Es waren vier magische Tage. Das Auroville Film Institute hat eine Residency mit Ustad Bahauddin Dagar vom 7. bis 10. November 2022 organisiert. Stattgefunden hat das in der Bhumika Hall, Bharat Nivas Auroville.
Dhrupad – der Film (1983)
Ustad Bahauddin Dagar ist Rudraveena Spieler. Sein Famile spielt das Instrument seit 20 Generationen! Sein Vater und Onkel (Zia Mohiyuddin Dagar und Fariduddin Dagar) waren wahre Meister. Es gibt dazu den wundervollen Film Dhrupad von dem indischen Regisseur Mani Kaul. Mani Kaul ist unter anderem stark beeinflusst von dem Vorläufer der Nouvelle Vague Robert Bresson. Mani Kauls Film ist ein Meilenstein in der indischen Filmgeschichte. Sein Film eröffnet mit einer Einstellung auf Ustad Bahauddin Dagar als kleiner Junge. Es war eine bezaubernde Idee des Auroville Film Institutes Ustad Bahauddin Dagar nach Auroville einzuladen, um mehr über Dhrupad Gayaki und die Rudraveena zu lernen.
Ustad Bahauddin Dagar strahlt eine unglaubliche Bescheidenheit aus. Er steht auf großen Schultern, und begann erst spät die Rudraveena zu lernen. Er gibt selbst international Konzerten und ist ein echter Guru. Er brachte zwei seiner Schülerinnen mit sich. Unter den Teilnehmern waren viele Musikstudierende, die seit zwei Jahren auf diesen Workshop gewartet haben, denn coronabedingt wurde er öfter verschoben.
Meisterklasse
Am Anfang und Ende des Workshops spielte Ustad Bahauddin Dagarist die Rudraveena. Die Mitschnitte sind hier verlinkt. Ich höre seit sehr langer Zeit Ragas, ohne viel darüber zu wissen. Ich habe viel über die Ursprünge gelernt, die Verbindung bis zurück zu der Zeit der Vedischen Schriften. Wir lernten über die Komplexität des Instruments, das über Jahrtausende perfektioniert wurde. Die Musiktheorie und Spielpraxis illustrierte Ustad Bahauddin Dagarist auf der Rudraveena selbst.
An zwei Tagen lernten wir über Riyaz (üben): Früh morgens vor dem Sonnenaufgang (am Mittwoch um 4:30 morgens und am Donnerstag um 6:30 morgens) wurde die Stimme ‚aufgewärmt‘. Das fing an mit Kharaj, dem Üben des unteren Registers der Stimme. Das gemeinsame Singen von OM hat über den Stimmbildungseffekt und Lungenkapizätstraining eine sehr meditative Komponente. Danach folgten komplexe Übungen von Rhythmus und Melodie.
Mir wurde plötzlich deutlich, wie reich diese Tradition ist, und dass es traurig ist, dass diese Musikform immer noch als etwas exotisch betrachtet wird. Für mich gehört sie nach diesem Workshop zum kulturellen Weltkulturerbe. Aber das wird vielleicht eine Weile dauern, bis sie als solche anerkannt ist.
Film – Dhrupad – Spiritualität
Es war eine Offenbarung. Philosophisch hat mich interessiert, dass der Rhythmus in den Raga mehrfach als Flug beschrieben wurden – im Film und in den Diskussionen. Das erinnert mich an Deleuze, seine Vorstellung, dass Rhythmus ein Element ist, das verbindet, Dinge, die im Rhythmus schwingen sind, verbunden. Ein Rhythmus, der wahrgenommen wird, zieht an, das fängt schon beim Paarungsverhalten im Tierreich an, wenn nicht sogar geologisch und kosmologisch in den Sternbahnen und Pulsaren.
Der Film von Mani Kaul arbeitet mit Zufallselementen, er ist nicht narrative. Die Musik und die Bilder sind in einer respektvollen Wechselwirkung, die Organisation der Einstellungen ist komplex organisiert, innerhalb der Zeitlinie des Films verweisen einzelne Elemente aufeinander (line of flight). Er ist deutlich musikalisch gedacht. Es ist ein Film, der die Philosophie der Ragas einfängt und festhält. Er selbst ist Musik, Denken, Spiritualität, Konzentration und Einsicht. Für Deleuze ist der Filmstreifen selbst, also das Medium des Films, konkretes materielles Denken. In Manu Kaul’s Film ist er reine Spiritualität… Immanenz.
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