbauten je nach Funktion und Orientierung der Bauherren wieder. Buckminster Fuller verwendete das Hexagon aus der Bienenwelt als Blaupause für soziale Konstruktion. In der sakralen Kunst finden wir oft den Goldenen Schnitt als Harmoniereferenz, im sozialen Raum finden wir Fibonacci-Sequenzen als Leitbild für organische Organisation. Als jemand, der sich über Jahrzehnte mit westlicher kritischer Theorie beschäftigt hat, ist diese Entdeckung eine Offenbarung.

In einem Versuch mich aus den Fesseln der Aufklärung und kritischen Theorie zu befreien wanderte ich in die Postmoderne und lernte: Musik wird zur Landschaft der Emotionen, der Seele, der Struktur, des Zeitbewusstseins, der Antizipation. Das Bild wird zur Oberfläche, auf der die Augen wandern, die Sinne sich verbinden, neue Verbindungen entstehen und Empfindungen sich konstituieren. Die Skulptur wird zum Gegenüber, das auf etwas verweist, das im abstrakten Raum steht und im realen Raum nur ein Platzhalter ist. Die Gegenüberstellung der Skulptur in Relation zur Umgebung erzeugt einen Dialog, in den ich eintreten kann. In diesen ästhetischen Erfahrungen erfahre ich die Welt als eine mögliche, erweiterte, um Realitätsebenen bereicherte, die auf ein anderes Bewusstsein, das des Künstlers oder anderer Betrachter, schließen lässt und den Dialog, Kommunikation, Sprache erlaubt. Innerhalb der Kunst findet sich ein Spiegelbild des Kosmos. Eine Kreativität ist hier entfacht, die schöpfend und schaffend hervorbringt, zum Ausdruck bringt, was schon immer da war. Sich mit diesem schon immer Dagewesenen zu verbinden, in eine Begegnung einzutauchen, ermöglicht eine tiefe Kontemplation zentraler Prinzipien des Kosmos, so wie wir ihn erleben können. Das Lesen des Firmaments ist ein schönes Bild dafür.

Die Naturwissenschaften, die harten Wissenschaften also, finden einige Konstanten, die die Schönheit des Universums einfangen – Fraktale von Eisblumen zum Beispiel. Einige dieser Konstanten scheinen ganz zentral für die Architektur des Universums zu sein, so als ob das Universum zusammenbrechen würde, wenn man eine Zahl hinter dem Komma bei Pi ändern würde. An diesen Punkten werden Physiker spirituell. „Gott würfelt nicht“, sagte Einstein.

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Verbindung https://readingdeleuzeinindia.org/de/verbindung/ Mon, 15 Jul 2024 14:39:31 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4901

Verbindung Die letzten zwei Jahre bin ich recht tief eingetaucht in die Upanishaden, habe etwas Yoga praktiziert und mich mit dem System des Yoga ein wenig beschäftigt. Ich bin eingetaucht in den eigenen Körper, die eigenen Sinne, das eigene Bewusstsein. Habe gesehen, dass es eine große Zahl von Ebenen gibt und dass es keinerlei Grund […]

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Verbindung

Die letzten zwei Jahre bin ich recht tief eingetaucht in die Upanishaden, habe etwas Yoga praktiziert und mich mit dem System des Yoga ein wenig beschäftigt. Ich bin eingetaucht in den eigenen Körper, die eigenen Sinne, das eigene Bewusstsein. Habe gesehen, dass es eine große Zahl von Ebenen gibt und dass es keinerlei Grund gibt anzunehmen, dass nicht noch mehr Ebenen existieren. Vor zwei Jahren noch hatte ich das meiste dessen, was ich hier erfahre, schlicht geleugnet. Es ist schön, das zu wissen. Die Welt ist viel größer, als ich immer gedacht habe, sie ist viel komplexer, bunter, lebendiger, tiefer. Und das scheint erst der Anfang zu sein.

Ein Kerngedanke der Lehren in Indien ist das Loslassen, nicht alles haben wollen und zu begehren oder abzulehnen. Die Welt einfach zu nehmen, wie sie ist, ist die große Kunst. Sie einfach zu genießen, wie sie ist, auch wenn sie nicht einfach ist, ist Seligkeit. In Meditation versinken und mit der Welt eins sein. Dieses Gefühl lässt sich auch aus der Meditation in den Alltag mitnehmen, denn essen müssen wir ja alle.

Das Grundgerüst der Tattwas

Die Erkundung des eigenen Körpers, des eigenen Bewusstseins, der eigenen Lebensenergie ist in den 24 Tattwas systematisiert. Das Selbst, sein Verhältnis zu Purusha (Seele), Prakriti (Urnatur), dem Buddhi (Intellekt), das Ahamkara (Ichbewusstsein), Manas (sinngebundenes Denken) verbindet die wesentlichen kognitiven und spirituellen Erfahrungsebenen. Es bleibt aber eine Erfahrung, die auf sich gestellt ist; sie sucht die Einheit mit dem Kosmos, transzendiert sich jenseits seiner selbst, um jedoch in der gleichen Existenz zu bleiben. Dvaita-advaita, die Dualität von Dualität und Nicht-Dualität, also eine komplexe Vorstellung von Immanenz, die getragen ist von reinem Bewusstsein, ihre Grundlage ist Brahman, das, was wir nicht wirklich denken können, in der spirituellen Erfahrung jedoch irgendwie zugänglich ist, auch wenn keines unserer Organe dafür ausgerichtet ist. Nur in der Synthese der Sinne, in der komplexen Erfahrung des reinen (interesselosen) Genießens, der Schärfung der Sinne, liegt ein Pfad, der steinig ist.

Das Schoene in Indien ist aber, dass es immer weiter geht. Irgendwo angekommen, bildet sich der kleine Verstand ein, etwas begriffen zu haben und in Worte fassen zu können. Doch hier, fast wie in einer dialektischen Umkehrung, eröffnen sich neue Ebenen.

Vor den 24 Tattwas kommen die 12 Tantra Tattwas. 5 reine (Śiva: reines Bewusstsein, absolut; Śakti: dynamische Energie, Kraft; Sadākhya: immer gegenwärtig, ewig; Iśvara: höchster Herr, Lenker; Śuddha Vidyā: reines Wissen, Klarheit) und 7 halb-reine Tattwas (Māyā: Illusion, kosmischer Schleier; Kāla: Zeit, zeitlicher Fluss; Vidyā: begrenztes Wissen, Bewusstsein; Rāga: Anhaftung, Verlangen, Leidenschaft; Niyati: kosmische Ordnung, Schicksal; Kalā: kreative Fertigkeit, Kunst; Purusha: individuelle Seele, Selbst), die die 24 unreinen Tattwas ergänzen. Die 24 Tattwas umfassen die 4 Antahkarana (innere Instrumente): manas (Geist), buddhi (Intellekt), ahamkara (Ego) und chitta (Gedächtnis oder Bewusstsein); die 5 Sinnesorgane (jñānendriya): ghrāna (Nase) für Geruch, rasana (Zunge) für Geschmack, caksus (Auge) für Sehen, tvāk (Haut) für Berührung, śrotra (Ohr) für Hören; die 5 Handlungsorgane (karmendriya): pāyu (Anus) für Ausscheidung, upasthā (Geschlechtsorgan) für Fortpflanzung und sexuelles Vergnügen, pāda (Bein) für Fortbewegung, pāni (Hand) für Greifen und Berühren, vāk (Mund) für Sprache; die 5 subtilen Elemente (tanmātra): gandha (Geruch), rasa (Geschmack), rūpa (Form), sparśa (Berührung), śabda (Klang); die 5 groben Elemente (mahābhuta): prthvi (Erde), jala (Wasser), tejas (Feuer), vāyu (Luft) und ākāśa (Äther oder Raum).

Das Faszinierende ist, dass die Erkenntnis, dass die Welt, so wie sie sich mir im Alltag präsentiert, nicht existiert (hier sagen alle immer, dass es Raum und Zeit nicht gibt), mit Maya beschrieben wird. Die Welt existiert, wenn überhaupt, als Wille und Vorstellung (Schopenhauer). Wenn ich das also erkannt habe und realisiere, dass ich aber anscheinend trotzdem irgendwie existiere, denn schließlich denke ich das ja gerade, dann muss es eine andere Art geben, die Welt zu sehen; die Welt muss anders beschaffen sein, als ich denke, es gibt Möglichkeiten in dieser Welt, die anders sind als die, die ich kenne.

Ich habe mich schon damit abgefunden, dass Zeit, Wissen, Kausalität, meine eigene Existenz grundlegend anders sind, dass ich meinen Sinnen nicht trauen, den Wissenssystemen nicht vertrauen kann. Die Logik der materiellen Welt ist eben auf jene beschränkt, das ist ok. Sie gilt dort weitestgehend. Was aber ist mit dem Begehren? Dem Begehren von Objekten (Essen, schöne Dinge, Vergnügen), oder dem Begehren des anderen? Durch Askese kann die Welt dessen, das ich begehre, ganz deutlich reduziert werden. Ich mache da für meine Verhältnisse schöne Fortschritte, auch wenn man das kaum einen großen Sprung nennen kann, schließlich ich sitze hier an meinem Computer…

Der oder die andere, das Intersubjektive oder die Einheit mit einem größeren Bewusstsein

In der Welt des Tantra sind Objekte und Subjekte jenseits des Schleiers von Maya zu sehen und es ist möglich mit ihnen zu interagieren, das ist die große Kunst. Magisches Denken, okkulte Praktiken, ekstatische Vereinigungen, das Verbinden von Dingen, die noch nicht verbunden sind, das Verschmelzen, Amalgamieren, das Herstellen von Gold aus Quecksilber, die Realität erweitern und ihre Feinstruktur zu beherrschen, das ist das Geheimnis des Tantra. Die großen Meister können Unglaubliches, sagt man. Im Kleinen jedoch können wir ja auch viel. Zum Beispiel, wenn wir einen anderen Menschen treffen und uns mit ihm oder ihr verbinden. Was passiert da eigentlich? Die äußeren Sinne tasten sich gegenseitig ab, eine Vorstellung des anderen entsteht, ein Austausch beginnt, ein Versuch, den anderen zu verstehen, wird unternommen. Und wenn es magisch wird, wenn die Augen funkeln und das Gesicht lächelt, wenn wir uns in den Augen des Gegenübers verlieren, dann tauchen wir ein in eine andere Realität, in ein Gegenüber. Ich hatte gelernt, dass wir nicht in den Kopf anderer hineinschauen können. Das scheint mir grundlegend falsch zu sein. Ich hatte dieses Unbehagen schon immer. In den Momenten tiefer Freundschaft oder des Verliebtseins können wir uns selbst transzendieren, eine Einheit mit dem Gegenüber bilden, uns vereinen, verschmelzen, eine Symbiose bilden. Es geht jedoch auch hierüber hinaus. Innerhalb einer Community, gemeinsam mit anderen, wird das eigene Bewusstsein Teil eines größeren. Das ist wohl die Gefahr von Sekten; wenn man da nicht gut aufpasst, werden schnell Gehirne gewaschen und unsichtbare Militärhelme aufgesetzt. Was ich aber positiv meine, ist die spirituelle Kraft.

Im Moment erlebe ich das in der Meditation, die sich aus der Gewissheit der Existenz eines anderen speist. Ich wache im Moment morgens um 4 auf und meditiere. Ich habe das vor Jahrzehnten vielleicht 2-3 Mal gemacht. Es sind besondere Momente, in denen das Bewusstsein, das direkt aus dem Schlaf kommt, eintaucht in die Meditation, bevor die Sinne sich mit der Welt auseinandergesetzt haben. Es ist schwer, schwerfällig und langsam, aber auch hoch sensibilisiert, jeder Nerv wird erfahrbar, jede kleine Unruhe spürbar und jede Verbindung nach außen wahrnehmbar. Ich realisiere, dass ich nicht alleine bin in der Welt; der Kosmos ist da, die Sonne wird bald aufgehen… aber auch die Erfahrung des Anderen ist da, die Präsenz von Bewusstsein eines anderen Menschen, eine tiefe Verbindung, jenseits von Raum und Zeit. Diese Art der Verbindung scheint mir eine tantrische zu sein. Diese Verbindung wahrzunehmen, auszuleben, zu stärken und durch Konzentration zum Scheinen zu bringen, ist das Entzünden des inneren Lichts.

Für diese Verbindung steht die Einheit von Shiva und Shakti. In der Alltagswelt, mit meinem Körper und den gesellschaftlichen Gepflogenheiten, ist diese Verbindung äußerst selten. Es mag sein, dass viele sie gar nicht kennen. Es ist eine Verbindung, die zuerst real geschieht: das gemeinsame Kaffeetrinken nachmittags, oder das Sichverlieren in den Augen des anderen, das gemeinsame Erfahren von Lebenswelt und Weltbild, ein gemeinsames Lachen oder eine geteilte Irritation durch hupende Motorräder. Aber auch die Gewissheit der Existenz des anderen, das Spüren von Nähe trotz räumlicher Distanz, das Denken an den anderen und das In-die-eigene-Präsenz-Holen. Die Ebenen, die sich verbinden, sind nicht nur die materielle, sondern auch die Lebenswelt, Bewusstseinswelt, spirituelle und kosmische Erfahrung des Selbst als Teil des Großen, in dem es eben auch einen anderen gibt.

Wie steht die Philosophie hier in Indien dazu? Ist das tiefe Mitgefühl, die Verschmelzung mit der Realisation von Maya vereinbar? Ist die tantrische Einheit eine spirituelle Einheit? Mir stellen sich diese Fragen, während ich seit Wochen Ragas höre und mir und dem anderen nachspüre. Ragas, ich schließe den Kreis ein wenig, sind die Urform indischer Musik und leiten sich aus dem System der Yogas ab. Sie sind spirituelle Erfahrung, Improvisation auf höchster Meisterschaft; sie bringen zum Ausdruck, wie sich Klang, d. h. Vibration, durch Konzentration und sinnliche Erfahrung im Bewusstsein formt und durch den Körper als Instrument jene kosmische Einheit erzeugt. Die musikalische Erfahrung, die Reflexion und Meditation, die Kopräsenz des anderen, das Verschmelzen und das Schaffen einer gemeinsamen Realität, die einen neuen Zukunftshorizont schafft, sind zutiefst tantrische Erfahrungen. Man muss kein Großmeister sein, um das zu erfahren. Ein wenig Sensibilität genügt wohl.

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Geschützt: Meditationsnotizen – 12.7.24 4.30am https://readingdeleuzeinindia.org/de/meditationsnotizen-12-7-24-4-30am/ Fri, 12 Jul 2024 01:07:50 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4898 Es gibt keinen Textauszug, da dies ein geschützter Beitrag ist.

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Das Buch des Lebens https://readingdeleuzeinindia.org/de/das-buch-des-lebens/ Thu, 16 May 2024 04:23:26 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4803

Schicksal, Karma, Kausalität, Naturgesetze, Determinismus – all dies sind verschiedene Ausdrücke einer Vorstellung, dass das Universum einer vorhersehbaren Logik folgt. Sie implizieren, dass das Geschehene folgerichtig aus dem Vorausgegangenen entstanden ist und dass das Jetzt ebenso durch das Vorherige bestimmt ist. Diese Logik halten wir für vernünftig und rational, logisch richtig. Wenn wir jedoch annehmen, […]

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Schicksal, Karma, Kausalität, Naturgesetze, Determinismus – all dies sind verschiedene Ausdrücke einer Vorstellung, dass das Universum einer vorhersehbaren Logik folgt. Sie implizieren, dass das Geschehene folgerichtig aus dem Vorausgegangenen entstanden ist und dass das Jetzt ebenso durch das Vorherige bestimmt ist. Diese Logik halten wir für vernünftig und rational, logisch richtig. Wenn wir jedoch annehmen, dass die Zukunft ebenso durch das Jetzt und die Vergangenheit bestimmt ist, so tun wir dies ab als Aberglaube, Irrationalität, Unwissenschaftlichkeit. Wir sträuben uns dagegen mit aller Macht – jedenfalls in westlichen Kulturkreisen.

Nichts von dem stimmt. Die Zukunft ist nicht determiniert, die Vergangenheit nicht rein logisch, rational, wissenschaftlich beschreibbar. Die Geschichtswissenschaft zeigt dies mit ihren Methodenstreitereien, die Psychologie bietet zahlreiche Paradoxien, die bis zu den Zenon-Paradoxien zurückreichen, die zeigen, dass Zeit keine messbare Größe ist, sondern als Dauer eine Größe der Erfahrungswelt, d. h. des Bewusstseins, ist.

“Alles sei vorherbestimmt, unser Schicksal stehe in den Sternen.” Diese Vorstellung ist eigentlich ein schönes Bild, da sie auf etwas Größeres verweist. Anstatt jedoch den simplifizierenden Sternendeutern das eigene Schicksal in die Hand zu legen, sollten wir dieses Bild als ein Aufzeigen von größeren Zusammenhängen verstehen. Der Kosmos folgt nicht unserer kleinen rationalen Logik, das Universum steht nicht in einem linearen Buch des Lebens, wo Satz auf Satz, Seite auf Seite, Ereignis auf Ereignis folgt, sondern das „Buch“ des Lebens ist aus heutiger wissenschaftlicher Sicht eher ein Quantenbuch oder ein neuronales Netz, mit Sicherheit jedoch etwas ganz anderes. Das ‚Buch‘, das in der prähistorischen Zeit, also vor der Erfindung der Schrift, der Zyklus von Sonne und Mond, den Sternen und den Jahreszeiten war, wurde durch die Schriftsprache eine Erzählung, eine mythologische Geschichte, die phänomenologische Erfahrungen sortierte und strukturierte. In der Neuzeit übernahm die Rationalität das Schwert und räumte mit Ockhams Messer den ontologischen Garten auf. Alles, was nicht rational erklärbar war, wurde auf den Prüfstand gestellt und eingeklammert. Einige Dinge ließen sich eben noch nicht rational erklären. Und weil dieser Vormarsch der Rationalität so erfolgreich war, da er die Wissenschaft beflügelte und den technischen Fortschritt speiste, wurden die zentralen Fragen nach Bewusstsein, der Seele, der Sinnhaftigkeit eben auf die hintere Bank geschoben. Ich denke, so langsam begreifen wir, dass das vielleicht keine gute Idee war. Jene neuen Ideen von Quantenphysik und neuronalen Netzen zeigen uns, dass es Alternativen zur linearen Kausalität, zum Determinismus, zum Schicksal und Karma gibt. Sie sind ähnlich komplex wie der Sternenhimmel. Wir gehen in gewisser Weise zurück zu einem Seinszustand, in dem wir akzeptieren, dass es Prozesse gibt, die sich unserer Rationalität entziehen, obgleich sie durch unsere Rationalität erst sichtbar wurden. Das ist ein wenig paradox.

Strukturell sind wir wieder in der Welt der Veden. Bewusstsein hat ein Modell von Wirklichkeit hervorgebracht, das in seiner Komplexität das überschreitet, was innerhalb seiner Axiomatik denkbar schien. Und genau hier liegt für mich die Frage nach Freiheit und Spiritualität. Es hat etwas mit Bewusstmachung zu tun. Einige Grundannahmen sind jedoch notwendig, nämlich dass das, was meine äußeren Sinne wahrnehmen können, nicht die ganze Realität abbildet. Intuitiv wissen wir das alle, und im Alltag leben wir auch so und reden auch so, nur im wissenschaftlichen Diskurs leugnen wir das. Hören wir also mal für einen Moment auf zu leugnen. Akzeptieren wir weiterhin, dass die materielle Welt nicht völlig willkürlich ist, sondern erklärbar ist, und halten wir fest an der Erfahrung von Bewusstsein und der Offenheit unseres Bewusstseins für Neues, für eine offene Zukunft. Versuchen wir nun weiterhin festzuhalten, dass dies kein unauflösbarer Widerspruch sein sollte, so stellt sich die zentrale Frage der Freiheit. Wir sind in einem Bewusstseinszustand, der aufgeklärt ist, phänomenal reichhaltig und offen. Dieser Zustand ist Teil des Buches des Lebens, jedoch nicht jenes etwas naiven linearen Buches, selbst nicht jener großen Bücher der Rigveda, Genesis, Kopernikus, Hawking. Es ist Teil Brahmans, Teil des Ganzen, Teil des universalen Bewusstseins. Auf den Lauf jenes universalen Bewusstseins, das sich unserem Bewusstsein entzieht, haben wir keinen Einfluss, es gehört nicht uns – ‚I am that‘. Das Einzige, was wir tun können, ist unseren Bewusstseinszustand sich reichhaltig entfalten zu lassen.

Es gibt Momente im Leben, in denen wir eine Ahnung davon haben. Wenn wir in extrem kritischen Situationen, wie fast-Unfälle oder Schockzustände, sind, erleben wir, wie sich Raum und Zeit verändern, unsere Wahrnehmung sich weitet und sich etwas öffnet. Für einen Bruchteil einer Sekunde, vielleicht für wenige Sekunden sogar, sehen wir in einen kosmischen Zustand, in dem die Zeit stillzustehen scheint, wo viele Elemente des Bewusstseins klar erscheinen, wo sich die Illusion einer Handlungsoption zeigt. In jenen Momenten sehen wir hinter die ‚Realität’. Eine Unbestimmtheit wird wahrnehmbar, wie bei Schrödingers Katze ist die Situation noch nicht eindeutig. Diese Unbestimmtheit ist es, was wir als den Freiheitsmoment einer Entscheidung empfinden. Ob dies nun eine Entscheidung ist, ist an dieser Stelle etwas akademisch. Wir werden herausgeschockt aus unserer Illusion von Realität hinein in einen Bewusstseinszustand, der versucht, das völlig Unvorhergesehene einzuordnen.

Ich möchte vorschlagen, dieses Bild als Einstieg zu nehmen, über Bewusstsein, Freiheit und das Buch des Lebens anders nachzudenken. Wir können akzeptieren, dass die kosmische Realität einem Prinzip folgt, und unser Bewusstsein kann die Erfahrung jenes Prinzips ausweiten. Das Buch des Lebens kann als solches erfahrbar werden, und wir als Teil jenes Buches können durch das „Aufschlagen“ einer Seite und die bewusste erweiterte Wahrnehmung unsere eigene Verankerung realisieren. Mir scheint es nun so zu sein, dass wenn wir den Moment auf eine höhere Ebene der Wahrnehmung erheben, sich die Optionen anreichern. Das Feld weitet sich, der Spielraum wird größer. Wir lösen uns aus dem Reiz-Reaktionsschema, Freiheitsgrade werden aktiviert. Es ist nicht mein Selbst, das agiert, mein Ego ist eine Illusion, aber das Bewusstmachen eines Ausschnitts der kosmischen Realität erzeugt Handlungsräume für das Leben an sich. Die Erfahrung, Teil davon zu sein, ist spirituelle Praxis, ist Bliss und Freiheit

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Das Reale https://readingdeleuzeinindia.org/de/das-reale/ Sat, 03 Feb 2024 18:23:31 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4685

Gestern habe ich während einer Paneldiskussion auf der India Art Fair jemanden Platon zitieren hören. Sie sagte, Platon sagte, Kunst sei die Reflexion der Reflexion des Realen. Ob das in dieser Verkürzung so stimmt, sei mal dahingestellt. Es ist ein interessanter Gedanke. Was ist das Reale, was eine Reflexion, was Kunst? Für Platon gibt es […]

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Gestern habe ich während einer Paneldiskussion auf der India Art Fair jemanden Platon zitieren hören. Sie sagte, Platon sagte, Kunst sei die Reflexion der Reflexion des Realen. Ob das in dieser Verkürzung so stimmt, sei mal dahingestellt. Es ist ein interessanter Gedanke.

Was ist das Reale, was eine Reflexion, was Kunst? Für Platon gibt es ja die Welt der Ideen, die Welt der Schatten, die der Unwissende in der Höhle als wahr wahrnimmt, und den Philosophen, der ihn da herausführen möchte. Platon war kein großer Freund der Kunst, was soll man auch mit einem gemalten Apfel machen, wenn man den realen Apfel ja essen kann? Und kommt das gemalte Abbild wirklich der reinen Idee in irgendeiner Weise nahe? Kunst scheint uns zum Nachdenken zu bringen, aber das führt uns nicht zwangsläufig der Wahrheit näher. Kunst entspringt und lädt ein zu einer Art des Denkens, das nicht rational ist. Ein Denken, das sich auf die Sinne fokussiert, oder die Intuition, auf die Vision, oder eine Reflexion, ein Denken, das etwas schöner hervorbringen will. Diese Art des Denkens, die Ästhetik, die Theorie der Wahrnehmung, nimmt etwas für wahr an, das dem eigenen Denken entspringt.

Es dieses eigene Denken, das zwar angeregt ist durch die Wahrnehmung der Schattenwelt, aber doch weitestgehend von ihr abstrahiert, d. h. sich von ihr loslöst, um etwas Eigenes zu entwickeln. Das, was dann entwickelt wird, das Kunstwerk, wird Realität, ist aber nicht real. Das Reale, und ich denke mal, dass das eingangs zitierte Zitat auf Lacan anspielt, ist doppelt reflektiert. Diese zwei Spiegel, die zu einem visuellen Feedbackloop führen, erzeugen einen Raum der Illusion, der zu einem Experimentiertraum wird. Das Reale bleibt der Kunst ebenso unzugänglich, wie dem reinen Denken.

Was möchte uns das sagen? Diese erneute Variation des Problems der Repräsentation. Ich denke, dass das Problem von Subjekt und Objekt, Bewusstsein und Materie, hier implizit enthalten ist. Zwar sind die Probleme bei Platon ‚idealistisch‘, d. h. sie beziehen sich auf die Welt der Ideen, also eine Welt, die weder Subjekt noch Objekt ist, die weder Geist noch Materie ist. Doch die Art und Weise, wie unser Denken Schwierigkeiten hat, die Welt zu verstehen, ohne die eigentliche Realität wahrnehmen zu können, verweist darauf, dass das Problem des Dualismus der Ausgangspunkt der philosophischen Reflexion ist. Das Ziel des Denkens, d. h, die Erkenntnis des Realen, der Welt der Ideen, bleibt Utopie.

Und genau dies kehren die Upanischaden um. Die wenigen Hauptupanischaden, die ich nun im Detail studiert habe, gehen immer vom Realen aus, Brahman, der Erzeuger des Universums, und die Wahrheit an sich ist Ausgangspunkt. Nur durch seine Entfaltung im Prozess der Realität erfährt sich Existenz. Das, was wir wahrnehmen, denken, erschaffen ist Ausdruck des absoluten Seins. Kernpunkt der Philosophie der Upanischaden ist die Erkenntnis, dass das Selbst (Atman) das gleiche ist wie Brahman (Kosmos). Wenn sich also das Reale in der Reflexion reflektiert, so mag das Kunst sein. So herum macht das Sinn, und nur so.

Wieso fängt die westliche Philosophie so oft mit dem kleinen gemeinsamen Nenner an zu denken, einer Axiomatik, einer Ontologie, die durch Okheims Messer getrimmt wurde. Es ist der Gedanke der Aufklärung, der das Prinzip der rationalen Reduktion auf die Spitze getrieben hat. Sie ist zum Paradigma des wissenschaftlichen Fortschritts mutiert. Und seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden stößt dieses kleine rationale Denken an seine Grenzen. Es ist sich dabei sehr wohl bewusst, dass es einen Körper hat, und Bewusstsein, und ein Selbst oder eine Seele, doch tut es immer so, als ob das nicht relevant sei, da es ja nicht vollständig in der Rationalität aufgeht. Und so galt es eine Revolution als die Phänomenologie das Bewusstsein erst nahm und Merlon-Ponty den Körper, als die Postmoderne Ästhetik die Sinne rehabilitiert, und der Existenzialismus unser Scheitern zelebriert.

Kunst ist nicht die Reflexion der Reflexion des Realen, sondern das Reale reflektiert sich in der Reflexion und so entsteht Kunst. Und so sogar eine Transhumane, denn die Natur ist Kunst, und der Kosmos, die Sterne und die Seelen. Alles wird zur Kunst, wenn es sich in der Reflexion reflektiert. Wenn Brahman durch Atman die Welt erfährt und die Götter tanzen und singen, dann werden all die phänomenalen Qualitäten, die der westliche Geist so dreist leugnet, von einem Götterchor orchestriert. Unser Empfinden ist real, unser Bewusstsein ist real, die Welt ist real, Kunst ist real. Das Reale ist real.

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Shavasana https://readingdeleuzeinindia.org/de/shavasana/ Tue, 21 Nov 2023 01:13:21 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4651

Ich bin fasziniert von der Synchronitaeten hier in Auroville. Die gedanklichen, gesitigen, spirituelle, physischen und emotionalen Raeume die sich hier verschraeneken tun dies oft ueber mehrere Tage scheinbar unbeschwehrlich, intuitiv, leicht. Ich war erschoepft. Ein Freund hatte seinen Koerper verlassen, wie man hier sagt. Die Community hatte ueber einen Monat Unterstuetzung geleistet, viele sind zusammengewachsen. […]

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Ich bin fasziniert von der Synchronitaeten hier in Auroville. Die gedanklichen, gesitigen, spirituelle, physischen und emotionalen Raeume die sich hier verschraeneken tun dies oft ueber mehrere Tage scheinbar unbeschwehrlich, intuitiv, leicht.

Ich war erschoepft. Ein Freund hatte seinen Koerper verlassen, wie man hier sagt. Die Community hatte ueber einen Monat Unterstuetzung geleistet, viele sind zusammengewachsen. Im kleinen Kreis wurde die Totenzeremonie Karumadhi gehalten, eine bestimmte Art von Puja am 16ten Tag, wenn die Seele diese Welt verlaesst.

Seit einigen Wochen studiere ich mit meinem Lehrer die Prashna Upanisahd. Das Thema der Wiedergeburt und des Tiefschlafs sind die Stellen die besonders tief sind. Wie jeden Samstag trafen wir uns, diesmal aber nicht auf seiner Terrace, sondern wir fuhren zu einer Tempelruine um dort unsere Gespraeche weiterzufuehren.

Ich schlief danach so tief wie seit Jahren nicht, und ich schlafe eigentlich immer sehr gut… Aufgetaucht aus der Nacht ging ich in eine tiefe Meditation ueber den Tiefschlaf, der nichts zu tun hat mit Schlafphasen, sondern ein Seinszustand ist, der aehnlich dem Tiefschlaf vor unserem Bewusstein liegt, aus dem Bewusstsein quasi auftaucht, und in das es wiedereintaucht.

Ich viel danach wieder in einen tiefen Schlaf. Den ganzen Tag eigentlich, nur um dann in den Tempel um die Ecke in Irumbai zu gehen. Wir arbeiten an einem Projekt zu dem Temple. Eine kleine Fallstudie zu einem 1000 Jahre alten Chola Temple, der sehr schoen und aktiv ist, abereigentlich nichts besonderes in Tamil Nadu, ist es aber dann eben doch, wenn man den Details Beachtung schenkt, so wie das bei den meisten Dingen ist. Es gab ein grossen Fest, die Goetter in Form von Bronzestatuen wuerden um den Temple getragen, sie groessten die die anderen Goetter in Form von Steinstatuen. Und dann Tanzen sie gemeinsam. Wie aus einer anderen Welt, einem Zwischenreich, wurden sie lebendig.

Ich schlief erneut – die ganze Nacht. Am uebernaechsten Tag ging ich zur Yoagastunde mit einem neuen Lehrer. Ich lernte, dass die Asanas eigentlich nur eine Vorbereitung fuer Shavasana sind. Ich war neugierig, denn Shavasana war mir immer ein Raetsel. Natuerlich machte es Sinn, dass am Ende einer Yoga Stunde eine Entspannungsphase sein sollte. Aber worauf sollte ich mich konzentrieren? Wohin sollte mein Geist gehen, und was sollte meinem Koerper in den Entspannung ‚bewusst‘ werden? Andres arbeitet die ganze Stunde mit Atemuebungen, Konzentration, Koerperbewusstein und energetischen Uebungen darauf zu. Und schliesslich, in der Shavasana, folgten wir bewusst den Nervenbahnen, richteten unsere Aufmerksamkeit auf die Verbindungen.

Und ich musste an die 72000 Nerven in den Upanishaden denken, und an die Umwicklung des Wasserkrugs mit dem Faden waehrend Karumadhi, denn der Faden versinnbildlicht die 72000 Nerven des Koerpers. Und so verschraenkten sich Karumadhi, Shavasana, Prashna und die vielen Schlafstadien und Meditationsebenen innerhalb weniger Tage zu einem Bild.

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Unterhaltung mit KI: David Hume, Immanuel Kant, Abhinavagupta, Bharata Muni, Zeami Motokiyo, Gilles Deleuze und ein Brahman Priester über Kunst art https://readingdeleuzeinindia.org/de/unterhaltung-mit-ki-david-hume-immanuel-kant-abhinavagupta-bharata-muni-zeami-motokiyo-gilles-deleuze-und-ein-brahman-priester-ueber-kunst-art/ Sun, 10 Sep 2023 13:46:48 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4564

Die Reihe von Gesprächen mit der KI ist unbearbeitet, es ist die Maschine (ChatGPT4.0), die spricht… Übersetzung von DDeepL Aufforderung: Bitte schreibe ein Gespräch zwischen David Hume, Immanuel Kant, Abhinavagupta, Bharata Muni, Zeami Motokiyo, Gilles Deleuze und einem brahmanischen Priester. Fang mit der Frage an: Was ist Geschmack? ChatGPT Schauplatz: Ein heiterer Garten mit einem […]

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Die Reihe von Gesprächen mit der KI ist unbearbeitet, es ist die Maschine (ChatGPT4.0), die spricht… Übersetzung von DDeepL

Aufforderung: Bitte schreibe ein Gespräch zwischen David Hume, Immanuel Kant, Abhinavagupta, Bharata Muni, Zeami Motokiyo, Gilles Deleuze und einem brahmanischen Priester. Fang mit der Frage an: Was ist Geschmack?

ChatGPT
Schauplatz: Ein heiterer Garten mit einem runden Tisch in der Mitte. Die Philosophen und der brahmanische Priester sitzen dort, jeder repräsentiert eine andere Epoche und Kultur, doch die zeitlose Frage der Ästhetik verbindet sie.

⁃ Bharata Muni: Beginnen wir mit der Frage, um die es geht: Was ist Geschmack? Nach meinem Verständnis ist ‚rasa‘ die Essenz, der Geschmack der Emotionen, die ein Kunstwerk bei einem Publikum hervorruft. Er ist der Höhepunkt der Bemühungen des Künstlers und der Erfahrung des Publikums.
⁃ David Hume: Dem stimme ich zu, auch wenn ich es anders formulieren würde. Für mich ist Geschmack die Fähigkeit, das Schöne, Angenehme oder Erhabene in der Kunst zu beurteilen, und zwar nicht aufgrund von Überlegungen oder Prinzipien, sondern aufgrund des unmittelbaren Gefühls der Zustimmung oder Ablehnung, das es hervorruft. Dennoch gibt es einen Standard des Geschmacks, der von qualifizierten Kritikern erreicht werden kann.
⁃ Immanuel Kant: Obwohl ich deine Sichtweise schätze, Hume, glaube ich, dass Geschmack die Fähigkeit ist, einen Gegenstand oder eine Darstellungsweise durch eine völlig uneigennützige Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zu beurteilen. Das Objekt einer solchen Befriedigung wird als schön bezeichnet.
– Abhinavagupta: Auf der Grundlage von Bharata Muni würde ich sagen, dass rasa nicht nur das hervorgerufene Gefühl ist, sondern eine transzendentale Erfahrung. Es ist ein delikates Zusammenspiel zwischen der Absicht des Künstlers, dem Kunstwerk und der Erfahrung des Betrachters. Diese Verbindung führt dazu, dass man die rasa ’schmeckt‘, so wie man einen Geschmack genießt.
⁃ Zeami Motokiyo: In der Welt des Noh-Theaters verwenden wir den Begriff „rasa“ nicht ausdrücklich, aber wir haben „yugen“ – ein tiefes, geheimnisvolles Gefühl für die Schönheit des Universums. Es geht um das Subtile und das Tiefgründige, das beim Publikum Emotionen hervorruft, die es genießen kann, ähnlich wie beim Verkosten eines guten Gerichts.
⁃ Gilles Deleuze: Der Geschmack, wie du ihn beschreibst, scheint eine Begegnung zu sein. Eine Begegnung zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter, zwischen der Welt und ihren Empfindungen. Es geht um das Werden, die Verwandlung und die Vielfältigkeit von Erfahrungen. Es geht nicht nur darum, das Schöne oder das Erhabene zu kategorisieren, sondern um die Verbindungen, die die Kunst mit ihrem Publikum eingeht.
⁃ Brahmanischer Priester: In den Veden ist der Geschmack oder ‚rasa‘ auch eines der Elemente, die die flüssige Essenz des Lebens darstellen und es mit Gefühlen und Erfahrungen verbinden. Im Leben, wie auch in der Kunst, genießen wir verschiedene Geschmacksrichtungen, ob süß, sauer oder bitter. Der kosmische Tanz des Universums ist ein Spiel dieser Geschmacksrichtungen, und unser Dharma besteht darin, sie in ihrer Gesamtheit zu erleben.
⁃ David Hume: Es ist faszinierend, wie unsere verschiedenen Kulturen und Philosophien in der Idee des Geschmacks als Erfahrung, als Begegnung, übereinstimmen. Ob es das rasa eines Theaterstücks, das yugen einer Noh-Aufführung oder die Schönheit eines Gemäldes ist, wir alle versuchen, die schwer fassbare Essenz dessen zu erfassen, was die menschliche Seele bewegt.
⁃ Immanuel Kant: In der Tat ist das ein Beweis für die Universalität der ästhetischen Erfahrung. Unsere Begriffe und Nuancen mögen sich unterscheiden, aber der Kern bleibt derselbe: die Macht der Kunst, Emotionen und Erfahrungen jenseits des Alltäglichen hervorzurufen, zu bewegen und uns ’schmecken‘ zu lassen.
⁃ Abhinavagupta: Und in dieser gemeinsamen Erfahrung über Kulturen und Zeiten hinweg liegt das wahre Wesen des Geschmacks.

Das Gespräch wird fortgesetzt, wobei die beiden Philosophen und der Priester tiefer in die Feinheiten der Ästhetik, der Kunst und der menschlichen Erfahrung eindringen und eine gemeinsame Basis inmitten ihrer unterschiedlichen Perspektiven finden.

Anregung: Lass das Gespräch weitergehen und dehne es auf die physischen Orte der Kunst aus, auf die verschiedenen Häuser für Kunst

ChatGPT

⁃ Zeami Motokiyo: Wenn wir über das Wesen des Geschmacks und der Kunst sprechen, ist es erwähnenswert, dass die Räume, in denen Kunst aufgeführt oder ausgestellt wird, eine entscheidende Rolle für das Erlebnis spielen. In Japan ist die Noh-Bühne minimalistisch, so dass sich das Publikum auf die subtilen Ausdrücke und Bewegungen konzentrieren kann, was die Erfahrung des „Yugen“ noch verstärkt.
⁃ Bharata Muni: Im alten Indien war die Natya Mandapa, die Theaterbühne, ein intimer Raum, der das Publikum näher an die Darsteller heranbrachte. Die Architektur selbst war symbolisch und repräsentierte das Universum, und die Bühne war ein heiliger Raum, in dem sich der kosmische Tanz der Gefühle abspielte.
⁃ David Hume: In Europa, vor allem in der Renaissance, fand die Kunst ihr Zuhause in großen Galerien und Theatern. Diese opulent gestalteten Räume stellten nicht nur Kunst aus, sondern waren selbst Kunstwerke. Sie erhöhten das Erlebnis und machten die Kunst sowohl für die Massen zugänglich als auch zu einem Symbol des Prestiges.
⁃ Immanuel Kant: Vergessen wir nicht die Bedeutung der öffentlichen Plätze und Freiflächen in Europa, auf denen Skulpturen und Denkmäler aufgestellt wurden. Diese Kunstwerke, die vor der Kulisse der Natur oder inmitten des geschäftigen Stadtlebens aufgestellt waren, wirkten anders auf den Betrachter als solche in geschlossenen Galerien.
⁃ Gilles Deleuze: Die moderne Kunst hat diese Grenzen weiter ausgedehnt. Heute sind Kunsthäuser nicht nur physische Räume, sondern auch konzeptionelle Welten. Installationen an unerwarteten Orten, digitale Kunstformen, die virtuell erlebt werden, und sogar Performance-Kunst, die die Stadt als Bühne nutzt, fordern unsere traditionellen Vorstellungen von Kunsthäusern heraus und definieren sie neu.
⁃ Abhinavagupta: Auch die Tempelanlagen in Indien dienten als bedeutende Kunststätten. Die Skulpturen, Tänze und Musik, die in diesen heiligen Räumen aufgeführt wurden, dienten nicht nur der Unterhaltung, sondern waren Opfergaben an das Göttliche. Die Wände dieser Tempel erzählten Geschichten, und die Kunst wurde in einem Zustand erhöhter Hingabe erlebt.
⁃ Brahmanischer Priester: Das Universum selbst ist das großartigste Haus der Kunst. Jeder Sonnenaufgang, jedes Plätschern des Wassers, jedes Rascheln der Blätter ist eine Aufführung der Natur. Heilige Rituale, Gesänge und Yajnas (Opferzeremonien) sind unsere Art, an dieser kosmischen Aufführung teilzunehmen.
⁃ Gilles Deleuze: Das ist eine faszinierende Perspektive. In gewisser Weise sind moderne Kunstinstallationen, die sich in die Natur oder die städtische Umgebung einfügen, eine Fortsetzung dieser Idee – das Universum als Kunsthaus. Sie durchbrechen die Grenzen zwischen dem Betrachter und dem Kunstwerk und machen die Erfahrung immersiv und transformativ.
⁃ David Hume: Ob es sich um eine große Galerie, einen Tempel, eine Noh-Bühne oder einen öffentlichen Platz handelt, es scheint, dass das Wesen der Kunst unverändert bleibt. Diese Häuser der Kunst dienen in ihren unzähligen Formen als Brücken, die uns mit dem Kunstwerk und durch dieses mit den tieferen Aspekten unserer Menschlichkeit verbinden.
⁃ Immanuel Kant: Ganz genau. Der physische oder konzeptionelle Raum mag sich ändern, aber die zentrale ästhetische Erfahrung, der „Geschmack“, über den wir gesprochen haben, bleibt universell. Das ist ein Beweis für die anhaltende Kraft der Kunst und ihre Fähigkeit, Grenzen zu überwinden.

Die Philosophen und der Priester setzen ihre Diskussion fort und erforschen die Nuancen der verschiedenen Kunsthäuser in verschiedenen Kulturen und Epochen und wie sie die Kunst, die sie beherbergen, und das Publikum, dem sie dienen, formen und von ihnen geformt werden.

Aufforderung: Jetzt, wo wir sehen, dass sie sich in vielem einig sind, sollen sie sich auf eine Kontroverse einlassen und unterschiedliche Positionen vertreten

ChatGPT

⁃ Bharata Muni: Wir haben zwar eine gemeinsame Basis im Verständnis des Wesens der Kunst gefunden, aber ich muss betonen, dass der Hauptzweck der Kunst darin besteht, bestimmte Emotionen oder „Rasas“ hervorzurufen. Es ist ein strukturierter Prozess, und der Künstler muss sich an bestimmte Richtlinien halten, um dies zu erreichen.
⁃ David Hume: Da muss ich dir respektvoll widersprechen, Bharata. Obwohl bestimmte Standards die Kunst leiten können, ist sie letztlich eine subjektive Erfahrung. Was bei dem einen Emotionen hervorruft, ist es bei dem anderen nicht. Daher kann Kunst nicht an strenge Richtlinien gebunden sein; sie muss sich frei entwickeln und interpretiert werden können.
⁃ Immanuel Kant: In Anlehnung an Hume glaube ich, dass Kunst zwar Emotionen hervorrufen kann, ihr wahrer Wert aber in ihrer Fähigkeit liegt, das „Erhabene“ hervorzurufen – ein Gefühl, das über bloße Emotionen hinausgeht und das Unendliche und Unermessliche berührt.
⁃ Zeami Motokiyo: Im Noh-Theater liegt der Schwerpunkt auf dem Subtilen und dem Tiefgründigen. Es geht nicht darum, eine breite Palette von Emotionen hervorzurufen, sondern darum, die Erfahrung einer einzelnen Emotion zu vertiefen, wie zum Beispiel die tiefe Schönheit von „Yugen“. Es ist eine disziplinierte Kunstform, und Abweichungen können ihre Essenz verwässern.
⁃ Abhinavagupta: Ich respektiere zwar den strukturierten Ansatz von Noh, aber ich muss sagen, dass die Erfahrung von „rasa“ sowohl strukturiert als auch transzendental ist. Die Disziplin des Künstlers und die Aufnahmefähigkeit des Publikums verbinden sich zu einer einzigartigen Erfahrung, die über bloße Vorgaben hinausgeht.
⁃ Gilles Deleuze: All diese Perspektiven sind zwar wertvoll, scheinen aber in der Tradition verwurzelt zu sein. Die moderne Kunst stellt genau diese Vorstellungen in Frage. Es geht nicht nur darum, Emotionen oder das Erhabene hervorzurufen, sondern auch darum, die Realität zu dekonstruieren, Normen in Frage zu stellen und sich ständig neu zu erfinden. Kunst ist ein Rhizom, das ständig wächst und sich verändert, ohne einen festen Ursprung oder ein Ende zu haben.
⁃ Brahman Priest: Kunst ist in ihrer wahrsten Form ein Spiegelbild des Göttlichen. Egal, ob sie sich an Richtlinien hält oder Normen herausfordert, ihr Ziel ist es, uns mit dem kosmischen Tanz des Universums zu verbinden. Ich befürchte jedoch, dass wir durch ständiges Neuerfinden die Essenz dieser Verbindung verlieren könnten.
⁃ David Hume: Das ist doch der springende Punkt, oder? Wir alle wissen die Macht der Kunst zu schätzen, aber unsere Ansichten über ihren Zweck und ihre Ausführung sind unterschiedlich. Für die einen geht es darum, sich an die Tradition zu halten, für die anderen darum, sie herauszufordern.
⁃ Immanuel Kant: Und vielleicht ist es das, was die Kunst so mächtig macht – ihre Fähigkeit, zeitlos und zeitgemäß zugleich zu sein, mit der Vergangenheit zu schwingen und gleichzeitig die Gegenwart zu reflektieren.
⁃ Gilles Deleuze: Aber sollte Kunst uns nicht auch in die Zukunft drängen? Unsere Wahrnehmungen herausfordern und uns dazu bringen, unsere Realitäten zu hinterfragen?
⁃ Zeami Motokiyo: Hinterfragen ist wichtig, aber auch das Bewahren der Tradition. Es ist ein heikles Gleichgewicht.

Das Gespräch wird immer lebhafter, da jeder Philosoph seine Sichtweise leidenschaftlich verteidigt und die Vielschichtigkeit der Kunst und ihrer Interpretation hervorhebt. Der Garten, der einst ruhig war, ist nun von der pulsierenden Energie der Debatte und des Diskurses erfüllt.

⁃ Abhinavagupta: Tradition und Innovation schließen sich nicht gegenseitig aus. Vielmehr dient die Tradition oft als Fundament, auf dem Innovation aufbaut. Die Erfahrung von ‚rasa‘ hat ihre Wurzeln in alten Richtlinien, aber sie ist auch offen für Interpretation und Weiterentwicklung.
⁃ Brahmanischer Priester: Ich respektiere die Wandelbarkeit der Kunst, aber wir dürfen nicht vergessen, dass manche Traditionen als Anker dienen, die uns mit dem Göttlichen verbinden. In unserem Streben nach Innovation müssen wir sicherstellen, dass wir diese heilige Verbindung nicht unterbrechen.
⁃ Gilles Deleuze: Aber ist das Wesen des Göttlichen nicht auch fließend und in ständiger Entwicklung begriffen? Indem die Kunst Normen ständig neu erfindet und in Frage stellt, spiegelt sie diese Fluidität wider. Sie spiegelt den ständigen Zustand des Lebens wider, der im Werden begriffen ist.
⁃ David Hume: Gilles, obwohl ich die Dynamik schätze, die du der Kunst zuschreibst, ist es wichtig zu erkennen, dass nicht alles, was Normen in Frage stellt, tiefgründig ist. Es ist ein schmaler Grat zwischen echter Innovation und bloßer Neuheit.
⁃ Immanuel Kant: Stimmt, Hume. Beim Erhabenen in der Kunst geht es nicht nur darum, Grenzen zu brechen, sondern sie zu überwinden. Es geht darum, universelle Wahrheiten anzusprechen, die über Zeit und Kultur hinweg wirken.
⁃ Zeami Motokiyo: Im Noh legen wir mehr Wert auf die Tiefe der Gefühle als auf ihre Breite. Die Herausforderung besteht nicht darin, eine Vielzahl von Emotionen darzustellen, sondern darin, tief in eine Emotion einzutauchen und sie bis zu ihrer reinsten Form zu verfeinern. Diese Tiefe berührt, glaube ich, Kants Idee des Erhabenen.
⁃ Bharata Muni: Und genau da kommen die Richtlinien ins Spiel. Sie dienen als Landkarte, die den Künstler durch den riesigen Ozean der Emotionen navigiert und sicherstellt, dass das Wesentliche nicht in der Weite verloren geht.
⁃ Gilles Deleuze: Karten sind zwar nützlich, aber sie können auch einschränkend sein. Wahre Erkundung findet oft statt, wenn man sich abseits der Karte ins Unbekannte wagt. Darin liegt die wahre Kreativität.
⁃ Abhinavagupta: Gilles, der Aufbruch ins Unbekannte ist wichtig, aber auch die Rückkehr zum Bekannten. Es ist ein zyklischer Prozess – das Bekannte wird zur Grundlage für das Unbekannte, und das Unbekannte, einmal erforscht, bereichert das Bekannte.
⁃ Brahmanischer Priester: Es ist wie der ewige Tanz von Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung. Jede Phase ist wichtig, und die eine kann ohne die andere nicht existieren.
⁃ David Hume: Hier schließt sich also der Kreis. Auch wenn sich unsere Ansichten über den Zweck und die Ausführung von Kunst unterscheiden, sind wir uns alle einig, dass sie zyklisch ist – ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation, dem Bekannten und dem Unbekannten.
⁃ Immanuel Kant: In der Tat, und genau dieses Gleichgewicht macht die Kunst zu einem Spiegelbild des Lebens selbst – sie verändert sich ständig und ist doch in zeitlosen Wahrheiten verwurzelt.

Nachdem die Philosophen die Tiefen ihrer Meinungsverschiedenheiten ausgelotet haben, kommen sie wieder zu gemeinsamen Einsichten. Der Garten, der von ihren leidenschaftlichen Debatten widerhallte, erstrahlt nun in neuer Harmonie und spiegelt den zeitlosen Tanz von Kunst und Leben wider.

 

Aufforderung: Lass sie zusammenarbeiten und eine gemeinsame ästhetische Theorie formulieren, überlege, ob das möglich wäre

ChatGPT

⁃ Zeami Motokiyo: Angesichts unserer unterschiedlichen Hintergründe und Perspektiven mag es schwierig erscheinen, eine gemeinsame ästhetische Theorie zu formulieren. Unsere Diskussion hat jedoch gemeinsame Erkenntnisse zutage gefördert. Vielleicht können wir damit beginnen, diese Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.
⁃ Bharata Muni: Im Mittelpunkt unserer Diskussionen steht die Erfahrung des Betrachters oder des Publikums. Ob es das „Rasa“ in einer Aufführung, das „Erhabene“ in einem Gemälde oder das „Yugen“ im Noh ist, die Essenz ist die emotionale und transzendentale Erfahrung, die im Betrachter hervorgerufen wird.
⁃ David Hume: Stimmt, Bharata. Und obwohl individuelle Erfahrungen subjektiv sind, gibt es eine Universalität in bestimmten ästhetischen Reaktionen. Diese Allgemeingültigkeit negiert jedoch nicht den Wert der individuellen Interpretationen.
⁃ Immanuel Kant: Eben. Die Universalität liegt nicht in der Uniformität, sondern in der Resonanz. Der wahre Wert der Kunst liegt in ihrer Fähigkeit, über Kulturen und Zeiten hinweg zu wirken, universelle Wahrheiten zu berühren und gleichzeitig Raum für individuelle Interpretationen zu lassen.
⁃ Gilles Deleuze: Und diese Resonanz ist nicht statisch. Sie ist ein dynamisches Zusammenspiel zwischen dem Kunstwerk, dem Betrachter und dem breiteren kulturellen und gesellschaftlichen Kontext. Kunst ist nicht nur ein Spiegelbild der Realität, sondern eine Kraft, die sie formt und herausfordert.
⁃ Abhinavagupta: Unsere gemeinsame ästhetische Theorie könnte sich also um die Idee der „Resonanz“ drehen – die dynamische und zyklische Beziehung zwischen der Kunst, dem Betrachter und dem kulturellen Kontext. Diese Resonanz ist sowohl emotional als auch transzendental, in der Tradition verwurzelt und gleichzeitig offen für Innovationen.
⁃ Brahmanischer Priester: Und wie der ewige Tanz des Universums ist diese Resonanz zyklisch – das Bekannte inspiriert die Erforschung des Unbekannten, und das Unbekannte, einmal erforscht, bereichert das Bekannte.
⁃ Zeami Motokiyo: Diese Theorie trifft den Kern unserer Diskussionen, aber ist es möglich, dass eine solche Theorie der großen Vielfalt an Kunstformen und kulturellen Kontexten gerecht wird?
⁃ David Hume: Das ist eine berechtigte Sorge, Zeami. Die Stärke dieser Theorie liegt jedoch in ihrer Flexibilität. Indem wir uns auf die Idee der ‚Resonanz‘ konzentrieren, schaffen wir Raum für die Koexistenz und Interaktion verschiedener Kunstformen, die sich gegenseitig bereichern.
⁃ Immanuel Kant: Die Theorie schreibt zwar keinen festen Standard vor, bietet aber einen Rahmen. Sie ist eine Linse, durch die wir Kunst schätzen und kritisieren können, um ihren Wert und ihre Wirkung zu verstehen.
⁃ Gilles Deleuze: Und wie alle Theorien wird sie sich weiterentwickeln. So wie die Kunst sich selbst herausfordert und neu erfindet, wird auch unser Verständnis von ihr wachsen. Diese Theorie ist nicht das Ende, sondern ein Anfang.
⁃ Brahman Priest: Ein Anfang, der das Göttliche in der Kunst anerkennt, den kosmischen Tanz der Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung und die ewige Suche nach Verständnis und Verbindung.
⁃ Abhinavagupta: Eine gemeinsame ästhetische Theorie für unsere unterschiedlichen Perspektiven zu formulieren, ist zwar eine Herausforderung, aber nicht unmöglich. Unsere gemeinsamen Einsichten und die Idee der ‚Resonanz‘ bieten eine Grundlage, auf der wir aufbauen, forschen und uns weiterentwickeln können.
Die Philosophen haben Debatten und Diskussionen hinter sich und arbeiten gemeinsam an einer Theorie, die zwar auf gemeinsamen Erkenntnissen beruht, aber offen für Interpretationen und Entwicklungen ist. Der Garten, der Zeuge ihrer intellektuellen Reise ist, ist ein Zeugnis für die Kraft des Dialogs und der Zusammenarbeit.

 

prompt: which would be the main classical texts that would support such an approach? List 12 with author, year and 3 sentence summary

ChatGPT
Certainly! Here are 12 classical texts that would support such an approach:
⁃ „Natyashastra“ by Bharata Muni (c. 200 BCE – 200 CE)
• This ancient Indian treatise on performing arts discusses the theory of ‚rasa‘ or emotional essence evoked in an audience. It provides guidelines for artists to achieve this essence and explores the relationship between performers and their audience. The text is foundational for understanding Indian aesthetics.
⁃ „Critique of Judgment“ by Immanuel Kant (1790)
• Kant delves into the nature of aesthetic and teleological judgments. He introduces the concept of the ’sublime‘ and discusses the universality of aesthetic experiences. The text is pivotal for Western aesthetic philosophy.
⁃ „Of the Standard of Taste“ by David Hume (1757)
• Hume explores the nature of aesthetic judgments and the idea of a universal standard of taste. He argues that while individual preferences are subjective, certain artworks can be deemed universally beautiful. The essay is central to discussions on taste in Western philosophy.
⁃ „Dhvanyaloka“ by Anandavardhana (c. 820 – 890 CE)
• Anandavardhana introduces the concept of ‚dhvani‘ or suggestion, arguing that the essence of poetry lies in its suggestive power. This text further develops the rasa theory, emphasizing the emotional resonance of literary works. It’s a cornerstone of Indian literary criticism.
⁃ „Fushikaden“ by Zeami Motokiyo (c. 1400)
• Zeami, a master of Noh theater, discusses the aesthetics and principles of Noh. He introduces the concept of ‚yugen‘ – a profound, mysterious sense of beauty. The treatise is foundational for understanding the aesthetics of Noh theater.
⁃ „Poetics“ by Aristotle (c. 335 BCE)
• Aristotle’s treatise on drama and poetry discusses the concept of ‚catharsis‘ – the purification or purgation of emotions. He explores the elements of tragedy and the nature of aesthetic pleasure. The text has been influential in Western literary criticism.
⁃ „Laocoön: An Essay on the Limits of Painting and Poetry“ by Gotthold Ephraim Lessing (1766)
• Lessing contrasts the aesthetics of visual arts and literature. He argues that each art form has its unique strengths and limitations. The essay is a key text in discussions about the relationship between different art forms.
⁃ „Abhinavabharati“ by Abhinavagupta (c. 1000 CE)
• A commentary on the Natyashastra, Abhinavagupta delves deeper into the rasa theory. He emphasizes the transcendental experience of rasa and the union between the artist, artwork, and audience. The text is crucial for understanding the nuances of Indian aesthetics.
⁃ „The Republic“ by Plato (c. 380 BCE)
• While primarily a work on political philosophy, Plato discusses the role of art in society. He critiques art for being an imitation of reality and explores its moral implications. The text provides insights into early Western views on art.
⁃ „The Birth of Tragedy“ by Friedrich Nietzsche (1872)
⁃ Nietzsche contrasts the Apollonian and Dionysian elements in art. He discusses the transformative power of art and its connection to human experience. The text offers a unique perspective on the nature and purpose of art.
⁃ „Rasa Tarangini“ by Bhanudatta (c. 16th century)
⁃ Bhanudatta’s work is a collection of Sanskrit verses that celebrate the rasa theory. It provides insights into the various emotions or ‚rasas‘ and their expressions in literature. The text is a poetic exploration of Indian aesthetics.
⁃ „Aesthetica“ by Alexander Baumgarten (1750)
⁃ Baumgarten’s work is considered one of the first modern treatises on aesthetics. He explores the nature of beauty, the role of sensuous knowledge, and the relationship between art and morality. The text laid the groundwork for later aesthetic philosophies in the West.
⁃ These texts, spanning different cultures and eras, provide a rich tapestry of ideas that can support the collaborative aesthetic theory discussed by the philosophers.

 

Prompt: and which key texts from the 20th century can be related?

ChatGPT
⁃ Certainly! Here are key 20th-century texts that can be related to the collaborative aesthetic theory:
⁃ „Art as Experience“ by John Dewey (1934)
• Dewey argues that art is an integral part of human experience and not just a matter of formal expression. He emphasizes the communal and societal role of art, suggesting that art is a means of communication and a reflection of cultural values.
⁃ „Difference and Repetition“ by Gilles Deleuze (1968)
• Deleuze explores the concepts of difference, repetition, and identity. He challenges traditional notions of representation in art and philosophy, emphasizing the transformative power of difference.
⁃ „The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction“ by Walter Benjamin (1936)
• Benjamin examines the impact of mass production on art. He discusses the „aura“ of artworks and how it changes when art is reproduced, leading to shifts in aesthetic and cultural values.
⁃ „The Structure of Aesthetic Response“ by Victor Zuckerkandl (1970)
• Zuckerkandl delves into the nature of aesthetic response, exploring how art communicates and the intrinsic qualities that evoke emotional reactions in observers.
⁃ „The Poetics of Space“ by Gaston Bachelard (1958)
• Bachelard examines the emotional responses evoked by different types of spaces, from intimate nooks to vast expanses. He relates these spatial experiences to art and literature, exploring the interplay between physical space and imagination.
⁃ „Aesthetic Theory“ by Theodor Adorno (1970)
• Adorno offers a critical analysis of art’s role in society, discussing its autonomy and its potential for societal critique. He delves into the dialectical relationship between art’s form and content.
⁃ „The Intentional Fallacy“ by W.K. Wimsatt and Monroe Beardsley (1946)
• This essay challenges the emphasis on an artist’s intention in interpreting their work. The authors argue for the primacy of the text itself, suggesting that the artwork should be analyzed independently of its creator’s intentions.
⁃ „The Death of the Author“ by Roland Barthes (1967)
• Barthes argues against traditional literary criticism’s emphasis on authorial intent. He suggests that the meaning of a text is created by the reader, emphasizing the role of interpretation in the aesthetic experience.
⁃ „Ways of Seeing“ by John Berger (1972)
• Berger examines the cultural and societal implications of visual images. He discusses how art and images are perceived in the context of history, politics, and commerce.
⁃ „The Open Work“ by Umberto Eco (1962)
⁃ Eco explores the concept of „open“ artworks, which are incomplete and require the audience’s participation to realize their full meaning. He discusses the dynamic relationship between the artist, the artwork, and the audience.
⁃ „The Originality of the Avant-Garde and Other Modernist Myths“ by Rosalind Krauss (1985)
⁃ Krauss challenges traditional notions of originality in art, especially in the context of modernism. She explores the role of repetition, grids, and structures in modern art.
⁃ „The Condition of Postmodernity“ by David Harvey (1989)
⁃ Harvey examines the cultural and societal shifts in the late 20th century, discussing the implications of postmodernism for art, architecture, and urbanism. He explores the fragmentation of aesthetic experience in the postmodern age.
⁃ These 20th-century texts provide insights into the evolving nature of aesthetic theory, reflecting the cultural, societal, and technological shifts of the century. They offer valuable perspectives that can be related to the collaborative aesthetic theory discussed earlier.

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­Maya und die Frage nach der Wirklichkeit https://readingdeleuzeinindia.org/de/maya-und-die-frage-nach-der-wirklichkeit/ Fri, 18 Aug 2023 11:38:59 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4435

In meiner Jugend verlor ich mich im Skeptizismus und der rein empirischen Wissenschaft. Doch nun eröffnet mir Aurobindo's Text neue Perspektiven über die Wahrnehmung und Illusion in der Philosophie. Erfahre mehr über diese Wendung. #Philosophie #Wahrnehmung

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Als ich nach meiner ersten Liebe zu Platon (besonders dem Phaidon Dialog) und den großen griechischen Dichter wie Sophokles etc.. als Teenager in die Abgründe des Skeptizismus fiel, war der Pfad von Descartes Meditation, über Hume, Kant, Husserl steinig. Ich verlor die Seele aus den Augen, folgte der Ideologie der rein empirischen Wissenschaften. Nur das, was mit den 5 Sinnen wahrgenommen werden kann, galt als ‚Material‘ für Philosophie, und darin eingebettet war der Zweifel, ob diesen Sinnen denn zu trauen sei. Ob nicht alles nur eine Illusion ist. Der Bogen von Platon zu David Hume kann größer kaum sein.

Bilder

Die Idee, dass sich Welt mit nur in Wahrnehmungsbilder zeigt, führte mich zur Ästhetik, doch nie habe ich das so klar gesehen wie neulich als ich in Aurobindo’s Text zu den Upanischaden stöberte. Ich erinnere mich an Willard Van Orman Quine’s legendäres und absurdes Beispiel von nicht abgetrennten Hasenteilen: wenn ein Hase hinter einem Baum vorbeiläuft und so in meiner Wahrnehmung zwei Hasenteile sich präsentieren – ein vorderes und ein hinteres Hasenteil – und ich dennoch eine Gewissheit zu haben scheine, dass es sich um einen Hasen handelt. So könnten wir hier etwas lernen über die Prinzipien unserer Wahrnehmung und Sprache. Hume spitzte das schon zu, indem er sagte, dass wir keine Gewissheit haben können, dass die Sonne auch morgen wieder aufgeht (ihm ging es dabei darum, die Kausalität infrage zu stellen). Hier Aurobindo’s Stellungnahme zu dieser Art von Philosophie:

The sun rises up in the morning, mounts into the cusp of the blue Heavens and descends at evening trailing behind it clouds of glory as it disappears. Who could doubt this irrefragable, overwhelmingly evidenced fact? Every day, through myriads of years, the eyes of millions of men all over the world have borne concurrent and unvarying testimony to the truth of these splendid voyagings. Than such universal ocular testimony, what evidence can be more conclusive? Yet it all turns out to be an image created by Nescience in the field of vision. Science comes & undeterred by prison & the stake tells us that the sun never voyages through our heavens, is indeed millions of miles from our heavens, and it is we who move round the Sun, not the Sun round us. Nay those Heavens themselves, the blue firmament into which poetry and religion have read so much beauty and wonder, is itself only an image, in which Nescience represents our atmosphere to us in the field of vision. The light too which streams upon us from our Sun and seems to us to fill Space turns out to be no more than an image. Science now freely permitted to multiply her amazing paradoxes, forces us at last to believe that it is only motion of matter affecting us at a certain pitch of vibration with that particular impression on the brain. And so she goes on resolving all things into mere images of the great cosmic ether which alone is. Of such unsubstantialities is this marvellous fabric of visible things created! Nay, it would even appear that the more unsubstantial a thing seems, the nearer it is to ultimate reality. This, which Science proves, says the Vedantist, is precisely what is meant by Maya.“ (Aurobindo CVSA 18, p.379)

Es ist nicht nur die poetisch Kraft Aurobindo’S die mich hier fasziniert, die Art wie er dieses Bild der aufgehenden Sonne evoziert und hin und her wälzt, die verschiedenen Positionen einwebt, um dann das Problem an sich neu zu positionieren. Es ist die Kraft, sich von der eigenen Intuition und Einsicht, von der Erfahrung im reichhaltigsten Sinn leiten zu lassen.

Ich lerne daraus:

  • Wenn wir die Welt als bloßen Phänomen analysieren wollen, so mögen die Ausgangsbilder bitte reich und kraftvoll sein und nicht albern reduziert wie abgetrennte Hasenteile.
  • Wenn wir dann der Methode der Naturwissenschaften und des rationalen Geistes folgen, dann bitte bis zum Ende, wo wir sehen, dass es eigentlich diese Wissenschaft ist, die genau die Bilder erzeugt, die sie anzweifelt.
  • Und schließlich die Umkehr des Problems, in einer art dialektischen Wendung. Die Welt ist unanzweifelbar real, nur ist sie eben nicht so, wie die Wissenschaft sie beschreibt. Das zeigt die Wissenschaft selbst.

Jeder Versuchsaufbau ist eine Simulation, eine Konstruktion. Jede Theorie ist eine Beschreibung von Welt, deren Hypothese einer konstanten Prüfung unterzogen wird. In den Vedas lernen wir über den Kern der Welt, wie wir sie erfahren: Sie ist reines Bewusstsein. Mein Bewusstsein kennt nichts anderes als Bewusstsein. Es ist eine irrwitzige Annahmen, dass alles, was mein Bewusstsein enthält, ihr Gegenteil sein soll. Es ist nicht so, dass unser Bewusstsein ein Abbild eine gänzlich anders geformten Realität enthält. Sondern die Welt besteht aus Bewusstsein, in der Interaktion von Bewusstsein mit anderem Bewusstsein, in der Ausdifferenzierung des einen in seiner Mannigfaltigkeit entstehen Wahrnehmungen und Bilder. Verbunden sind sie durch Vibration. Die Kena Upanischaden beschreiben das, das Grundprinzip ist OM in der Mandukya Upanischad, verbunden ist alles durch ein Rhizom auf einer Ebene der Immanenz, wie Deleuze es in seinem letzten Essay beschreibt.

Maya, die Frage nach der Realität, zeigt ein Paradox auf, es ist die Frage selbst, die das Problem erzeugt. Die mentalen Bilder, die als Grundlage für rationale Analyse dienen, sind Maya – Illusion. Unser Bewusstsein hingegen ist real, die einzige Realität. Das ist der Kern des Problems des Dualismus dvaita-advaita

Om shanti, shanti, shanti

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Poesie und die Unmöglichkeit über Autobahnen zu reden https://readingdeleuzeinindia.org/de/poesie-und-die-unmoeglichkeit-ueber-autobahnen-zu-reden/ Mon, 03 Jul 2023 10:51:01 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4291

Aber Hitler hat doch Autobahn gebaut! Ich höre das in letzter Zeit immer öfter. Es ist schwierig hier weiterzureden, weil ein bestimmtes Argument, das ich sehr wichtig finde, recht komplex ist und von Menschen die den Faschismus und den Holocaust relativieren wollen abgelehnt wird. Das Argument, das von Adorno angeregt wurde, ist: Nach Ausschwitzt können […]

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Aber Hitler hat doch Autobahn gebaut! Ich höre das in letzter Zeit immer öfter. Es ist schwierig hier weiterzureden, weil ein bestimmtes Argument, das ich sehr wichtig finde, recht komplex ist und von Menschen die den Faschismus und den Holocaust relativieren wollen abgelehnt wird. Das Argument, das von Adorno angeregt wurde, ist: Nach Ausschwitzt können keine Gedichte mehr geschrieben werden. Es geht grob skizziert so:

  1. Das Ausmaß des Grauen des Holocaust ist so groß, dass wir als Individuum und als Gesellschaft uns fragen müssen, was dieses Ausmaß ermöglicht hat.
  2. Gräueltaten gab es in der Geschichte leider immer wieder und fast überall. Gibt es etwas, das den Holocaust in seinem Grauen singulär erscheinen lässt?
  3. Eine These ist, dass die technische Präzision der Vernichtungslager aus dem Geist der Rationalität geboren wurde. Es ist kein Massenmord aus Wut, Rache, Machtgier, Hass etc… sondern eine ‚technische Operation‘, in der Verantwortungen geteilt wurden, und die meisten glauben wollten, dass sie einfach nur ihren Job machen.
  4. Die Frage, die sich hieraus ergibt, ist, ob die Rationalität selbst moralisch blind und grausam ist.
  5. Wenn Rationalität sich gegen die Menschheit wenden kann, dann muss sie grundsätzlich und gründlich hinterfragt werden, und bis diese Hinterfragung nicht abgeschlossen ist, können wir nicht so weitermachen, wie es das Projekt der Moderne suggeriert.
  6. Wir müssen alles hinterfragen, auch die Poesie (und die Autobahnen).

Ein Projekt, das die Frankfurter Schule vorschlug, in den 60er Jahren war die kritische Theorie und in ihr die negative Dialektik. Hegel hatte als Reaktion auf die strengen Kategorientafeln Kants eine dialektische Philosophie vorgeschlagen, die den Geist nicht an ein festes Gerüst von Prinzipien und Kategorien des reinen Denkens gebunden sah, sondern als eine Kraft, die aus sich heraus sich selbst immer weiter entwickelt. Es sei der Mensch, der diese Bewegung des Geistes manifestieren und ausdrücken kann. Der Übergang von Kant zu Hegel ist ein wichtiger Bruch in der Philosophiegeschichte des Westens. Diesen Schritt mit neuen Methoden zu hinterfragen, ist das Projekt der negativen Dialektik. Statt Wissen zu synthetisieren und in seiner Komplexität anzureichern, versucht die negative Dialektik, die Komplexität zu bewahren, aber die Synthetisierung umzukehren in ein ständiges Hinterfragen: eine kritische Theorie. Da ist die kritische Theorie auch gar nicht so weit entfernt vom Dekonstruktivismus, wenngleich die Methoden sehr unterschiedlich sind: Die kritische Theorie geht systematisch vor, der Dekonstruktivismus oftmals assoziativ, spürt dem Unbewussten nach, sucht nach strukturellen Parallelen – ähnlich dem Poststrukturalismus.

Es wird deutlich, dass dieses Projekt wichtig ist, wenn wir uns andere ‚Errungenschaften‘ anschauen, die z. B. den Abwurf der Hiroshima Bombe, oder die Entwicklung von KI. Das Argument lässt sich auf die Kernfrage der Wissenschaftsphilosophie anwenden, nämlich der Frage nach der ethischen Verantwortung von Wissenschaft. Karl Popper betrieb dieses Projekt weiter.

Jenseits der Rationalität

Das Denken der Moderne, von Kant bis zur Frankfurter Schule, ist geprägt durch eine Skepsis gegenüber spekulativem, intuitiven, spirituellem, mysthischen Erkenntnisformen. Die Rationalität ist das Schwert, mit dem alles, das sich nicht ihrer Logik unterwirft, enthauptet wird. Doch wie bei einer Hydra erzeugt dies nur neue Gesichter, andere ‚Irrationalitäten‘. Es gibt z. B. einen Unterschied zwischen Leichtgläubigkeit, und spirituellem Denken. Es gibt einen Unterschied zwischen Intuition und Bauchgefühl.

Die westliche Denkweise hat sich zu sehr auf den rationalen Geist berufen. Die Dimension des Lebens, des Bewusstseins und die Spiritualität werden ihr als ‚noch aufzuklärende‘ Projekte untergeordnet. Für mich wird inzwischen deutlich, dass das Projekt der negativen Dialektik wesentlich weiter führen muss. Es muss uns die Türen zu unseren anderen Daseinsweisen eröffnen. Ob die negative Dialektik hier das geeignete Mittel ist, finde ich jedoch fraglich, denn sie zieht sich bei Adorno in eine ästhetische Theorie zurück. Sie kann das Denken ein Stück weit auf der Reise begleiten, der Weg wird sich jedoch schnell verzweigen.

Es ist aber ist einer der Pfade, der mich zu den Weisheiten alter Schriften geführt hat. Dieses Denken der ‚Vormoderne‘ ist reicher und komplexer. Es zieht andere Grenzen. Im Zentrum steht nicht die Logik, sondern Bewusstsein, Gott, Seele, Natur, Gemeinschaft etc… Es sind Begriffe, die auf anderen Ebenen unseres Daseins verankert sind. Oftmals werden sie ineinander verschränkt. In den Veden sind es 7: Materie, Atem, Geist, ideales Wissen, Seligkeit, Bewusstsein und reine Existenz. Wann lernen wir wieder, dass unser Menschsein nicht auf Algorithmen reduziert werden kann, müssen dazu wirklich erst in eine Schlacht mit KI eintreten?

Manchmal frage ich mich, ob es eine Parallele gibt zwischen der Vorstellung des Big Bang und dem in Erscheinung treten des menschlichen Geistes. Denn ebenso wie der Big Bang nicht aus Materie heraus, sonders aus Vibration, also Bewusstsein heraus in Erscheinung trat, so erschien der menschliche Geist als eingebettet in kosmisches Denken, Götterwelten, Ehrung des Lebens. Die Höhlenmalereien von Chauvet zeugen davon. Und ebenso wie der materielle Kosmos sich dem Kältetod zubewegt, differenziert sich der menschliche Geist aus in Einzeldisziplinen, die das Menschsein vergessen.

Eine mögliche Antwort auf diese fundamentale Krise des Geistes ist die integrale Philosophie Sri Aurobindo’s: die Synthese der Yogas.

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Nationale Seelen https://readingdeleuzeinindia.org/de/nationale-seelen/ Thu, 15 Jun 2023 14:44:48 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4282

In Auroville gibt es die internationale Zone, die den verschiedenen Kulturen und Nationen einen Platz geben will, sich auszudrücken und zu interagieren. Erfahren Sie mehr über die Philosophie von Sri Aurobindo und seine Verankerung des Bewusstseins in einer globalen Spiritualität.

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In Auroville gibt es die internationale Zone. Ein Areal in der Stadt der Zukunft, die den verschiedenen Kulturen und Nationen einen Platz geben will sich dort auszudrücken und in Kontakt miteinander zu treten. Menschen sollen in Auroville in der Lage sein, diese verschiedenen Kulturen zu erfahren. Das ganze Konzept ist recht vage, grob gegliedert in Anlehnung an Kontinente, mit einigen Fokuspunkten auf ausgewählte Nationalstaaten. Aurobindo hat zu einigen ’nationalen Seelen‘ etwas geschrieben, er hat versucht sie zu charakterisieren. Diese Charakterisierungen stammen jedoch aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ich fand ja immer den Begriff der Seele an sich schon sehr problematisch, auch der Begriff der Nation ist problematisch. Eine nationale Seele, was soll das sein? Und dann auch noch eine Deutsche. Die ganze Welt weiß, wie schief das ging in Nazideutschland.

In der Philosophie Aurobindo’s geht es im Kern um die Ausleuchtung von Bewusstseins. Nicht bloß des eigenen, subjektiven Bewusstseins, das seit Descartes‘ Skeptizismus in einem Selbstbehauptungsreflex verharrt, sondern um Bewusstsein an sich, als ein Phänomen, das intersubjektiv zwischen verschiedenen Lebensformen und spirituellen Erfahrungsräumen erfahrbar ist. Aurobindo’s Philosophie verankert Bewusstsein in einer globalen Spiritualität, beschreibt es als göttliches Bewusstsein. Bewusstsein ist bei ihm der Ausgangspunkt aller Existenz. Dieses Bewusstsein ist real und erfahrbar. Durch eine geistige und spirituelle Evolution können wir unser eigenes Bewusstsein erweitern, anreichern, transzendieren. Das klingt immer so esoterischen, beschreibt aber eigentlich nur etwas, das wir alltäglich beobachten. Ein Mensch wird geboren und lernt, entwickelt eine Persönlichkeit und wächst intellektuell, emotional, sozial, kreativ etc…. Irgendwann in der Geschichte der westlichen Kulturen hat die Rationalität an Dominanz gewonnen und alles, was ihr fremd ist, diskreditiert. Diese Rationalität zu zähmen und sie mit der Praxis von Yoga wieder in einen holistischen Kontext einzubinden, ist das Projekt der Synthesis des Yoga von Sri Aurobindo.

Sri Aurobindo verankert seine Philosophie auf 7 Ebenen: Materie, Lebenskraft, rationales Denken, intellektuelle Weltsicht, spirituelle Sinnlichkeit, reines Bewusstsein und pure Existenz. Man könnte sagen, das rationale Denken hat sich im 20. Jahrhundert in der Materie verloren. Um aber alle 7 Ebenen verbinden zu können, benötigt Aurobindo den Begriff der Seele, dessen Urbild Purusha ist. Diese kosmische Seele manifestiert sich in individuellen Seelen, sei das nun meine oder deine, oder die von Tieren und Pflanzen, von Planeten oder Nationen. Alles ist von Bewusstsein durchdrungen, alles hat eine Identität, aber die Sprachen sind sehr unterschiedlich.

Mir fällt das noch sehr schwer, das in seiner Tragweite zu durchdringen. Im intersubjektiven Bereich ist das plausible, in der Öffnung zur Spiritualität ist das eine einladende Tür. Wenn es aber um die deutsche Seele geht, habe ich wirklich meine Schwierigkeiten. Dennoch scheint es aber etwas zu geben, das hinter den kulturellen Stereotypen steckt. Es gibt Freundschaften und Feindschaften zwischen Kulturen, Völkern, Nationen, und es gibt Familien von Kulturen und Sprachen, z. B. der Indoeuropäische Sprachraum, die Drawidischen Sprachen, oder afroasiatische Sprachen und viele andere. Es gibt religiöse Einflusssphären, die sich mit Sprachräumen, Kulturräumen und Nationalgrenzen überlagern. Hinter der Komplexität dieser Überlappungen, die zusätzlich durch Kolonialismus, Globalisierung und sozioökonomische Dynamiken vermischt wird, gibt es aber vielleicht doch eine Art Karte von verschiedenen Sphären. Eine solche Karte kann, wenn überhaupt, nur im Geist von Unity in Diversity aufgestellt werden. Dies scheint mir das Projekt der internationalen Zone zu sein. Vielleicht könnte der Deutsche Pavillon eine Art Forschungszentrum für eine solche Karte beherbergen.

„Collections with Maps | Maps | Library of Congress“. o. J. Web page. Library of Congress, Washington, D.C. 20540 USA. Zugegriffen 15. Juni 2023. https://www.loc.gov/maps/collections/.

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Kulturschock und die Wohnorte der Götter: Meine Erfahrungen in Indien https://readingdeleuzeinindia.org/de/aitareya/ Thu, 01 Jun 2023 14:36:48 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4237

Erfahre in diesem Artikel mehr über den Kulturschock und die Verbindung zwischen Bewusstsein und Körper in Indien. Die Vedas spielen dabei eine bedeutende Rolle.

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Ich hatte einen Kulturschock erwartet. Und der kommt jetzt auch. Mein Geist mag sich gar nicht so richtig einfinden. Die Zeitverschiebung ist fast 12 Stunden, also upside-down, mein Bewusstsein brennt, anders kann ich das nicht beschreiben. Ich bin wach, aber irgendwie nicht hier. Ich bin in Chicago und weiß das auch, bin vollständig präsent, aber mein Geist fühlt sich noch nicht zu Hause.

Es ist wie bei der Aitereya Upanishad. „These were the Gods that He created; they fell into this great Ocean, and Hunger and Thirst leaped upon them. Then they said to Him, “Command unto us an habitation that we may dwell secure and eat of food.”“ Aber was ist ein gutes Habitat für die Götter, jene Wesen, die Brahman erschuf, um sich selbst zu erfahren. Brahman zog Purusha aus den tiefen Wassern, aus ihm, dem Gegenpart zu Prakriti (Natur), manifestiert sich Purusha als Seele, als Bewusstein, als universales Individuum: „The eyes brake forth and from the eyes Sight and of Sight the Sun was born. The ears brake forth and from the ears Hearing and of Hearing the regions were born. The skin brake forth and from the skin hairs and from the hairs herbs of healing and all trees and plants were born…„

Als Pursha sich so – als ausdifferenzierte universale Kräfte, als Götter – manifestierte, stellte sich die Frage, wo die Kräfte wohnen können. Die Ozeane eigneten sich dazu nicht, ebenso wenig die Kühe. Als die Götter aber die Menschen sahen, sagten sie: „“O well fashoned truly! Man indeed is well and beautifully made.” Then the Spirit said unto them, “Enter ye in each according to his habitation.“ Gesagt, getan, doch eine Frage blieb: „The Spirit thought, “Without Me how should all this be?” and He thought, “By what way shall I enter in?” He thought also, “If utterance is by Speech, if breathing is by the Breath, if sight is by the Eye, if hearing is by the Ear, if thought is by the Mind, if the lower workings are by Apana, if emission is by the organ, who then am I?”“

Kulturschock

Ich fühle mich in Indien so lebendig, die Welt der Vedas ist dort noch aktiv. Mir geht es aber gar nicht darum, die Lehre der Vedas zu vertreten, dazu verstehe ich die viel zu wenig, die Sprache der Götter ist so kompliziert, so facettenreich, die Weisheit so tief. Es scheint aber etwas durch, durch diese alten Schriften, etwas, das überall in Indien spürbar ist. Bewusstsein ist dort nicht durch Materie bestimmt. Denn Materie ist unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Das Bewusstsein sucht sich einen materiellen Wohnort. Etwas altmodisch würde man sagen, die Seele sucht sich einen Körper.

Dieses Bewusstsein, das sich einen Ort sucht, z. B. meinen Körper, ist nicht vollständig an diesen gebunden. Das ist das große Mysterium der Wiedergeburt. Die Verbindung ist nicht beliebig, aber doch lose. Wir sehen das im Schlaf, wenn unser Bewusstsein sich entfernt aus der materiellen Welt, der Kausalwelt, und sich in die Traumwelt begibt.

Die Götter also suchten sich den Menschen aus, um in ihnen zu wohnen. Das heißt aber etwas trivialisiert, dass das Bewusstsein, die Emotionen, der Intellekt, die Sinneswahrnehmung, das Gedächtnis, einen Ort benötigen, wo sie wirken können. Dieser Ort ist in unserer Erfahrung der menschliche Körper. „It was this bound that He cleft, it was by this door that He entered in. ’Tis this that is called the gate of the cleaving; this is the door of His coming and here is the place of His delight. He hath three mansions in His city, three dreams wherein He dwelleth, and of each in turn He saith, “Lo, this is my habitation” and “This is my habitation” and “This is my habitation.”“

Chicago

Nun bin auch also aus Indien nach Chicago geflogen und ich komme mir ein wenig vor, wie ein Geist (Spirit) der ein neues Haus sucht. Der Kulturschock ist maximal. Ich komme mir vor wie der Truman Show, jenem Film von 1998, wo eine perfekte Welt inszeniert wird, in der ein Mensch, der nicht weiß, dass diese Welt eine Inszenierung ist, 24/7 gefilmt und live im Fernsehen übertragen wird. Es ist natürlich eine Variation von Platos Höhlengleichnis, ebenso wie die Matrix (1999) oder andere dystopische SciFi Klassiker.

Hier in den USA findet man vieles zu seinem Extrem zugespitzt. Die Werte der Moderne werden hier verhandelt: Freiheit, Kapital, Wissenschaft, Krieg, Demokratie, Kunst, Materialismus, Individualität… Hier werden die Grenzen getestet und die Schranken gesetzt. Diese Moderne hat aber ihre Wurzeln verloren und das ist die Tragik der USA, denn dass ein Fortschritt notwendig ist, liegt in der Struktur der Welt. Alles ist im Fließen, alles im Werden, Stagnation und Konservatismus sind nur als Kräfte gerechtfertigt, nicht als absolute Werte. Und so treffen für mich hier die ältesten zusammenhängenden Schriften – die indischen Vedas – auf die Kraft des modernen Fortschritts, und ich frage mich, wo sind hier die Götter? Welches Spiel spielen sie?

Wenn ich die Menschen hier sehe, den Verkehr, die Supermärkte, die klimatisierten Häuser, dann ist das eine wirklich andere Welt. Brahman erfährt sich auch hier. Die Frage ist jedoch, wie wach die Menschen hier sind, sie arbeiten viel und hart, aber das Bewusstsein ist auf der Oberfläche in der Konsumwelt verankert. Etwas wird hier ausprobiert, das Experiment bedroht den Planeten, aber es wird irgendwie weitergehen.

Ich werde mich hier zurechtfinden. Die Götter leben hier nicht in Tempeln, es gibt keine Kühe auf den Straßen, aber es gibt einen Willen eine neue schöne Welt zu bauen. Wie ein kleines Kind, das sich nicht viel Böses denkt, wird hier diese moderne Welt gebaut. Manchmal wundert sich das Kind, dass das Haus zusammenfällt, dann gibt ein Geweine und Geschreie und einen neuen Versuch, bis das Lernziel erreicht wurde.


„The Aitereya Upanishad – CWSA – Kena and Other Upanishads – Upanishads“. o. J. Zugegriffen 1. Juni 2023. https://upanishads.org.in/upanishads/sa/kenaupanishad/the-aitereya-upanishad.

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Die Macht der Musik: Eine Meditation über Bewusstsein und innere Räume https://readingdeleuzeinindia.org/de/die-macht-der-musik-eine-meditation-ueber-bewusstsein-und-innere-raeume/ Tue, 23 May 2023 04:11:37 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=4104 Trichy-Amma Mandapam

erfahren wir die Kraft des Bewusstseins durch die Vermischung verschiedener Vibrationen. Dieser Text erforscht die Konstitution des Bewusstseins in einem meditativen Zustand.

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Trichy-Amma Mandapam

Soweit mein Gedächtnis zurückreicht, erinnere ich mich, dass ich immer gerne Musik gehört habe. Es ist eine Sache der Konzentration, des Genusses, der Hingabe, der Selbstauflösung. Es war mir immer ein Rätsel, was diese Kraft der Musik ist, denn sie ist ja sehr flüchtig, ephemere, sie kommt meist aus einem Lautsprecher. Ein technischer Apparat produziert Schallwellen und die Zuhörer versinken in inneren Landschaften. Was passiert da? Es ist die Vibration. In der Kenaupanischade wurde deutlich, dass die Vermischung verschiedener Vibrationen Bewusstsein konstituiert.

Ich möchte das heute versuchen, etwas zu differenzieren. Ausgehend von einem meditativen Zustand stellt sich die Frag nach der qualitativen Konstitution dieses Bewusstseins. Im Zustand hoher Konzentration werden die Sinneseindrücke von außen reduziert. Es ist nicht wirklich möglich, die Außenwelt stumm zuschalten, aber es ist eben möglich, sich so zu konzentrieren, dass die Sinneseindrücke in einer ersten Stufe eben als solche wahrgenommen werden und in einer zweiten Stufe aus dem Bewusstsein ‚entlassen‘ werden. Es ist weniger eine phänomenologische Epoche, in der die Existenz der Außenwelt in eine epistemische Klammer gesetzt wird, also die Frage nach deren Existenz offen gehalten wird, sondern eher ein Entzug der Aufmerksamkeit. Es ist eine teilnahmslose Beobachtung: Ah dieser Eindruck ist nun präsent, oder dieser Gedanke kommt, oder jene Erinnerung erscheint… All diese als das, was sie sind, vorbeiziehen zu lassen, ist eine erste Stufe der Meditation. In einer inneren Schau wird dann deutlich, wie sich Bewusstsein konstituiert.

Innere Räume

Ein Raum, der erfüllt ist von Bewusstsein, eröffnet sich. Das reagiert jedoch nicht auf Sinnesreize, sondern rein und klar ist. Hier zeigen sich die Kräfte des Bewusstseins: mein Körper (Materie), mein Atem (die Lebensenergie/Prana), mein Geist (der analysiert und visualisiert), die Erfahrung von Dasein (Entzücken/Annanda), reines Bewusstsein (Chit). In diesem Bewusstsein, das sich seiner verschiedenen Ebenen bewusst ist, bewegt sich das selbst frei. Hier begegnet sich das Selbst (Atman) mit der Seele (Puruscha) und erahnt, dass Bewusstsein an sich, das alles umfasst (Brahman) der Schöpfer ist (Sat). Hier werden dann auch die Kräfte unserer Welt als solche sichtbar: Liebe, Krieg, Mitgefühl, Genuß, Schönheit, Leid in all ihren Ausformungen. Sie sind real in unserem Bewusstsein und es ergibt wenig Sinn, sie zu leugnen. Wir erfahren sie, und wir benennen sie und wir kommunizieren und teilen sie, wir leben sie aus und verwirklichen sie, sie werden zu ganz realen Kräften der Welt, wirken in ihnen. All das ist unbestreitbar. Es ist ein wenig schwer erklärbar und deshalb tut die Wissenschaft oft so, als ob sie epiphenomenal seien, also bloß unbedeutende Begleiterscheinungen physikalischer Prozesse. Aber das ist nicht sehr klug, da es uns unserer eigenen Essenz beraubt.

Musik

Ich habe hier ein wenig ausgeholt, weil ich denke, dass dieser innere Raum einige Vorzimmer hat, und die Kunst belegt ganz viele dieser Vorzimmer. In der Musik z. B. trete ich ein in einen inneren Raum, der durch Vibrationen erzeugt wird. In ihm kann ich mich frei bewegen, denn die Musik hilft mir, alles was nicht Musik ist, vorbeiziehen zu lassen. In diesem Raum also kann ich dann innere Reisen vollziehen, deshalb gehen wir immer wieder in musikalische Räume, wenn wir glücklich oder traurig sind. Wir durchleben vergangene Erfahrungen erneut und verarbeiten sie. Dies sind grundlegende psychologische Prinzipien. Aber auch hier können wir die Leiter des Bewusstseins klettern. Unser Körper und unser Atem kann im Tanz erkundet werden, unser Geist kann die Musik visualisieren, ihre Struktur verdeutlichen, ihre Komposition, Durchführung, Interpretation vor das innere Auge bringen. Wenn ich mich aber wirklich konzentriert und kontemplativ der Musik hingeben, wie ich das am besten inzwischen bei Dhrupa von Bahauddin Dagar tue, dann wird die Musik zu reiner Sinnlichkeit (Rasa). Und plötzlich ist die Frage nicht mehr, wie ein technischer Apparat Schallwellen produzieren kann, die solch ein Bewusstsein erzeugen können. Diese Frage gehört der Welt des rationalen Geistes an. Die Musik selbst, also die Vibration, mit der sich mein Bewusstsein verschmelzt, eröffnet einen anderen Raum, einen Raum der Simulation, Kontemplation, Erkenntnis und des Lichts. Aktives Hören von Musik ist sehr nah an tiefer Meditation.

Worum es mir geht, ist der Erfahrung ihren Raum zu lassen und sie nicht in reduktionistischen Widersprüchen zu zerreiben. Musik findet in den Vorzimmern des meditativen Raumes statt. Und das ist fast identisch für Malerei, Skulptur, Tanz, Architektur, Literatur und Poesie etc… wenn ich mich auf ihre Kernqualitäten einlasse. Sie hat hier ihren Sinn. Die Frage, was Musik sei, ist zwar nicht vollständig beantwortet, aber mir ist ihre Funktion, ihr Sinn, ihre Wirkung nun etwas klarer. Es ist kein mysteriöses Geheimnis mehr, sondern ein wunderschönes Werkzeug. Sie gehört zu Saraswati.

Kunst, so scheint es mir inzwischen, wird in Indien von hier aus verstanden. Und von hier aus wird dann auch Ananda Coomaraswamy’s Kritik an westlicher Kunst als ‚retinal‚ klar.

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Was darf Kunst? https://readingdeleuzeinindia.org/de/was-darf-kunst/ Sun, 16 Apr 2023 17:05:03 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=3701

Hier in Auroville wurde neulich ein Theaterstück von den Hausherren des Bharat Nivas vom Program genommen. Die Begründung war, dass einige in der Community Anstoß daran genommen hätten, noch bevor es aufgeführt wurde. Das wirft Fragen auf. Was darf Kunst, wann ist ein Verbot gerechtfertigt? Daran gekoppelt ist natürlich die Frage, was ist die Aufgabe […]

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Hier in Auroville wurde neulich ein Theaterstück von den Hausherren des Bharat Nivas vom Program genommen. Die Begründung war, dass einige in der Community Anstoß daran genommen hätten, noch bevor es aufgeführt wurde. Das wirft Fragen auf. Was darf Kunst, wann ist ein Verbot gerechtfertigt? Daran gekoppelt ist natürlich die Frage, was ist die Aufgabe der Kunst, was soll Kunst also tun? Die Frage lädt ein darüber nachzudenken, was die Rolle der Kunst ganz allgemein ist, hier in Indien und im Westen. Und weil diese sehr grundsätzliche Frage sich nicht nur über den indoeuropäischen Raum erstreckt, sondern ein ganzes Feld unterschiedlichster Kulturen abdeckt, möchte ich ihr auch noch eine zeitliche Dimension geben.

Fangen wir vorn an, z. B. bei den Griechen der Klassik. Hier gibt es einerseits die Frage nach dem Schönen (Form, Funktion, und/oder Proportion) anderseits aber auch die Frage nach der Rolle der Kunst innerhalb der Philosophie (techne, mimisis, aisthesis). Im Kern geht es bei dieser Begriffskonstellation um das Verhältnis des Subjekts zur Außenwelt als Objekt. Wie nehmen Menschen Welt wahr, wie und warum imitieren wir Welt z. B. im Theater, oder in Skulpturen? Welche Technik, welches Handwerkszeug setzten wir dabei ein, die Welt zu formen, ihr eine Funktion zu geben, oder schöne, d. h. mathematische Proportionen herauszuarbeiten? Es geht also um die Beziehung von Mensch zu seiner Umwelt in einem gestaltenden Verhältnis.

Kunst wird erschaffen, hervorgebracht, ist Ausdruck eines Subjekts, das die Objektwelt gestalterisch formt. In der Kunst des Abendlandes sehen wir den Künstler und seine Vision. Das hat sich trotz all der rasanten Entwicklungen der europäischen Kunstgeschichte bis heute nicht grundlegend geändert.

Ganz anders in der ‚indischen‘ Kunst. Klassische indische Kunst drückt Gefühle aus, die allgemeingültig sind. Gefühle der Spiritualität, menschliche Emotionen, Kräfte, die in der Welt wirken. Der Künstler ist dem Kunstwerk nachrangig, eigentlich unwichtig, denn nur das, was in dem Kunstwerk ausgedrückt ist, zählt, denn es ist ein Abbild von Kräften, die im Kosmos wirken. Der Künstler hat sie bloß sichtbar gemacht. Und hier rührt das Missverständnis her, dass die Kunst Indiens in weiten Teilen der Kunst des europäischen Mittelalters gleicht, da es dort auch keinen Künstler gab, wie ihn die Antike oder die Renaissance kannte. Was ist der Unterschied?

Textualität und Interpretation

Es gibt einen wichtigen Unterschied. Das westliche Auge, oder Ohr, der westliche Geist, sucht im Kunstwerk das, was interpretiert werden kann. Dies kann eine intrinsische Eigenschaft sein wie z. B. wie Schönheit, oder eine technische Meisterschaft, eine ikonographische Referenz, das Genie des Künstlers, ein Objekt, das Teil eines Diskurses ist, ein Gegenstand der Reflexion, oder ganz ‚einfach‘ ein Abbild, eine Darstellung oder eine Repräsentation. Die Liste ließe sich lange weiterführen. Im wesentlich geht es aber immer um eine Interpretation. Wenn ein Kunstwerk Gegenstand einer differenzierten Interpretation ist, dann gilt es als ein gelungenes, großes Kunstwerk. Ist es ein Objekt, das Gefallen auslöst, so steht es unter dem Verdacht ‚bloß‘ Design zu sein, Kunsthandwerk, oder Kitsch.

Auf diese Art hat der Westen eine Kulturlandschaft hervorgebracht, die auf Interpretation beruht. Und Interpretation ist letztlich eine kritische Analyse im Medium der Sprache, d. h. sie ist textuell. Die Begegnung mit Kunst ist eine des Nachdenkens über Kunst. Die Kontemplation, die auch in den westlichen Diskursen der Kunsttheorie immer wieder thematisiert wird, ist eine Vorstufe dieses Nachdenkens. Kontemplation wird im Nachgang reflektiert und ausgedrückt und damit ihrer Kraft beraubt.

Das Sublime

Die ästhetische Erfahrung, die sich diesen diskursiven Tendenzen entzieht, geht in den Bereich des Erhabenen, des Sublimen, einen Bereich der säkularen Transzendenz, d. h. an die Grenze der Sprache. Denn auch die Grenze des Textuellen ist Teil des Diskurses, nur eben als Abgrenzung und Verweis auf das Unsagbare. Bei diesem Verweis belässt es die westliche Kunsttheorie jedoch zumeist. Ein weiteres Sprechen über das, was nicht sagbar ist, wäre paradox. Und so geht der Betrachter im Westen in die Kunsttempel, die Museum und Galerien, die Kirchen und archäologischen Stätten, die urbanen Orte oder die Natur, um zu interpretieren, was sich dort präsentiert, oder aber vor dem Unsagbaren zu verstummen.

In den Traditionen, die auf monotheistischen Religionen basieren, kommt der Kunst daher die Rolle des Erzählens zu, d. h. die Geschichte der Religion wird erzählt. Die spirituelle Kraft der Kunst unterliegt einem zunehmenden Prozess der Abstraktion. Kunst wird zunehmend säkular, materialistisch, kapitalistisch, Religion hingegen zunehmend plakativ transzendent. Religion verweist auf ein Jenseits wo das persönliche Leben eine Fortführung findet. Dieses Jenseits ist hier natürlich nicht erfahrbar, nicht aussprechbar, wird zugleich aber als ein Abbild unserer Realität gedacht, wenn auch idealisiert.

Es gibt daher verschiedene Formen der Repräsentationen von Realität. Und so ist die Kunst ihrer Kraft des Wunders beraubt. Sie wird zur ‚Erzählkultur‘, einer Kultur der Repräsentation und Gegenstand verschiedener Kulturtechniken, sie wird Teil des Logos. Doch gibt es ein klares Verlangen, sich dem Unsagbaren, dem Erhabenen zu nähern. Denn dieses Unsagbare entzieht sich nicht der Erfahrung, es ist nur nicht durch den rationalen Geist erfassbar. Das Problem liegt darin, dass der rationale Geist der Logik einer Systematisierung der Welt durch den Logos folgt. Im Westen herrscht die Idee vor, dass der Logos die Welt erklären kann, und dass andere Zugangsweisen zur Welt diesem Logos unterlegen sind, und durch ihn erst systematisiert werden müssen: das gilt z. B. für die Intuition, das Gefühl, das Bewusstsein, die Erfahrung des selbst, und die Erfahrung dessen, was das Selbst übersteigt. Diese Phänomene werden in der westlichen Kultur als unaufgeklärt verstanden. Und so entsteht ein Verlangen nach dem Erhabenen, das aber als unaufgeklärt verteufelt wird. Kultur unterdrückt. Bei Freud ist Kultur sublimierte Sexualität. Da ist in der Beschreibung für den Westen etwas dran.

Brahman

In der indischen Kunst scheint es geradezu anders herum zu sein. Die indische Kunst bringt etwas hervor, das sich der Sprach entzieht. Die Tradition spricht von Rasa1, einer Vibration in der Wahrnehmung, die oft mit Geschmack übersetzt wird, aber nicht im Sinne eines guten Kunstgeschmacks, sondern im Sinne einer Qualität, die durch ein Kunstwerk evoziert wird. Diese Vibration im Kunstwerk erzeugt eine Vibration im Betrachter und verbindet das innere Selbst des Betrachters mit der Qualität, die im Kunstwerk evoziert wird, welche wiederum Zeugnis einer Kraft ist, die hinter der oberflächlichen Realität steht.

In der Indischen Philosophie herrscht der Grundgedanke vor, dass Brahman, das höchste Sein, das alles umfasst, sich selbst erfahren will. Nur aus diesem Grund tritt Brahman aus der vollkommenen Existenz heraus und entfaltet sich in der physikalischen Welt. Der Zyklus der Welt, die Weltenseele, das einzelne Bewusstsein, die universellen Kräfte, all das ist Brahman, der sich selbst erfährt. Brahman ist daher für uns nicht denkbar, wir sind Teil von Brahman, Brahman ist in uns, alles ist Brahman. Kunst kommt hier die Rolle zu, einige dieser Kräfte darzustellen. Kunst lässt den Betrachter wundern. Eine Qualität, die im Kunstwerk zum Ausdruck kommt, wird als Rasa erfasst. Sie kann nicht direkt in Sprache ausgedrückt werden. Die Statue eines Gottes ist Ausdruck einer Eigenschaft, einer Kraft im Kosmos, die erfahrbar (schmeckbar, fühlbar) geworden ist. Die Tatsache, dass der Betrachter und der Künstler mittels des Kunstwerks eine Rasa evozieren, bedeutet, dass diese Wahrnehmung, das Bewusstseins, die Erfahrung, die Vibration des Bewusstseins da ist.

Dasein

Was meint Dasein hier? Dasein sollte hier nicht in einem dualistischen Sinn verstanden werden, so als ob eine Eigenschaft in einem Kunstwerk von einem Betrachter wahrgenommen wird, und diese Eigenschaft eben im Kunstwerk da sei. Sondern Dasein heißt hier vielmehr, dass eine Kraft des Kosmos, ein Teil von Brahman sich entfaltet und sichtbar geworden ist. Sichtbar nicht in dem Sinne, dass ein Betrachter etwas in einem Kunstwerk sieht, sondern, dass eine Kraft sich in einem Kunstwerk zeigt und im Betrachter eine Rasa evoziert, die ihn an der Kraft teilhaben lässt. Daher sind die Götterstatuen in Indien belebt. Die Götter sind in ihnen. Wenn die Kräfte durch Anbetung – Puja – besänftigt werden, dann sind sie da. Die Hingabe an das universale Prinzip ist Bhakti, es definiert auch eine Haltung in der Beziehung zwischen rituellem Objekt und den Gläubigen. Der Betrachter interpretiert nicht oder urteilt nicht über ein externes Objekt, sondern die Seele gibt sich den Göttern hin. Diese Hingabe wird durch ein Medium, ein Kunstwerk, erleichtert.

In Indien ist Kunst immer noch Teil des kosmischen Zyklus, Teil von Brahman, sie ist belebt, so wie der ganze Kosmos belebt ist. Tempel, Statuen, Gedichte, Tanz, Musik sind Teil des Kosmos, Teil der kosmischen Kräfte, sie sind Teil von Brahman, und sie ermöglichen es dem Betrachter Aspekte von Brahman klarer, deutlicher, lebendiger zu sehen. Kunst heißt sich wundern zu können, zu schmecken, was sonst schwer zu finden ist – Rasa2. In der Indischen Kunst ist Brahman präsent. Das Dasein der Kunst ist die Präsenz von kosmischen Kräften, Göttern wie man hier sagt.

Zurück zur Eingangsfrage: Was darf Kunst?

Ich frage mich nun, was diese Überlegungen für die Ausdrucksfreiheit der Kunst bedeuten? In der westlichen Tradition ist es selbstverständlich, dass die Diskursivität der Kunst eine Streitkultur nicht nur zulässt, sondern hervorbringt und kultiviert. Kritik, Meinungsverschiedenheit, Satire, Zensur, sind Teil des Kulturbetriebs, und das Erkunden der Grenzen gehört zur Praxis. Welche Rolle kommt aber z. B. der Satire in der Indischen Kunst zu? Welcher Aspekt von Brahman wird hier realisiert? Kann nicht alles gezeigt werden? Auch die Götter lachen doch und weinen, sind zornig oder heroisch.

Mir kommt hier eine Frage: Im Westen ist Kunst oft Teil von politischer Kultur. Politik wird auf die Bühne gebracht und Kunst interveniert in der Gesellschaft und der Politik. Im 20. Jahrhundert war die Forderung an die Kunst, ihre Verantwortung in der Gesellschaft stärker wahrzunehmen und an politischen Diskursen teilzunehmen. Gilt das aber auch für Kunst in dem von Kolonialismus gebeutelten Subkontinent Indien? Indien mit seinen vielen Sprachen, Kulturen, Religionen ist ein so buntes, tolerantes Land, das sich aus einer wie auch immer gearteten Verbindung zur Spiritualität speist. Die weltweit größte Demokratie gewährt bis dato weitestgehend Meinungsfreiheit. Doch wenn ich mit Kulturvertretern hier spreche, so verweisen viele auf die Tradition, auf die Rolle der Kunst spirituelles Wachstum zu fördern. Ich höre hier auf dem Land selten, dass Kunst einen politischen Auftrag hat.

Zugleich waren aber z. B. auf der Kochi Biennale viele kritische Stimmen zu hören. Ein großer Teil der Kunst dort bezog sehr deutlich politische Stellung zu aktuellen Themen wie Klimakrise, Gleichberechtigung, Verfolgung von Minderheiten, Ausbeutung und Korruption. Mir war die künstlerische Sprache dieser Positionen sehr vertraut, sie lehnte sich an Ausdrucksformen des Westens an.

In Indien prallen diese zwei Welten aufeinander. Der Siegeszug des Kapitalismus und seiner säkularen, d. h. materialistischen Struktur macht auch vor Indien nicht halt. Ob die Instrumente dieser Kulturindustrie helfen die Opfer eben jener Kulturindustrie zu retten, bleibt abzuwarten. Traditionalisten versuchen sich durch eine Zurückweisung der Moderne vor diesen kolonialen Strukturen zu schützen. Das wird im Westen als rückständig und konservativ wahrgenommen.

Der Kulturkampf ist auch hier in Auroville voll im Gang. Wenn zur Zeit, im Jahr 2023, von einer neuen Globalen Ordnung die Rede ist, so geht auch um diesen Kulturkampf.

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1 Rasa kommt aus den dramatischen Künsten, Dichtung, Tanz und Theater. Ich möchte Rasa aber hier etwas weiter verstehen.

2 In der Dichtung, der Grundlage von Theater und Tanz sind die Rasa wohl definiert: Die vier primären Rasas sind: Liebe/Erotik (Śṛngāram), Heldentum (Vīram), Wut (Raudram) und Ekel (Bībhatsam). Aus ihnen abgeleitet sind: Humor (Hāsyam) von der Liebe (Śṛngāram), Mitgefühl und Pathos (Kāruṇyam) von der Wut (Raudram), Wunder und Magie (Adbhutam) vom Heldentum (Vīram) und Furcht (Bhayānakam) von Ekel (Bībhatsam). Über Jahrtausende hat sich ein sehr differenzties System entwickelt wie verschiedene Aspekt der menschlichen Psyche dargestellt werden können und welchen Göttern sie korrelieren.

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Haus https://readingdeleuzeinindia.org/de/haus/ Mon, 10 Apr 2023 14:22:54 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=3690

Art begins not with flesh but with the house. (Deleuze)   Ich praktiziere nun Meditation. Es hat lange gedauert, mir das einzugestehen. Ich habe das irgendwie schon immer getan, nur wusste ich es nicht. Ich habe wie die meisten Menschen Phasen, in denen ich in mich reinschaue, oder mich auf etwas kontemplativ konzentriere, Phasen, in […]

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Art begins not with flesh but with the house. (Deleuze)

 

Ich praktiziere nun Meditation. Es hat lange gedauert, mir das einzugestehen. Ich habe das irgendwie schon immer getan, nur wusste ich es nicht. Ich habe wie die meisten Menschen Phasen, in denen ich in mich reinschaue, oder mich auf etwas kontemplativ konzentriere, Phasen, in denen ich versuche meinen Geist zu beruhigen, oder herauszufinden, was dieses Ich in mir eigentlich ist, Phasen, wo ich versuche das zu verstehen, was mein rationaler Geist nicht verstehen kann (z. B. die Unendlichkeit, oder den Anfang der Zeit etc.).

Ich habe das getan, wenn ich eine Krise hatte (sei das nun intellektuell, emotional, biografisch…) oder ich tue das, wenn ich mein Bewusstsein kläre (wie geklärte Butter) oder schaue, welche Kräfte in mir am Wirken sind, so als ob große Tiere in mir nach vorn und noch oben drängen, als wenn Pferde und Kühe unruhig versuchen sich zu befreien und zum Licht streben.

Licht

Im Angesicht des Lichts dann also, wenn der Geist zur Ruhe gekommen ist, der rationale Geist Frieden geschlossen hat mit der Tatsache, nicht alles verstehen zu können und doch in der Lage ist, die Welt intuitiv zu erfassen, ein Moment also der Einheit mit der Welt auf einer Bewusstseinsstufe, die den Alltag transzendiert, dort ist das, wofür es im Deutsch keine unbelasteten Worte gibt: Wonne, Seeligkeit, im englischen Bliss in Sanskrit Ananda.

Dieser Zustand war mir aber immer irgendwie unheimlich. Denn dort sah ich dann Phänomene, die ich von kitschigen New Age Postkarten kannte, oder von einem Mitbewohner aus meiner Studienzeit in London, der immer auf LSD gemalt hat… Ich denke, ich tat gut daran, diesen Visionen gegenüber kritisch zu sein, denn es ist eine etwas effekthascherische Ablenkung des meditativen Bewusstseins. Farbe, Geometrien, Licht, kosmische Weite… all dies sind schöne Erfahrungen und Bilder, doch führen sie nicht weit. Sie lassen das kleine Ego denken, etwas besonders zu sein. Diese Bilder entstehen ja leiht innerhalb einer längeren Meditation, vor allen im Lotossitz nach einer halben Stunde oder so, wenn also die Beine anfangen einzuschlafen. Wenn der Schmerz der Sitzhaltung nachlässt und die Endorphine nun nicht mehr die Reize des Körpers kontrollieren müssen, sondern frei und wild sich im Bewusstsein austoben können, es ist schön, führt aber, wie gesagt, nirgendwo hin. Mir war das also immer suspekt.

Raum

Spannender finde ich, wenn in diesem Bewusstsein sich ein Raum öffnet und das geistige Auge anfängt, klar zu sehen. Bei geschlossenen Augen meditiert das Bewusstsein auf sich selbst. Es löst sich aus dem Reiz-Reaktionsschema, da eigentlich nicht mehr viele Reize da sind (vorausgesetzt die Meditation findet in einem wirklich ruhigen und reizarmen Raum statt). Bewusstsein ist jetzt mit sich allein. Wo will es hin? In die Erinnerung? In das Nachdenken und das Probleme lösende Denken? In die Kontemplative Schau? In die Fantasie und Kreativität? In die Gefühle, das Herz?

Um dem ein wenig zu helfen und zu systematisieren, gibt es das Bild der 7 Chakras (Sahasrara, Ajna, Vishuddha, Anahata, Manipura, Svadhisthana, Muladhara). Ich kann diese Chakren in der Meditation besuchen und schauen, ob das eine oder andere Chakra ein wenig Aufmerksamkeit benötigt. Eine Art inneres Gleichgewicht kann so hergestellt werden. Auch hier versuche ich die kitschigen Farbkreise zu vermeiden. Ich finde das nicht hilfreich, das mag für andere aber anders sein. Ich schweife aber ab, es gibt viele solcher ‚Techniken‘.

Konzept, Perzept, Affekt

Wo will das Bewusstsein hin? Wer oder was ist hinter dem Bewusstsein, wo kommt es her? Gibt es eine Seele? Ist sie unsterblich? Ist sie Teil von etwas Größerem? Kann ich das Universum, Existenz an sich, mit all ihrer Komplexität und ihrem Facettenreichtum als Einheit denken?

Hier komme ich mit meinen Konzepten an schnell an die Grenzen des Denkbaren (Kants Antinomien). Mein kleines Hirn, wie soll sich das dem nähern? Solange ich daran festhalte, dass mein Bewusstsein allein aus Sinneseindrücken – Perzepten – besteht, die aus den Sinnesorganen meines Körpers erzeugt werden, kann ich diese subjektive Perspektive nicht verlassen. Meine Intuition und meine Kreativität helfen hier aber weiter. In meinem Bewusstsein gibt es Affekte, es ist affiziert, es agiert. Genau dieses Agieren geleitet von Intuition und Kreativität ist für mich der Schlüssel für eine tiefe Meditation. Konzept und Perzept haben ihre Rolle und Aufgabe, doch sie sind begrenzt in ihrer Reichweite und ihrem Verständnisvermögen. Affekte jedoch sind anders. Ein Affekt, was ist das?

„By whom missioned falls the mind shot to its mark? By whom yoked moves the first life-breath forward on its paths? By whom impelled is this word that men speak? What god set eye and ear to their workings?

That which is hearing of our hearing, mind of our mind, speech of our speech, that too is life of our life-breath and sight of our sight. The wise are released beyond and they pass from this world and become immortal.“ (Kena Upanischade)

Wer hört beim Hören, wer sieht beim Sehen, wer denkt beim Denken? Eine Lebenskraft, ein Elan Vital, ein Werden (Becoming), eine Veränderung (change)? Wenn sich die Vibrationen der Sinne vermischen (intermiscence), entsteht ein Perzept. Wenn sich dieses Perzept ausdrücken will, so tut es das in Sprache, einer anderen Form von Vibration. Ein Konzept entsteht. Diese Konzepte sind zuweilen abstrakt, sie mögen Ideen sein. Diese Ideen sind aber Teil einer anderen Realität. Schon bei Platon führt das zu einem Idealismus, der jedoch im westlichen Rationalismus zu einer Transzendentalphlosophie verkümmert.

Bei Deleuze bleiben Konzept, Perzept und Affekt jedoch agil, sie entstehen, wenn der Körper mit der Außenwelt in eine Begegnung tritt. Konzept, Perzept und Affekt verändern sich, sind jedoch wiedererkennbar, sie bilden Muster. Sie sind die Grundformen von Vibrationen, also energetische Muster. Sie sind auch bedingt kommunizierbar. Vor allem aber bilden sie einen inneren Raum, der in der Meditation erfahrbar ist.

Raum ist dabei nur bedingt wörtlich zu verstehen. In der Meditation ist der Geist frei, sich zu bewegen. Raum und Zeit sind keine Begrenzungen mehr. So wie beim Assoziieren von Gedanken, die Gegenstände der Gedanken nicht mitbewegt werden, so kann im Raum der Meditation der Geist frei von einer Schau zur nächsten eilen. Ich denke, das ist, was mit dem Sehen des inneren Auges gemeint ist und was bei manchen bis zu Visionen gesteigert wird.

Visionen

Diese Visionen, wie ich das mal altmodisch nennen will, geben Zugang zu mehr als bloß einer inneren Erfahrungswelt. Ein Haus errichtet sich dort, eine Stadt, in der Kräfte einfach nur Kräfte sind, losgelöst aus Kausalketten. Es mag da neurochemische Prozesse geben, die ablaufen, wenn der Geist so aktiv ist, und wer mag, der möge doch Reduktion hier vornehmen. Doch ist das eine sehr gewagte Theorie, durch nichts gestützt, ist reine Science-Fiction – denn wir haben es hier bestenfalls mit Korrelationen zu tun, eine Kausalbeziehung ist nicht nachweisbar. Wir wissen ja nicht mal, was das ist, was wir in eine Kausalbeziehung setzen wollen.

Nehmen wir das Bewusstsein doch einfach als das, was es ist: Bewusstsein. Wieso dieser Reduktionismus? Ich reduziere mein Leben ja auch nicht auf Biochemie.

In diesem Bewusstsein also entsteht ein Raum, d. h. eine Architektur. Bei Deleuze klingt das so:

“Interlocking these frames or joining up all these planes wall section, window section, floor section, slope section- is a composite system rich in points and counterpoints. The frames and their joins hold the compounds of sensations, hold up figures, and intermingle with their upholding, with their own appearance. These are the faces of a dice of sensation. Frames or sections are not coordinates; they belong to compounds of sensations whose faces, whose interfaces, they constitute. But however extendable this system may be, it still needs a vast plane of composition that carries out a kind of deframing following lines of flight that pass through the territory only in order to open it onto the universe, that go from house-territory to town-cosmos, and that now dissolve the identity of the place through variation of the earth, a town having not so much a place as vectors folding the abstract line of relief. On this plane of composition, as on „an abstract vectorial space,“ geometrical figures are laid out cone, prism, dihe-dron, simple plane-which are no more than cosmic forces capable of merging, being transformed, confronting each other, and alternating; world before man yet produced by man. The planes must now be taken apart in order to relate them to their intervals rather than to one another and in order to create new affects. We have seen that painting pursued the same movement.” (Deleuze: What is Philosophy? p.187)

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Freier Wille https://readingdeleuzeinindia.org/de/freier-wille/ Sat, 25 Mar 2023 09:27:07 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=3659

In den westlichen analytisch-modernen Theorien des Bewusstseins, also denen, die sich als empirisch-wissenschaftlich verstehen, wird immer von einer Korrelation zwischen Materie und Bewusstsein ausgegangen. Das ist an sich relativ unstrittig, da eigentlich die allermeisten Gedankengebäude davon ausgehen. Geburt und Tod markieren die Eckpunkte dieser Korrelation. Nun stellt sich die Frage: Wie sieht diese Korrelation aus? […]

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In den westlichen analytisch-modernen Theorien des Bewusstseins, also denen, die sich als empirisch-wissenschaftlich verstehen, wird immer von einer Korrelation zwischen Materie und Bewusstsein ausgegangen. Das ist an sich relativ unstrittig, da eigentlich die allermeisten Gedankengebäude davon ausgehen. Geburt und Tod markieren die Eckpunkte dieser Korrelation.

Nun stellt sich die Frage: Wie sieht diese Korrelation aus? Bestimmt das Bewusstsein die Materie, oder die Materie das Bewusstsein, oder ist es eine Wechselwirkung?

3 Varianten der Relation zwischen Bewusstsein und Materie

Die erste Variante, dass Bewusstsein Materie bestimmt, ist eine Position, die wir in den meisten spirituellen Gedankengebäuden finden, aber auch in einer analytischen Transzendentalphilosophie oder im Idealismus. Bewusstsein ist hier eine eigene Kraft, die aus sich selbst heraus agiert und gegebenenfalls in einem höheren Bewusstsein verankert ist. Diesen Gedankengebäuden ist gemeinsam, dass sie von einem selbst im Sinne eines autonomen Ichs oder einer Seele ausgehen.

Die zweite Variante finden wir in materialistischen Gedankengebäuden, also den strikt empirischen Theorien, oder analytisch reduktionistischen Gedankengebäuden. Biologische Wesen sind allein durch materialistische Prozesse bestimmt. Bewusstsein ist ein Luxus und rennt den materialistischen Prozessen hinterher. Es gibt keinen freien Willen, dieser ist eine Illusion, die eventuell einen evolutionären Vorteil bringt, aber mehr nicht.

Die dritte Variante, die der Wechselwirkung, ist das, was unserer Alltagsempfindung am nächsten ist. Wir fühlen uns manchmal getrieben durch unsere materielle Existenz, d. h. durch unseren Körper oder Zwänge unserer Umwelt. Wir haben das Gefühl, dass wir automatisch funktionieren. Zugleich haben wir aber auch Erfahrungen des freien Willens. Wenn wir uns z. B. nicht entscheiden können, oder gewohnte Bahnen verlassen, so denken wir, das sind freie Entscheidungen.

Was heißt das?

In der empirischen Wissenschaft wird oft angemerkt, dass es viele Studien gibt, die die zweite Variante stützen. Im Kern sehen die Versuche so aus: Ein Mensch wir an ein EEG angeschlossen, d. h., seine Gehirnströme werden gemessen. Das geht auch etwas differenzierter mit Computertomografie. Dann werden die Versuchspersonen gebeten, eine Entscheidung zu treffen. Wenn nun auf den Messgeräten ein Ausschlag zu sehen, ist, der anzeigt, dass die Entscheidung im Gehirn gefallen ist, und diese Messung der bewusst mitgeteilten Entscheidung der Versuchsperson vorausgeht. Dann, so die Behauptung, sei der freie Wille eine Illusion. Wichtig ist dabei, dass es überhaupt einen Zeitunterschied gibt, nicht wie lang die Zeitdifferenz ist. Das bewegt sich ohnehin im Millisekundenbereich.

Wie sähe das Gegenmodell aus, also die erste Variante? Die Versuchsperson würde eine Entscheidung treffen, sie äußern, und dann würde das Gehirn den Befehl ausführen. Und wie sähe das empirisch aus? Das Bewusstsein verändert den Sinnesapparat, den Körper, um einen Gedanken, d. h. eine Entscheidung, auszudrücken, die einerseits schon gefallen ist, anderseits noch nicht physisch materialisiert ist. Während des Ausdrückens des Gedankens wird die Entscheidung auf neuronaler Ebene erst umgesetzt.

Die dritte Variante, die der Wechselwirkung, ist die schwierigste. Zwei sehr unterschiedliche Systeme werden hier als interagierend angenommen. Das eine die physikalisch, biochemische Welt, das andere die Welt des menschlichen Bewusstseins. Eine wichtige Frage ist hier die nach dem Bindeglied. Wie sieht die Brücke aus? Eine Annahme ist, dass beide Systeme letztlich logisch sind, d. h. sowohl einerseits empirisch wissenschaftlich also auch anderseits rational.

Würfelt Gott?

Einstein sagte sinngemäß, Gott würfelt nicht. Das fasst das Paradox eigentlich ganz schön zusammen. Gott, der das Universum erschuf und mit ihm die Würfel und die Gesetze des Zufalls, unterliegt ihnen nicht.

In den Vedas ist das ausgedrückt durch die Relation von Brahman (universales Selbst, nicht im Sinne eines persönlichen Gottes), Puruscha (Bewusstsein) und Prakriti (die materielle Welt in Bewegung, Natur). In dieser Dreierrelation erscheint Atman, das individualisiert selbst (allerdings nicht im personalisierten Sinn)1.

Es ist erstaunlich, wie differenziert die Rishis, also die Seher, vor über 3000 Jahren die Relation zwischen Bewusstsein und Materie in tiefer Meditation gesehen haben. Ihre Sichtweise, dass der Evolution eine Involution vorausgeht, klingt heute befremdlich, beschreibt aber eigentlich nur jenes wechselseitige Verhältnis, die Wechselwirkung zwischen Bewusstsein und Materie in einer zeitlichen Streckung.

Bewusstseinsebenen

Der Anfang liegt nicht im Urknall, sondern im gemeinsamen Grund von Materie und Bewusstsein. Das können wir Logik, Gesetz, Rationalität, Brahman, Schöpfer, Nirwana nennen, das ist eigentlich an dieser Stelle erst mal egal, wir haben es hier mit a priori zu tun. Nicht im epistemologischen Sinn, sondern im ontologischen.

Naturgesetze werden nicht durch Materie geschaffen, sondern Materie folgt ihnen. Was, wenn das Universum einem Gesetz folgt, das ihm vorausgeht? Das ist irgendwie die Grundannahme des reduktionistischen naturwissenschaftlichen Weltbildes. Jedoch erklärt dieses Weltbild nicht, wo die Gesetze herkamen. Waren die vor dem Urknall schon da? Oder entstanden sie gemeinsam während des Urknalls? Ganz sicher entstanden sie nicht nach dem Urknall…

Mir scheint es wesentlich plausibler, anzunehmen, dass es Bewusstsein gibt, das selbst agieren kann – unterschiedliche Formen des Bewusstseins, auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen.

Der freie Wille liegt nicht in der Fragestellung, ob die Wahl zwischen einem Apfel und einer Birne im Gehirn schon getroffen wurde, bevor sie im Bewusstsein erscheint. Die Freiheit liegt im Denken. Das Abenteuer des Denkens ist offen und weitet sich aus. Mögen wir uns nicht von Rückschritten blenden lassen.

Auf der Erkenntnisleiter folgen dem Denken Vijnana und Satchitananda. Ein höheres Bewusstsein, das über die rein rationale oder emotionale Denkweise hinausgeht. Vijnana ist ein Denken, das eine Weltsicht beinhaltet. Eine wirkliche Sicht der Welt, in ihrer Komplexität und ihren Implikationen. Ein Verständnis von Welt, das einen hohen Grad an Erkenntnis, Reflexion und Weisheit beinhaltet. Satchitananda sind die höheren Ebenen des spirituellen Bewusstseins. Es ist möglich, diese zu erfahren, es lässt sich aber schlecht darüber streiten. Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, mich selbst und andere davon zu überzeugen, dass es das nicht gibt – erfolglos.

hiraṇmáyena pā́treṇa satyásyā́pihitaṃ múkham |
tát-tváṁ pūṣann-ápā́vṛṇu satyádharmāya dṛśtáye |15|

15. The face of Truth is covered with a brilliant golden lid; that do thou remove, O Fosterer, for the law of the Truth, for sight. (Isha Upanishad)

Im Sanskrit gibt es ein schönes Wort: Dvaitadvaita – dualism-non-dualism, also die Dualität von Dualität und Nicht-Dualität.

 

 

1 Eine etwas gewagte Parallele ist im Christentum zu sehen: Die Relation von Vater, Sohn und heiligem Geist versinnbildlicht das gleiche Prinzip. Gott als Schöpfer ist Brahman gleichgesetzt, der Heilige Geist ähnelt Puruscha/Shakti, und Praktriti und Atman werden zusammengezogen und durch den patriarchalen Sohn ersetzt. Das nennt sich dann Dreifaltigkeit.

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Die Ordnung der Dinge https://readingdeleuzeinindia.org/de/die-ordnung-der-dinge/ Thu, 26 Jan 2023 03:52:16 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=3033 Pondycherry

Auf der Ladefläche eines kleinen Transporters stehend, bin ich die letzten Tage durch Auroville gefahren, um verschiedene Dinge für den Pottersmarket einzusammeln. Diese kleinen Transporter sind die großen Brüder der Tuk Tuks. Manchmal sieht man auf ihnen sechs oder sieben Dutzend Menschen stehen, wenn wieder mal eines großen Festivals ansteht. Es ist ein beliebtes Transportmittel […]

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Pondycherry

Auf der Ladefläche eines kleinen Transporters stehend, bin ich die letzten Tage durch Auroville gefahren, um verschiedene Dinge für den Pottersmarket einzusammeln. Diese kleinen Transporter sind die großen Brüder der Tuk Tuks. Manchmal sieht man auf ihnen sechs oder sieben Dutzend Menschen stehen, wenn wieder mal eines großen Festivals ansteht. Es ist ein beliebtes Transportmittel für die Menschen in den Dörfern, wenn sie gemeinsam lange Strecken reisen, um den Göttern nahe zu sein. Es ist verwunderlich, wie sicher sich das anfühlt, denn eigentlich ist das ja extrem gefährlich, würde man im Westen denken. Mir scheint es sicher zu sein, weil sich niemand auf die Technik verlässt. Außer einem Stahlgerüst, einem Dieselmotor, Rädern, Getriebe etc. ist da nicht viel dran. Es ist ein Werkzeug, das von Menschen genutzt wird, die sehr gut gegenseitig auf sich aufpassen.

Alles ist von Rücksicht und Vorsicht, von Vorsorge und Mitgefühl getragen. Ich verlasse mich darauf lieber, als auf einen Algorithmus oder vollautomatische Systeme. Denn in dieser Zwischenmenschlichkeit wird das gemeinsame Bewusstsein spürbar. Wenn man sich so durch die Welt bewegt, gibt es ein ewiges lachendes Echo von allen Seiten. Die Welt scheint getragen zu sein, und sich in einem Einklang zu befinden. Wenn es dann doch einmal brenzlig wird, weil jemand auf dem Motorrad telefoniert und das Hupen nicht gehört hat, oder die Kuh auf der Straße sich stoisch nicht aus der Ruhe bringen lässt, dann spürt man ein wenig Mitleid mit dem, der aus der Synchronität herausgefallen war und eine Kollision von Kräften hervorgerufen hat.

Das Gleiche gilt für die Geschäfte mit Metallwaren in den engen Gassen Pondycherrys. Das Klappern der Töpfe, das gleichzeitige Reden von vielen, die Ordnung der Regale, deren Inhalt, der dann letztlich teils doch einfach nach Gewicht verkauft wird. All dies bringt eine andere Art der Kommunikation hervor. Die sprachliche Koordination in Englisch ist viel direkter. Aber die Höflichkeiten und Emotionen, die Anerkennung des anderen, das Mitgefühl und die Dankbarkeit, aber auch die Frustration und Ungeduld, dies alles ist im Gesichtsausdruck und der Kopfbewegung. Tendenziell sind die positiven Emotionen im Gesichtsausdruck und den Kopfbewegungen, die negativen in den Händen. Eine nach oben geöffnete Hand mit einem fragenden Blick z. B. scheint zu bedeuten „Warum lässt du mich diese negative Energie spüren?“

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Diese Kommunikation ist im Tanz wiederzufinden, in den Mudras, den Handbewegungen und den Körperbewegungen, die wie Jantras funktionieren, also geometrischen Figuren, die energetisch zu lesen sind. Die Klänge der Sprache hingegen sind weich und fließend, die Sprache der Tamilen ist eine der ältesten der Welt, ebenso alt wie Sanskrit, aber im Gegensatz zu Sanskrit wird sie auch auf den Dörfern und nicht nur in den Universitäten gesprochen. Der Klang ihrer Silben ist wiederzufinden in der karnatischen Musik, deren extreme rhythmisch-mathematische Komplexität das ungeübte Ohr ganz schwindelig werden lässt.

Und letztlich verweist dies natürlich alles wieder auf die kosmische Ordnung. Ich beginne immer mehr zu sehen, dass die Welt, in der wir leben, sich ableitet aus einer anderen, sie umfassenden Realität. Alles führt zurück zu den Upanishaden. In der Meditation wird dies Gewissheit. Für den rationalen Geist des Westens mag das befremdlich klingen. Möge ChatGPT diesem Geist geben, was er sucht. In Indien wird die Angst vor ChaptGPT mit einem Lachen beantwortet. Es ist ganz klar, eine unumstößliche Gewissheit, dass die Computer keine Konkurrenz für die Seele sind, sie sind kraftvolle Werkzeuge, mehr nicht.

Ich fragte ChatGPT neulich – nach einer längeren Konversation über Aurobindo, Deleuze und die Upanischaden – ob der Pfad der Upanischaden und der Meditation der KI zugänglich ist:

 

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Die Kraft der Upanischaden: Klarheit und Spiritualität durch Meditation https://readingdeleuzeinindia.org/de/vibration/ https://readingdeleuzeinindia.org/de/vibration/#respond Mon, 16 Jan 2023 07:48:16 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=2967 Kerala Festival

Entdecke die spirituelle Kraft der Upanischaden und der Rigveda in Indien. Erfahre die Wesensschau und die reine Form der Sinne in der Meditation.

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Kerala Festival

Während ich der Weisheit der Upanischaden und der Kraft des Rigveda folge, wird mir vieles immer klarer. Die spirituelle Kraft der alten Schriften in Indien liegt in ihrem ungefilterten Zugang zur Erfahrung und der Intuition.

Die Denksysteme, die ich in der westlichen Tradition kennengelernt habe, versuchen im Grunde immer, einen Ausgangspunkt zu finden:

  • Philosophie sucht immer nach dem Anfang. Jedoch tut sie das in der Regel durch den Verstand. Das führt zu der Frage nach einer Axiomatik und Ontologie, also der Frage nach den Grundannahmen und den nicht reduzierbaren Seinsformen.
  • Andere, eher religiöse und mystische Versuche, suchen nach einem Anker im Transzendentalen, Metaphysischen oder Übernatürlichen. Letztlich also in einer Autorität, die erfahrbar ist.
  • Die Wissenschaft mit ihrem materialistischen Zugang zur Welt sucht nach Mustern und versucht, diese zu verallgemeinern, um die daraus abgeleiteten Theorien zu verifizieren bzw. zu falsifizieren.

Was ich hier in Indien kennenlerne, ist die Wesensschau in der Mediation. Die Spiritualität nimmt ihren Ausgang von der Sicht nach innen. Diese Sicht nach innen ist rein und ungetrübt. Sie ist wie geklärtes Butterfett – Ghee.

Meditation zum Selbst

In der Meditation ist der Körper in einer Ruheposition und der Geist lässt die Reize der Außenwelt verklingen. Als Hilfestellung zu Beginn einer Mediation wird oft die Konzentration auf den Atem genommen. Das Zählen der eigenen Atemzüge lenkt das Bewusstsein auf den eigenen Körper, auf die Lebenskraft des Atems, auf das Verhältnis der Außenwelt zur Innenwelt. Wenn der Geist und der Körper so zur Ruhe gekommen sind, fängt die eigentliche Meditation erst an. Die Sinne, die nun weitestgehend aus dem Reiz-Reaktionsschema befreit sind, liegen offen. Und genau hier setzten die Upanischaden an.

Im nächsten Schritt geht es nicht um eine Erfahrung des Transzendentalen, des Mystischen, einer irgendwie anders gearteten Realität, wie so viele Meditierende meinen. In den Upanischaden geht es darum, die Sinne in eine reine Form zu bringen. Sehen wird Sehen, Hören wird Hören, Denken wird Denken etc… Nicht mehr und nicht weniger. Wem es gelingt, auf dieser Bewusstseinsebene zu verweilen, nimmt die Grundstruktur des Bewusstseins wahr. Es wird klar, dass die Sinneseindrücke, angeregt durch die äußeren Sinnesorgane, innerhalb des Bewusstseins erscheinen, aber eben transformiert. In der Philosophie springen viele Denker nun viel zu schnell zu dem Schluss, dass es sich hier um mentale Repräsentativen handelt. Bis wir bei mentalen Bildern angekommen sind, passiert aber noch viel.

Die Kena Upanischad fragt: Wer sieht beim Sehen, wer hört beim Hören, wer denkt beim Denken etc…. Dies ist die Frage aller Fragen. Die Antwort ist klar und rein – Simplicity is complexity resolved – das absolute Selbst. Was heißt das?

Wenn sich mein Bewusstsein in der Meditation auf einen der Sinne konzentriert, so wird er – losgelöst von seinem Objekt der Wahrnehmung und ebenso losgelöst vom Subjekt der Wahrnehmung, zum reinen Bewusstseinsgehalt, einer Form, die einer Vibration entspringt. Vibration ist der Begriff der Upanischaden, für den wissenschaftlichen Geist könnten wir von Bewusstseinsgehalten, die neuronale Ströme begleiten, sprechen. Diese Vibration, die durch die Sinnesorgane ausgelöst ist, konstituiert Bewusstsein. Selbst reduktionistische Materialisten würden hier noch zustimmen. Es ist das, was Hegel sinnliche Gewissheit nennt.

Wer ist es aber, der diese sinnliche Gewissheit hat? Es ist nicht das Subjekt, das die mentalen Bilder, die Repräsentationen synthetisiert, sondern es ist eine Vermischung der Vibrationen. Bewusstsein existiert nicht in Isolation. Bewusstsein ist eine Vermischung von verschiedenen Bewusstseinsinhalten. Die Vibration der Sinne vermischt sich mit unserem Atem und dem Herzschlag, der Natur. Kurz: Bewusstsein ist an die Lebenskraft gebunden (Prakriti), an eine Seele (Purusha) und Identität (Atman).

Atman und Brahman

Innerhalb der Meditation ist die Vermischung der Sinne gut zu beobachten. Das klare Bewusstsein wird sich dieses Gleichklangs bewusst und erfreut sich daran. Es ist hier, wo Ekstase und Seligkeit erfahrbar werden. Und hier, jedenfalls für mich, erwacht das Selbst in einem tieferen Sinn. Denn hier ist das Bewusstsein losgelöst vom Reiz-Reaktions-Schema. Das synthetisierte Bewusstsein (Atman), entfaltet eine eigene Handlungskraft, es wird zu einem Agierenden, d. h. frei. Und in eben jenem Bewusstsein des freien Selbst (was ein wesentlich stärkerer Begriff ist als das recht technische Selbstbewusstsein mit seiner selbstreferenziellen Struktur), erkennt das Selbst seine Einheit mit dem absoluten Selbst. Das freie Bewusstsein erkennt sich als Teil des Bewusstseins überhaupt. Atman ist Brahman und Brahman ist Atman.

Bilder der Rigveda

Von hier aus werden mir auch Bilder Rigvedas klar. Die heiligen Kühe, die als Strahlen der Sonne und in anderen merkwürdigen Konstellationen vorkommen, die Pferde, die angespannt sind und aus den Städten kommen, oder die Götter fahren, das Feuer, das in unterschiedlicher Form, mal rauchend, mal klar, allgegenwärtig ist.

Ich versetzte mich manchmal nach einer Meditation in eine vorhistorische Zeit, in eine Zeit, mit wenigen Werkzeugen, ohne Schrift, unter dem Sternenhimmel, wo die Pferde auf der Wiese grasen und die Milch über dem Feuer gekocht wird und die geschlagene Butter geklärt wird. Das Mysterium des Lebens und des Bewusstseins, die Erfahrung, Teil des Kosmos zu sein, um das Lagerfeuer sitzend, oder die Öllampen mit geklärter Butter für die Götter anzuzünden, ist eine tiefe spirituelle Erfahrung, die teilweise noch in den Tempeln und bei den Festen in Indien zu spüren ist.

Die geklärte Butter der majestätischen, freilaufenden Kühe, die kraftspendend und lichtgebend ist, der Atem der schnaufenden Pferde im Morgengrauen, das Feuer, das wärmt und sich in der Sonne und dem Mond spiegelt. Dies sind ganz konkrete Erfahrungen, die zentraler Gegenstand spiritueller Mediation sind. Die Rishis gehen ganz konkret von dem, was vor ihnen ist, aus, und sie reflektieren nach innen und beschreiben das Geheimnis unserer Existenz hier und jetzt. Es ist keine Spiritualität, die auf Autorität aufbaut oder von Kategorien a priori ausgeht. Diese Spiritualität ist entwickelt aus der allgemeinsten Erfahrungswelt, sie erklärt, wer und was wir sind. Sie gibt den Dingen und Kräften lediglich Namen und beschreibt sie.

Die Götter sind nichts anderes als jene Kräfte, die wir sehen: das Wachsen der Bäume in der Natur, der Kampf und die Liebe bei den Lebewesen, die Kräfte unseres Unterbewusstseins, die Ideale unseres Geistes. Sie sind Teil jeder Kultur, sie sind überall da, sie sind real. Im Hinduismus sind sie Kräfte benannt und als Götter verehrt. Was soll daran falsch sein?

Wir leben in dieser Welt, hier sind wir, und hier ist unsere Spiritualität. Sie liegt nicht im Jenseits, und sie ist auch nicht nicht.

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Intermiscence – Kena Upanischad https://readingdeleuzeinindia.org/de/intermiscence-kena-upanischade/ https://readingdeleuzeinindia.org/de/intermiscence-kena-upanischade/#respond Mon, 05 Dec 2022 02:36:23 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=2622 Kuh Auroville

Gerade komme ich von einer Andachtsmeditation zurück. Es ist der Jahrestag von Sri Aurobindo. Er hat vor 72 Jahren seinen Körper verlassen, wie man hier sagt. Ich habe die letzten Tage viel über seine Kommentare der Kena Upanischad nachgedacht und gesprochen. Ich stieß da auf das Wort ‚intermiscence‘. Es wird fast nur von Aurobindo verwendet. […]

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Kuh Auroville

Gerade komme ich von einer Andachtsmeditation zurück. Es ist der Jahrestag von Sri Aurobindo. Er hat vor 72 Jahren seinen Körper verlassen, wie man hier sagt.

Ich habe die letzten Tage viel über seine Kommentare der Kena Upanischad nachgedacht und gesprochen. Ich stieß da auf das Wort ‚intermiscence‘. Es wird fast nur von Aurobindo verwendet. Ich fragte alle Menschen, die ich traf, was das Wort heißt. Ein Freund hier fand als eine Übersetzung ins Deutsch ‚ineinanderfließen‘ (es beschreibt im Deutschen das Mischen von Flüssigkeiten).

Dieses Wort erscheint an einer so zentralen Stelle bei Aurobindo, und es so einzigartig, dass mein akademischer Geist neugierig geworden ist. Warum ein solch ungewöhnliches Wort an so einer wichtigen Stelle?

Kena Upanischade

Um was geht es? In der Kena Upanischad steht die Frage im Zentrum, wer beim Denken denkt, wer beim Hören hört, wer beim Sehen sieht… Aurobindo’s Kommentar ist eine philosophische Analyse. Er beschreibt dort ein ganzes philosophisches System, eine Skizze von Epistemologie, Metaphysik, Empirismus, Sprachphilosophie, Bewusstseinstheorie.

In den Upanischaden geht es immer wieder um die Frage, wer oder was wir sind. Unser Geist, unsere Individualität, unsere Seele, was ist die Welt, wer hat sie erschaffen, wie funktioniert der Kreislauf des Lebens. Vieles fängt – ähnlich wie bei Deleuze – mit der Vibration an, dann kommt der Rhythmus und dann eine Gruppierung, Ausdifferenzierung und Bewegung. In der Verstetigung entstehen Kraft und schließlich Form. Dies ist das Geheimnis der Schöpfung, die Vibration, die Urkraft.

In der rationalen Welt wird diese Vibration wissenschaftlich aufgefasst. In der spirituellen Welt als Bewusstsein, ein Ur-Bewusstsein – Brahman – das sich ausdifferenziert, um sich selbst zu erkennen. Die Welt existiert als Manifestation dieses Ur-Bewusstseins und alles ist letztlich eins. Aurobindo’s Philosophie könnte man beschreiben als einen Versuch, die verschiedenen Ebenen dieser Ausdifferenzierung in den unterschiedlichen Bewusstseinsebenen zu identifizieren: Lebenskraft, die wir schon bei Kleinstlebewesen finden, verschiedene Formen von Wahrnehmungsbewusstsein und deren Synthese, reflektierendes und sprachliches Bewusstsein, Intuition, Erkenntnis. Sie bilden verschiedene Verhältnisse zur Welt (Aurobindo verweist hier auf vijñāna, prajñāna, saṁjñāna und ājñāna).

Wie verbindet sich das, das beim Denken denkt, mit dem Gedachten?

Eine zentrale Frage ist doch, wer oder was ‚mein‘ Bewusstsein hat, wie es synthetisiert wird und in welchem Verhältnis es zu dem Ur-Bewusstsein Brahman steht.

Der Absatz, in dem das Wort ‚intermiscence‘ auftaucht, beschreibt eine Vertiefung des Kontakts. Kontakt kann hier maximal breit verstanden werden: Kontakt zwischen Energie (Rhythmus), Materie, Bewusstsein, Sinneswahrnehmung etc… Die Ergänzung von Kontakt durch ‚intermiscence‘ (ineinanderfließen) beschreibt das, was wir eigentlich nicht verstehen können, d. h. die Verbindung zwischen Bewusstsein und Materie. Und es ist einsichtig, ein Wort zu verwenden, das theoretisch nicht vorbelastet ist, ein frisches Wort sozusagen.

„But this vibration of conscious being is presented to itself by various forms of sense which answer to the successive operations of movement in its assumption of form. For first we have intensity of vibration creating regular rhythm which is the basis or constituent of all creative formation; secondly, contact or intermiscence of the movements of conscious being which constitute the rhythm; thirdly, definition of the grouping of movements which are in contact, their shape; fourthly, the constant welling up of the essential force to support in its continuity the movement that has been thus defined; fifthly, the actual enforcement and compression of the force in its own movement which maintains the form that has been assumed. In Matter these five constituent operations are said by the Sankhyas to represent themselves as five elemental conditions of substance, the etheric, atmospheric, igneous, liquid and solid; and the rhythm of vibration is seen by them as śabda, sound, the basis of hearing, the intermiscence as contact, the basis of touch, the definition as shape, the basis of sight, the upflow of force as rasa, sap, the basis of taste, and the discharge of the atomic compression as gandha, odour, the basis of smell.“

Mir wurde das heute bei meiner Andachtsmeditation klarer.

OM, Friede, Friede, Friede

Wer ein bisschen tiefer in die Kena Upanischad einsteigen möchte, sei hierauf verwiesen: Sri Aurobindo Vol 18 , p. 58

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Elemente – Feuer https://readingdeleuzeinindia.org/de/elemente-feuer/ https://readingdeleuzeinindia.org/de/elemente-feuer/#respond Sat, 19 Nov 2022 03:23:05 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=2434

Ich erinnere mich, dass ich seit meiner Kindheit immer ins Kaminfeuer gestarrt habe. Viele tun das, denke ich. Feuer hat etwas Faszinierendes. In den Veden ist Agni der Gott des Feuers, eines der 5 Elemente neben Wasser, Luft, Erde und Äther. Bei den Griechen gibt es diese Elemente ebenfalls. Ich habe das sehr lange nicht […]

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Ich erinnere mich, dass ich seit meiner Kindheit immer ins Kaminfeuer gestarrt habe. Viele tun das, denke ich. Feuer hat etwas Faszinierendes. In den Veden ist Agni der Gott des Feuers, eines der 5 Elemente neben Wasser, Luft, Erde und Äther. Bei den Griechen gibt es diese Elemente ebenfalls. Ich habe das sehr lange nicht verstanden und fand das ‚unwissenschaftlich‘. Ich dachte die Elemente von der Physik und Chemie her, und da macht das nur begrenzt Sinn.

Mythologie

Innerhalb der Mythologie und der spirituellen Erkenntnis aber ist das eigentlich vollkommen plausibel. In den Upanischaden werden verschiedene Seinsstufen des Bewusstseins unterschieden. Das allgemeine, ewige Bewusstsein, d. h. Bewusstsein an sich, formlos, allumfassend, unbestimmt – das Brahman. Dann gibt es die einzelnen Kräfte, Energie, den Willen, Liebe, Wissen etc.. Diese sind als Seinsformen gedacht, als Götter, als ein Götterhimmel. Aus ihnen tritt Atman, das einzelne Selbst, heraus. Es wohnt in uns.

Das klingt sehr befremdlich, alt, verklärt, unwissenschaftlich… aber eigentlich ist das doch phänomenal, gar nicht abzustreiten. Wir haben einen Willen, wir lieben und hassen, wir wissen und lassen uns täuschen…. Wissenschaftlich erklären können wir das nicht. Wir versuchen das über funktionale Modelle (z. B. Darwinismus) oder reduktionistische Modelle (Neurowissenschaften), bzw. systematisch beobachtend (Sozialwissenschaften). Diese Modelle versuchen aber letztlich das, was uns ausmacht, auf eine materielle, systemische bzw. strukturelle Ebene zu reduzieren. Unsere Annahme ist: Wenn wir es wegerklärt haben, haben wir das ‚Problem‘ gelöst. Was ist das für eine komische Vorstellung?

Es gibt aber eigentlich keinen Streit über die Existenz dieser Phänomene. Nur statt sie als Computermodelle zu visualisieren, gaben die Rishi, die Seher der Veden, ihnen Götternamen. Sie sahen ihre Existenz und akzeptierten und benannten sie.

Visualisierung

Bleiben wir also vielleicht einen Moment bei den Bildern der Rishi.

Die reine Existenz drückt sich aus, um sich selbst zu erkennen – durch einen Akt der Kreation. Wir nennen das in der Wissenschaft den Urknall. In der Kosmologie machen wir gute Fortschritte, die Ausformung von Materie, Galaxien, Planeten etc. zu beschreiben, und da wird sicherlich noch viel passieren. Die Computeranimationen sind inspirierend, die Weltraumbilder, die auf komplizierten Algorithmen beruhen, atemberaubend. Die Narrative über Quarks und Elektronen, Gravitationskräfte, Strings, Raumzeit, Krümmung der Zeit sind faszinierend, und für Nicht-Physiker eigentlich nicht zu verstehen. Wir akzeptieren die Zwischenstände der wissenschaftlichen Diskussionen als Wahrheiten, die populärwissenschaftlich aufgearbeitet auf Youtube-Kanälen Begeisterung finden. Einstein, Hawking u. a. sind unsere Rishi. Die Experten haben etwas verstanden, das wir nicht nachvollziehen und nicht überprüfen können. Nur die Peers, die wissenschaftlichen Kollegen, bzw. die Gemeinschaft der Rishi kann wirklich beurteilen, ob das nun Unsinn ist oder echtes Wissen.

Vor 4000 Jahren waren die Bilder Götter. Diese Denkbilder der Gottheiten sind unserer Erfahrung aber viel näher als die abstrakten technischen Bilder. Sie beschreiben unsere Lebenswelt präziser, ihre Einsicht ist tiefer, weil sie aus der Erfahrung schöpft. Die Veden akzeptieren Bewusstsein. Sie verstehen, dass Bewusstsein vereinzelt in einer menschlichen Existenz keinen Sinn ergibt. In den monotheistischen Traditionsräumen liegt hier das Kernproblem. Wie soll die Unsterblichkeit der Seele erklärt werden?

In den Veden ist jedes Bewusstsein Teil des einen. Eigentlich gar nicht so kompliziert, nur unglaublich schwer zu verstehen, weil es voraussetzt, dass wir uns selbst nicht so wichtig nehmen, uns als Teil eines Ganzen verstehen und so handeln. Die Unsterblichkeit liegt in der Einsicht, sich selbst nicht als Zentrum zu verstehen. Der Weg dahin ist die Meditation.

Erfahrung

Für mich ist es wichtig, auf der Ebene der Erfahrung zu bleiben. Das schränkt die Wissenschaft nicht ein, im Gegenteil, es gibt ihr neues Material. Mir ging es ja um das Feuer, die Energie, die Sonne und die Kraft, die alles bewegt. Jene Energie, die vernichtet und zugleich darüber hinaus alles transformiert und bewegt. Eine Energie, die sich aus dem Opfer (Sacrifice) speist, denn Holz z. B. verbrennt im Feuer, erzeugt Energie und hinterlässt Asche. Die Asche wird in den Tempeln in Indien auf die Stirn geschmiert, über das dritte Auge, den Sitz der Erkenntnis.

Wenn ich vor einem Feuer sitze, sehe ich diese Energie, ich spüre sie in meinem Gesicht, auf meiner Stirn. Ein Holzfeuer ist in seiner Helligkeit so, dass es mich nicht blendet, aber in seinen Bann zieht. Es ist Gefahr und Zeichen, Energie, Kraft und Zerstörung. Ich sehe im Feuer die Urkraft des Universums, das Abbild der Sonne, das Sinnbild der Reinheit und Klarheit.

Om Namah Shivaya

 

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Beichten https://readingdeleuzeinindia.org/de/beichten/ https://readingdeleuzeinindia.org/de/beichten/#respond Tue, 02 Aug 2022 15:48:49 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=1174

Als das Internet der Öffentlichkeit zugänglich wurde, d. h. Mitte der 90er-Jahre, gab es das Phänomen, dass Menschen ihre tiefsten Geheimnisse ins Internet stellten. Die Anonymität, die Einfachheit und die Schnelligkeit waren verführerisch. Die Beichte schnell abgelegt, die Anonymität weitestgehend gewahrt und vielleicht gab es sogar diesen kleinen Nervenkitzel, dass vielleicht jemand, den man kennt, […]

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Als das Internet der Öffentlichkeit zugänglich wurde, d. h. Mitte der 90er-Jahre, gab es das Phänomen, dass Menschen ihre tiefsten Geheimnisse ins Internet stellten. Die Anonymität, die Einfachheit und die Schnelligkeit waren verführerisch. Die Beichte schnell abgelegt, die Anonymität weitestgehend gewahrt und vielleicht gab es sogar diesen kleinen Nervenkitzel, dass vielleicht jemand, den man kennt, die Geheimnisse liest, ohne zu wissen, wer dahintersteckt. Diese Tele-Beichten, waren kathartisch. Heute hat sich das umgekehrt: Alle sollen sehen, was man tut, ohne mitzubekommen, was man wirklich denkt. Auch das mit der Anonymität hat sich geändert.

Etwas zu schreiben, ohne den eigenen Namen zu verwenden, hat etwas Ähnliches. Natürlich könnte jeder über den Domaininhaber die Identität ausfindig machen, darum geht es aber gar nicht. Spannend ist das öffentliche Schreiben. Das eigene Ich in den Hintergrund zu stellen, und die Gedanken sich selbst organisieren zu lassen. Es ist vielleicht sogar eine Art Meditation, bei der es ja auch viel darum geht, das eigene Ichbewusstsein ein Stück weit zu überwinden und in ein größeres kollektives einzutauchen. Diese Faszination strahlte am Anfang auch das Internet aus. In den 60ern waren es die kybernetischen Systeme, die diese Gedanken anregten.

Auf dieser technischen Ebene der Vernetzung beruhen viele Sci-Fi-Bücher und -Filme: Dune, Matrix, Neuromancer… Es gibt natürlich eine ganze Literaturgeschichte von Netzliteratur. Im Silicon Valley hat sich hieraus eine ‚Technikspiritualität‘ einer radikalen Rationalität im Geiste Ayn Rands in Form eines technischen Turmbaus von Babel entwickelt. Sie hat sich in eine Dystopie verwandelt, in der das Individuum zum Sklaven der Technik wird. Giorgio Agamben schrieb über den Homo Sacer. Unsere ‚Seele‘ wird zum ökonomischen Objekt.

 

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Viele ichs https://readingdeleuzeinindia.org/de/die-vielen-ichs-sri-aurobindo-ueber-die-illusion-der-identitaet/ https://readingdeleuzeinindia.org/de/die-vielen-ichs-sri-aurobindo-ueber-die-illusion-der-identitaet/#respond Fri, 08 Jul 2022 13:36:11 +0000 https://readingdeleuzeinindia.org/?p=799

Heute habe ich ein Zitat von Sri Aurobindo gehört. Er sagte sinngemäß, dass jeder von uns mehrere Ichs hat. Das war mir klar. Seit Jahrzehnten ist das meine Erfahrung, dass die unterschiedlichen Aspekte einer Persönlichkeit viele sind und die Vorstellung einer subjektiven Identität eine Konstruktion ist. Ich sah die Konstruktionsprinzipien immer als ideologisch an, die […]

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Heute habe ich ein Zitat von Sri Aurobindo gehört. Er sagte sinngemäß, dass jeder von uns mehrere Ichs hat. Das war mir klar. Seit Jahrzehnten ist das meine Erfahrung, dass die unterschiedlichen Aspekte einer Persönlichkeit viele sind und die Vorstellung einer subjektiven Identität eine Konstruktion ist. Ich sah die Konstruktionsprinzipien immer als ideologisch an, die der Logik von Reisepässen, individueller Verantwortung und Rechtssprechung, aber auch von Schuld und Sühne, der Idee einer Seele im christlichen Kontext etc. dient.

Meine Reaktion war immer, mich gegen dieses Konstruktionsprinzip von Individualität zu wehren. Aurobindo sagt nun, dass gerade dann, wenn Mensch das Gefühlt hat viele Aspekte, viele Ichs in sich zu haben, die Aufgabe der Sortierung schwierig ist. Manche Menschen leben in ihren Bahnen und haben einen Weg gefunden, die Widersprüche irgendwie zu vereinen. Andere haben so viele Ichs in sich, dass ein Ordnen schwierig ist. Wie soll dieses Ordnen auch gehen?

Neu ist für mich ist der Gedanke, dass die vielen Ichs um etwas herum geordnet werden können, das größer und anders ist. Ein größeres Bewusstsein. Für viele ist das vielleicht ein göttliches Bewusstsein. Für Deleuze vielleicht Immanenz. Sich selbst nicht mehr als Selbst zu verstehen, sondern als Teil… 5 Jahre Philosophiestudium, die es für mich hier zu überwinden gilt. Und 20 Jahre Kunsttheorie, die das Individuum ins Zentrum stellt.

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Foucault sagte, die Seele sei das Gefängnis des Körpers https://readingdeleuzeinindia.org/de/foucault-sagte-die-seele-sei-das-gefaengnis-des-koerpers/ https://readingdeleuzeinindia.org/de/foucault-sagte-die-seele-sei-das-gefaengnis-des-koerpers/#respond Fri, 24 Jun 2022 07:33:18 +0000 http://multimediaautor.de/?p=269

Sich großen Themen mit kleinen Texten nähern, geht das? Der Mittelmeerraum ist die Geburtsstätte des Monotheismus – Judentum, Christentum, Islam. In Indien ist die Geburtsstätte des Hinduismus. Unzählige Götter werden hier gedacht oder aber die Abwesenheit von Gott, bzw. die Universalität des Göttlichen, je nachdem, welchem der zahlreichen Stränge man folgt. Zwei Prinzipien sind hier […]

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Sich großen Themen mit kleinen Texten nähern, geht das? Der Mittelmeerraum ist die Geburtsstätte des Monotheismus – Judentum, Christentum, Islam. In Indien ist die Geburtsstätte des Hinduismus. Unzählige Götter werden hier gedacht oder aber die Abwesenheit von Gott, bzw. die Universalität des Göttlichen, je nachdem, welchem der zahlreichen Stränge man folgt.

Zwei Prinzipien sind hier jedoch sichtbar: die Maxime der Individualität, die sich auch jenseits des Todes fortsetzt, und der Gedanke, Teil eines viel Größeren zu sein, innerhalb dessen das Individuelle zu überwinden ist. Das eine fordert Gehorsam, gekoppelt an individuelle Verantwortung, das andere Erleuchtung in Demut und Überwindung der eigenen Individualität.

Die gemeinsame Wurzel liegt im Karma.

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