Tiruvannamalai

Shiva Tiruvannamalei Deepam

Gestern bin ich etwas in meinem Geiste gefolgt, das ich schwer beschreiben kann. Alltagssprachlich würde ich vielleicht sagen, ich bin meiner Intuition gefolgt. Es ist aber etwas komplexer. Ich bin wieder nach Tiruvannamalei gefahren. Es war der letzte Tage des Karthigai Deepam Brahmotsavam festivals.

Am 6. Dezember 2022 also wurde ein Feuer auf diesem Berg erzeugt, wie schon seit 2500 Jahren. Es gibt dazu natürlich eine Geschichte aus der Vorzeit. Brahman, das universale Selbst, hat sich in Brahma (Schöpfer), Vishnu (Bewahrer) und Shiva (Zerstörer) geteilt. Vishnu und Brahma stritten sich darüber, wer der größte sei. Shiva erschien als Feuer und fragte Vishnu und Brahma wo das Ende und der Anfang des Lingam sei. Vishnu verwandelte sich in ein Wildschwein und grub, fand aber den Anfang nicht, Brahma verwandelte sich in einen Schwan, flog hoch und fand das Ende nicht. Brahma nahm jedoch eine Blume, die seit 40.000 Jahren im freien Fall war, als sie von der Spitze des Lingam fiel, als Beweis, dass er am Ende war. Shiva durchschaute das und sorgte dafür, dass Brahma nicht mehr angebetet wurde und die Blume nicht zum Beten verwendet werden darf.

Die Götter des Hinduismus sind so komplex, dass sie sich jeder Kurzcharakterisierung entziehen. Für Shiva gibt es allein in den Shiva-Purana 1008 Namen, die jeweils eine Eigenschaft bedeuten.

Die Prozession

Der Berg in Tiruvannamlalei ist eine natürliche Erscheinung des Lingam von Lord Shiva. Die Lingams in indischen Tempeln sind eine Art Altar. Die Götterstatuen und Lingams sind reale Erscheinungen der Götter. Der Berg in Tiruvannamalei ist der größte Lingam und der kraftvollste Shiva Tempel in Indien.

Bei diesem Festival kommen einige 100.000 Menschen, manche sagen eine Million. Eine Million Menschen umkreisen einen Berg? Das wollte ich sehen… Ich habe allerdings in den vergangenen Wochen gemerkt, dass sich mein Verhältnis zu der hinduistischen Spiritualität geändert und vertieft hat.

Mein Studium der Upanischaden und der Vedischen Texte hat mir einen neuen Blick auf die Philosophie gegeben und daraus folgt für mich dann auch ein anderer Blick auf die Spiritualität und schließlich ein anderes Sein in der Welt. Ich sehe die Welt anders, ich erfahre sie anders, verstehe sie anders, ich denke anders und erlebe anders. Zu sagen, ich wäre einfach nur meiner Intuition gefolgt, ist also zu verkürzt. Intuition ist da, aber eben nicht nur. Letztlich war ich da, das ist das, was sich sagen lässt. Was mich dahin gebracht hat, kann nicht gesagt werden. Und diese Unsagbarkeit dessen, was uns antreibt, ist überwältigend. Sie in kollektiver Ekstase zu erleben, naheliegend.

Auf dem 16 Kilometer langen Weg erklangen während meiner 4-stündigen Umrundung des Berges durch die Lautsprecher die Mantras Om Namah Shivaya bzw. OM Namo Bhagavate Vasudevaya – nonstop. Wir sind an einigen anderen Tempeln vorbeigelaufen, an manch einem bin ich stehen geblieben, habe den Göttern Tribut gezollt – manchmal auch einfach nur mit einer Geste beim Vorbeigehen.

Was hat das mit mir gemacht, frage ich mich? Es hat mich näher an die Erfahrung dessen gebracht, was uns als Menschen ausmacht. Ich war mit sehr vielen Menschen im engen Gedrängel und habe sie rufen und singen gehört, immer lächelnd und voller Andacht. Sie hatten sich alle hübsch gemacht. ‚What do you think of my people‘ fragt mich ein junger Inder. ‚I love them‘, sagte ich.

In der Nacht träumte ich den Feuern in Varanasi. Diese Feuer wurden von Shiva angezündet und brennen seit 3000 Jahren. Wer hier verbrannt wird, verlässt den Kreislauf der Wiedergeburt. Die Asche wir im Ganges weggetrieben.

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