Gestern habe ich zwei Tausendfüßler bei der Paarung gesehen. Das war so ziemlich das faszinierendste, dass ich seit sehr langer Zeit gesehen habe. Die Kreaturen haben sich in sich verschlungen, sich gerieben und umgarnt, da war Rhythmus, Hingabe, Verschlingen. Die beiden sind sich zufällig begegnet, und nach ein paar Minuten in unterschiedliche Richtungen weitergezogen. Eine Begegnung. Es waren zwei Lebensformen, die sich vereint haben, um weiteres Leben zu zeugen.
A Life – Ein Leben
Ich habe heute dann Deleuze’ letzten Essay wieder gelesen: „Immanence: A Life“, Deleuze schrieb dies kurz bevor er sich aus dem Fenster stürzte, er war schwerst krank. Ich habe diesen Essay vor vielen Jahren gelesen, ungefähr zu der Zeit als mein Vater starb, wenn ich mich richtig erinnere. Nun, bei erneuter Lektüre, merke ich warum ich damals so berührt war, und ich merke auch, dass ich damals wirklich fast gar nichts verstanden habe, was allein schon die ‚falschen‘ Unterstreichungen zeigen.
Ich hatte die letzten Tage eine kleine Krise, ich fragte mich, ob die Ideen von Sri Aurobindo nicht vielleicht doch ein wenig zu abgedreht sind. Und gleichzeitig fragte ich mich auch, ob nicht Deleuze‘ Denken in seiner monistischen, empirischen Ausrichtung nicht vielleicht doch das Gegenteil von dem ist, was ich hier in Indien auf meiner Reise in die spirituelle Philosophie entdecke. Und dann fängt dieser Essay so an:
„What is a transcendental field? It can be distinguished from experience in that it doesn’t refer to an object or belong to a subject (empirical representation). It appears therefore as a pure stream of a-subjective consciousness, a pre-reflexive impersonal consciousness, a qualitative duration of consciousness without a self.“
Der Rest liest sich wie ein Kommentar zu den Upanischaden.
Brahman
Ich komme da immer wieder drauf zurück, weil diese Schriften einfach unglaublich tief sind. Deleuze beschreibt hier das Selbst als subjektloses Bewusstsein, als reiner Fluss der das Transzendente Feld bildet. Dieses Feld ist der Grund von allem – Brahman (?) – aus ihm heraus bildet sich alles. Subjekt und Objekt gemeinsam, das Subjekt nie ohne ein Objekt auf das es sich bezieht. Die Erfahrungen, Erlebnisse, Erinnerungen, Momente und Episoden bilden sich hier heraus. Sie sind in der Immanenz geboren. Deleuze schreibt eine Seite weiter:
„Were it not for consciousness, the transcendental field would be defined as a pure plane of immanence, because it eludes all transcendence of the subject and of the object.“
Ich weiß, dass das alles sehr kompliziert klingt, diese sind Begriffe, die oft suspekt erscheinen, weil sie für eine Art des Denkens stehen, die viele nicht verstehen und die, die sich darin bewegen, sich darüber sehr streiten. Es ist nur so, dass dies im Kontext hier für mich sehr viel Sinn machen. Ich war heute Morgen im Matrimandir, da wusste ich noch nicht, dass ich dieses Buch heute aufschlagen würde. Ein Freund hier ist mitgekommen, er fand das ganze ziemlich elitär und unnötig, er bezog sich auf die Architektur. Ich fand es spannend, in meiner Praxis habe ich mich auf die Chakren gerichtet.
Immanenz
In der Meditation geht es doch letztlich darum, eben jenes Bewusstsein, das Deleuze als reine Immanenz beschreibt, zu teilen. Ob das wirklich geht, sei mal dahin gestellt. Mediation ist jedoch der Versuch einer Approximation. Wenn es gelingt, so die Upanischaden, dann erfahren wir wenigstens für diesen Moment Unsterblichkeit. Und nur so kann man doch aus dem Fenster springen. Ich meine das ernst, es ist wirklich nicht die naheliegendste Schlussfolgerung, und nicht zur Nachahmung empfohlen. Aber es ist schon erstaunlich, wie nah sich Deleuze hier den Upanischaden annähert, es ist, als ob seine ganze Philosophie hierauf zuläuft.
„This indefinite life does not itself have moments, close as they may be one to an other, but only between-times, between-moments; it doesn’t just come about or come after but offers the immensity of an empty time where one sees the event yet to come and already happened, in the absolute of an immediate consciousness.“
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